Sommertour der RedaktionAffenfutter aus Rhein-Berg – Wahner Heide bis Heiligenhaus

Lesezeit 7 Minuten
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Unsere Tour startet an der Querwindbahn.

Rhein-Berg – „Bundesrepublik Deutschland“ steht auf dem Flugzeug, das sich dröhnend von der Startbahn in die Luft erhebt. Eine Maschine der Flugbereitschaft des Bundesministeriums der Verteidigung. Ob da vielleicht gerade Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer abhebt, um nach Berlin zu düsen? Oder ein anderer hochrangiger Politiker? Den Fuchs, der durchs noch taunasse Gras streicht, interessiert’s nicht. Er hat sich wie die übrige Tierwelt in der Wahner Heide längst an die metallenen Riesenvögel gewöhnt, die hier mit Getöse starten und landen.

Aber was ist das? Ein weißer Kastenwagen mit der Aufschrift „Kölner Zoo“. Die Wasserbüffel, Esel, Schafe und Ziegen, die in Teilen der Wahner Heide grasen und so die Heideflächen offenhalten, kenne ich ja, aber Zootiere „auf Ausflug“ in der Heide?

Zoomitarbeiter hält Naturschutzgebiet in Stand

Nicht ganz. Der Wagen stoppt. Ein Zoomitarbeiter steigt aus und öffnet die Ladefläche: Leer. Noch. Mit einer Astschere und Säge schneidet der Mann vom Kölner Zoo neben dem Weg junge Birken ab. Er darf das. Obwohl wir mitten im Naturschutzgebiet sind.

Die Etappe

Wahner Heide bis Heiligenhaus

Start: Südlichster Punkt des Kreisgebiets in der Wahner Heide (auf Rösrather Stadtgebiet)

Ziel: Overath-Heiligenhaus

Länge: 16,1 km, ca. 5 Std.

Profil: Vom südlichsten Punkt des Rheinisch-Bergischen Kreises in der Wahner Heide geht es durch das Zentrum von Rösrath über Menzlingen auf wildromantischen Pfaden ins Kupfersiefer Tal und hinauf auf den Höhenrücken zwischen Sülz- und Aggertal bis in den Overather Höhenort Heiligenhaus – mitten in der Wahner Heide unweit von Troisdorf-Altenrath. Gesamtsteigung ca. 270 Höhenmeter.

Rückfahrt: Von Overath-Heiligenhaus mit Bus Linie 420 zum Overather Bahnhof, weiter mit Bus Linie 557 Rtg. Siegburg Bf bis Lohmar Schulzentrum, dann Bus Linie 506 Richtung Sieglar bis Altenrath-Mitte und zu Fuß an der Alten Kölner Straße hinaus zum Ausgangspunkt (www.vrs.de).

GPS-Daten: https://out.ac/I3owZM

Oder besser: gerade deshalb. Denn würden die jungen Birken nicht entfernt, würden sie die offenen Heideflächen rasch zuwuchern und aus der Wahner Heide würde der Wahner Wald. Aber warum hilft der Kölner Zoo beim Freischneiden eines der artenreichsten Schutzgebiete im Land?

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Mittagessen für die Affen im Zoo frisch aus der Wahner Heide.

„Das hier wird Futter für unsere Affen, die größeren Äste auch für die Elefanten“, erklärt der Zoomitarbeiter, der lieber nicht mit Bild oder Namen in der Zeitung erscheinen will. Zu oft werde er hart angegangen von Spaziergängern, die ihm nicht abnehmen würden, dass er hier im Dienste des Naturschutzes unterwegs sei.

Tiere und Pflanzen der Wahner Heide als Fotomotive

„Manchmal werden auch offenbar absichtlich die Schlösser der Schranken verklebt, damit wir sie nicht mehr öffnen können“, erzählt der Zoomitarbeiter und wuchtet einen weiteren Arm voll Birkenzweigen in den Kastenwagen. Das Mittagessen für den Pavian-Felsen – frisch aus der Wahner Heide. Wohl bekomm’s!

