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Schuhmachermeister GatzenBekannter Sänger aus Bedburg wird 90 Jahre alt

Lesezeit 3 Minuten
Hubert Glatzen sitzt in am Arbeitsplatz in seinem Schuhmachergeschäft in Bedburg.

Hubert Gatzen ist seit vielen Jahrzehnten Schuhmachermeister in Bedburg. Er lernte das Handwerk von seinem Vater Johann. Als Singender Schuhmachermeister präsentierte Gatzen vielen Jahre lang Lieder des Bedburger Komponisten Matthias Lammet auf Karnevalssitzungen.

In Bedburg kennt so gut wie jeder Hubert Gatzen, kein Wunder, wenn man so lange so fleißig ist. Aber es gibt noch einen ganz anderen Grund: Hubert Gatzen ist ein guter Sänger mit reichlich Bühnenerfahrung.

Es ist 1969. An der Hand meiner Mutter betrete ich die kleine Werkstatt von Hubert Gatzen. Niemand in Bedburg bringt seine Schuhe zum Besohlen zum Schuster oder Schuhmacher. Nein, in Bedburg geht man „nam Gatzen“. „Bring die Stiefel mal nam Gatzen, der kriegt die wieder hin“, ist ein Satz, den ich schon vor der Grundschule verstand. Und er hat sie immer wieder hinbekommen.

Als wir an diesem kalten Dezembertag 1969 die kleine Werkstatt betreten, sitzt Schuhmachermeister Gatzen an einem drehbankartigen Gerät und schleift Sohlen passend. Es riecht nach Schuhcreme, Leder und ein wenig nach Kleber. Dieser Tage bin ich wieder da, weil Hubert Gatzen heute 90 Jahre alt wird. Es war wie ein Zeitsprung. Wie damals sitzt der freundliche Mann mit der grünen Arbeitsschürze an der Arbeit – mal an der Drehbürste, mal an der edlen mattschwarzen und vor allem fußbetriebenen Nähmaschine aus seinem Meisterjahr 1958: „Wenn man das nicht mit den Füßen antreibt, dann hat man kein richtiges Gefühl beim Nähen.“

Wenn man das nicht mit den Füßen antreibt, dann hat man kein richtiges Gefühl beim Nähen“.
Hubert Gatzen

Trotz seiner 90 Jahre öffnen Hubert Gatzen und seine Frau Elisabeth noch immer ihr kleines Schuhmacherlädchen nahe der Erftbrücke in Bedburg an der Graf-Salm-Straße 29. Es ertönt wie seit vielen Jahrzehnten das charakteristische Klingeln an der Tür, und natürlich duftet es immer noch nach dieser unverwechselbaren Mischung aus Leder, Gummi und Klebstoff. „Aber wir machen nur noch von 15 bis 18 Uhr auf“, schränken die beiden ein. Allerdings nicht etwa wegen ihres eigenen Alters, sagt der Schuhmachermeister: „Nein, das machen wir wegen Corona.“

In Bedburg kennt so gut wie jeder Hubert Gatzen, kein Wunder, wenn man so lange so fleißig ist, möchte man meinen. Aber es gibt noch einen ganz anderen Grund: Hubert Gatzen ist ein guter Sänger mit reichlich Bühnenerfahrung. Nicht nur dem Bedburger Männergesangverein und dem Kirchenchor lieh er mit Liebe über Jahrzehnte seine wohlklingende Stimme. Er ist in Bedburg und Umgebung seit den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts auch als „Der singende Schuhmachermeister“ in Erscheinung getreten.

Da sagen die doch immer, wir sollen nicht soviel Abfall produzieren, und was tun wir? Wir machen Schuhe, die wir nach einer Zeit einfach wieder wegwerfen".
Hubert Gatzen

Jahrelang stand Gatzen als Schuhmacher „verkleidet“ für die Narrenzunft auf der Bühne des Rittersaales im Bedburger Schloss und trug auf Prunksitzungen gekonnt rheinische Lieder des verstorbenen Bedburger Komponisten Matthias Lammet vor. Bis in die späten 90er-Jahre hinein war er ein fester Bestandteil der jährlichen Sitzungen. Auch bei der St.-Sebastianus-Schützenbruderschaft ist der Schuhmachermeister aktiv. In der Gruppe der Bückeburger Jäger nimmt er immer noch am großen Festumzug des Pfingstschützenfestes teil und marschierte in diesem Jahr auch ein gut Teil der Strecke mit. Einmal sei er sogar Zugkönig gewesen, erzählt der 90-Jährige.

Mit seiner Frau Elisabeth unternimmt der Unruheständler sonntagnachmittags lange Wanderung um das Peringsmaar oder entlang der Erft. Auch mit den E-Bikes sind die beiden unterwegs. Sie hoffen, bald mal wieder mit der Bahn in ihren geliebten Urlaubsort bei Meran in Südtirol reisen zu können. Auch dort sind sie dann auf Schusters Rappen unterwegs. Apropos Schuster: Mit dem aktuellen Schuhwerk kann sich der Meister nicht anfreunden: „Wenn ich die heutigen Schuhe sehe, wie die zusammengeklebt werden, auch die teuren, nee, dat is doch nix.“

Ein guter Schuh gehöre genäht, dann könne man ihn auch reparieren und bei Bedarf neue Sohlen oder Absätze anbringen. So habe man lange etwas von seinen guten Schuhen, rät der Profi: „Ein guter Schuh verschleißt bei mir kaum.“ Für ihn hat das auch einen Umweltaspekt: „Da sagen die doch immer, wir sollen nicht soviel Abfall produzieren, und was tun wir? Wir machen Schuhe, die wir nach einer Zeit einfach wieder wegwerfen.“