MilchpreiseRösrather Bauer Stöcker fühlt sich von Politik alleingelassen

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Rösrath – Die Stimmung bei den Milchbauern in der Region ist schlecht, seit der Abschaffung der Milchquote fallen die Preise. Lambert Stöcker (Jahrgang 1961), Milchbauer in Rösrath und Mitglied im NRW-Vorstand des Bundesverbandes deutscher Milchviehhalter, ist nicht der einzige, der ans Aufgeben denkt. Er spricht stellvertretend für viele Milchbauern. „Es ist das Schlimmste eingetroffen, was man sich ausmalen konnte. Ich erhalte noch 18 Cent pro Liter Milch, 40 Cent wären ein auskömmlicher Preis.“ Die Stöckers betreiben ihren Hof seit Generationen, Stöckers Sohn ist 26 Jahre alt und ausgebildeter Agrarfachwirt. „Wir arbeiten beide zehn Stunden am Tag, auch sonntags auf dem Hof. Aber im Moment denke eher ans Aufgeben der Milchproduktion als ans Weitermachen.“ sagt Stöcker. Die Milchwirtschaft ernährt die zwei Familien nicht mehr – und das, obwohl die Familie als zweites Standbein eine Schlachterei betreibt und Rindfleisch vermarktet. „Ich persönlich setze auf das Projekt »Faire Milch«, das Bauern eine fixe Summe pro Liter garantiert – die Kunden müssen mehr bezahlen, wissen aber, dass sie eine qualitativ hohe, bäuerliche Produktionsweise ohne Gen-Futter mit ihrem Kauf fördern.“ Aber noch reicht der Absatz für diese Milch nicht, um die Ausfälle abzufedern.

Verbraucher freuen sich über Tiefpreise beim Discounter. „Aber derart niedrige Preise können wir nur eine gewisse Zeit kompensieren, dann muss Schluss sein. Wir verlieren – und so ähnlich geht es allen Betrieben dieser Größenordnung – beim aktuellen Milchpreis 100 000 Euro pro Jahr.“ Das bedeutet für Familie Stöcker: „Wir können nichts Neues anschaffen, uns fehlt sogar das Geld für Ersatz- oder Reparatur-Investitionen. Wir leben von der Substanz, und ich muss mich fragen: Wie lange soll das gehen? Will ich alles verzocken?“

Seit Ende der Milchquote produziert Polen sechs Prozent mehr Milch, die Niederlande zehn Prozent, Irland sogar 40. In Deutschland habe sich die Produktion um 3,5 Prozent erhöht. Selbst wenn das russische Embargo wegfiele, gäbe es kaum Entspannung, die Exporte dorthin umfasste 1,5 Prozent der europäischen Milchmenge. „Was helfen würde, wäre eine politische Entscheidung zur Mengenbegrenzung“ sagt Stöcker. Jeder Betrieb könne die Mengen um fünf bis zehn Prozent reduzieren – durch andere Fütterung und dadurch, die Zeiten bis zum nächsten Kalben zu verlängern.

Stöcker ist enttäuscht von der Politik und von der Spitze des Deutschen Bauernverbandes. „Was sind Politiker hier bei uns über den Hof gelaufen, was haben wir Gespräche geführt in Berlin, in Brüssel ... Aber der Bundesagrarminister hilft uns nicht." Beim Milchgipfel am 30. Mai seien seines Wissens nur Lobby-Vertreter der Milchindustrie eingeladen, keine Milchbauern. Nun wird ein 100-Millionen-Hilfspaket aus Berlin für Bauern versprochen. Wenn man das herunterbreche auf die 75 000 deutschen Milchbauern, „dann sind das lächerliche 1300 Euro pro Hof. Ich als traditioneller Milchbauer mit 130 Kühen fühle mich alleingelassen.“

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