Ein Hubschrauber knattert in Richtung Querwindbahn. Zwischen den Leuchten der Anflugbefeuerung zur Querwindbahn hockt Christoph Rzitka, schaut konzentriert durch den Sucher seiner Kamera. Gerade hat er einen Grasfrosch vor der Linse, etwas weiter bereits die fleischfressende Pflanze Sonnentau anvisiert.

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Naturfotograf Christoph Rzitka beim Sonnentau-Fotografieren.

Rzitka ist schon in aller Frühe von Haan im Kreis Mettmann angereist, hat zunächst in der Südheide am Telegrafenberg den Morgennebel in beeindruckenden Bildern eingefangen und geht jetzt noch in der einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt der Wahner Heide auf Fotopirsch. Der ambitionierte Naturfotograf ist Mitglied in der deutschen Gesellschaft für Naturfotografie und möchte die Bilder später in seiner Gruppe vorstellen.

Fußgängerweg zwischen Lärmschutzstreifen

Weiter geht’s Richtung Rösrath-Schefferei. Immer den roten Pfählen nach. Die nämlich markieren im Naturschutzgebiet der Wahner Heide diejenigen Wege, die für Wanderer freigegeben sind. An der Hasbacher Straße wird die Erinnerung an die Zeiten vor rund 30 Jahren wach, als hier Naturschützer ein Zeltlager aufgeschlagen hatten.

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Sonnenblumen auf Rösraths Höhen bei Großhecken.

So wollten sie geplante Abholzungen am Berg Krümerich verhindern. Aus Gründen der Flugsicherheit mussten die alten Baumbestände dort laut Airport verschwinden. Am Ende wurde die Rodung mit Polizeischutz durchgeführt. Seitdem wird der Wald hier niedrig gehalten.

Eine Gruppe Radfahrer fährt mit surrenden Ketten vorbei, im ersten Garten von Schefferei mäht jemand Rasen, Rinder grasen auf der Weide zwischen den locker besiedelten Heidesiedlungen. Mit der Ruhe ist’s plötzlich vorbei. Ein Fußgängerdurchlass öffnet den Weg zwischen Lärmschutzstreifen hindurch auf eine Brücke. Keine zehn Meter tiefer rauschen Autos und Lastwagen hindurch. Sechsspurig. Die A3 ist eine der am stärksten befahrenen Autobahnen der Republik.

Stromzähler werden seit Wochen ausgetauscht

Auf der anderen Seite der Verkehrsader ist die Hasbacher Straße zurzeit eine Einbahnstraße, denn auf einer Straßenseite liegen Kanaldeckel, Bord- und Pflastersteine. Sie sind für den weiteren Ausbau der Scharrenbroicher Straße bestimmt, wie Ali Cakir und Riccardo Mancarelli wissen. Die beiden Netzmonteure der Stadtwerke Rösrath schließen gerade eine der noch stehenden alten Bogenlaternen an die neuen Leitungen an.

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Im Einsatz: Ali Cakir und Riccardo Mancarelli von den Stadtwerken.

Damit’s bis zur Installation der neuen LED-Straßenbeleuchtung nachts nicht duster ist. Das ist allerdings derzeit eher eine kleinere Baustelle für die Monteure. Ihre Hauptarbeit besteht seit Wochen darin, Stromzähler in vom Sülzhochwasser überfluteten Häusern auszutauschen. „Über 200 haben wir schon mit Unterstützung örtlicher Elektriker gewechselt“, erzählt Mancarelli. Mindestens 150 stünden noch aus, schätzt er. „Vor allem Hoffnungsthal hat’s ja besonders hart getroffen.“

Einkehr im Bauernhofcafé Gut Schiefelbusch

Aber auch jenseits des Damms der Sülztalstraße prägen Container das Straßenbild, gefüllt mit Fliesen, Estrich und Putz. „Alles musste raus“, sagt Markus Beckers, der mit einer Tasse Kaffee vor seinem Haus an der Kurt-Weill-Straße sitzt.

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Auch den Estrich mussten Petra und Markus Beckers nach der Flut aus ihrer Küche stemmen lassen, in der nun ein Trocknungsgerät steht.

Durchs offene Küchenfenster ist ein Trocknungsgerät zu hören. Couch, Laminat und selbst der Estrich im Wohnzimmer sind nicht mehr. Das Erdgeschoss sieht fast aus wie ein Rohbau. „Gegen vier Uhr in der Flutnacht hatten wir den Kampf verloren“, erinnert sich der 57-Jährige an den frühen Morgen des 15. Juli. Trotz allem hat er weder den Mut noch seinen Humor verloren.

Nachgefragt

„Gegen vier Uhr in der Flutnacht hatten wir den Kampf verloren“

„Meine Frau und ich hatten Nachtschicht“, erinnert sich Markus Beckers an die Nacht auf den 15. Juli. Sie arbeitet  in einem Seniorenstift, er ist seit 34 Jahren Schichtleiter im Druckzentrum dieser Zeitung. „Kurz nach Mitternacht rief meine Frau an, sie hatte von einem Nachbarn erfahren, dass hier zu Hause  das Wasser stieg, die Siedlung evakuiert wurde.“

Da Kollegen spontan  übernahmen, konnte  Beckers  nach Rösrath fahren. „Vorne an der Kreuzung bin ich schon nicht mehr mit dem Auto reingekommen“, erinnert er sich. Das Haus der Beckers liegt an der höchsten Stelle der Straße. Als sie  nach Haus kommen, steht das Wasser der  Sülz noch einige Häuser entfernt. Aber es steigt unaufhörlich.

„Plötzlich kam es an den Heizungsrohren aus dem Boden und durch alle Ritzen ins Haus“, erinnert sich Beckers. Mit Kehrblechen  versuchten er und seine Frau noch das Wasser aus dem Haus zu schippen. Vergebens. „Wir wohnen seit 20 Jahren hier, aber das hätte ich nicht für möglich gehalten“, sagt Beckers. Dabei hätten sie es noch vergleichsweise „gut“ gehabt, sagt er: „Wir hatten es nur 15 Zentimeter  im Erdgeschoss, die Nachbarn die Straße runter hatten es einen Meter hoch stehen.

Und wenn man dann überlegt, dass die Menschen an der Ahr alles verloren haben, dann sind wir doch mit einem blauen Auge davon gekommen.“ Und die Flut schweißte zusammen. „Wir haben unheimlich viel Hilfe bekommen, auch von Leuten, die wir gar nicht kannten.“ Der Sohn besorgte ein Trocknungsgerät, der älteste Bruder einen Küchenbauer, um einige Schränke zu retten. Auch Fliesenleger Hasso Schröder, der eigentlich ein paar Häuser weiter einen  Fliesenauftrag hatte, habe „der Himmel geschickt“.

Nun stemmt der Sanierungsexperte  in einem Reihenhaus nach dem anderen den Estrich heraus.  „Wenn alles gut geht“, hofft Beckers, „werden wir  vielleicht schon im Oktober auch wieder im Erdgeschoss leben können.“ (wg)

Über die längst wieder unschuldig dahinplätschernde Sülz geht es hinauf nach Menzlingen, von wo aus ein wildromantischer Weg ins Kupfersiefer Tal führt. Märchenhaft. An einer Baumwurzel ist sogar ein Zwergenpaar zu sehen. Ob das vielleicht die Kinder aus der Wald-Kita unweit der Kupfersiefer Mühle hier platziert haben?

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Märchenhaft: Zwergenpaar an einem Baum im Kupfersiefer Tal.

Auf der Höhe lockt nicht nur eine Fernsicht bis zum Siebengebirge, sondern von donnerstags bis sonntags auch eine Einkehr im Bauernhofcafé von Gut Schiefelbusch, bevor’s noch einige Kilometer über die Höhe bis nach Heiligenhaus weitergeht – mit einem ganz besonderen Gipfelblick. Aber das ist eine andere Geschichte dieser Sommertour.

Nächstes Wochenende geht es auf der letzten Sommertour-Etappe durch Overath zum Heckberg.

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