Im Kommunalwahlkampf verstärken viele Kandidaten ihre Präsenz auf Facebook und anderen Kanälen. Volker Mießeler geht weiter als andere.
Dank Social MediaBergheims Bürgermeister lässt öffentlich die Seele baumeln


Volker Mießeler steht an der Erft in Bergheim. Manchmal aber auch gerne am Meer.
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Dass auch Politiker ein Privatleben haben und dies mitunter gerne nutzen, um sich mit Einblicken darin öffentlich zu inszenieren, ist keine gänzlich neue Erkenntnis. Unvergessen die Fotos des damaligen Bundesverteidigungsministers Rudolf Scharping aus dem Jahr 2001 in der Zeitschrift „Bunte“. Sie zeigten den SPD-Politiker zusammen mit seiner Frau ausgelassen im Pool auf Mallorca.
Dass zeitgleich der Beschluss des Bundestags über den ernsten Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Mazedonien anstand, sorgte im politischen Berlin für ein mittleres Beben.
Christian Wulff hatte die Nabelschau nahezu perfektioniert
Doch auch andere Politiker streichen aus dem Wort Privatsphäre allzu bereitwillig den Teil „Privat“ und inszenieren sich – vor allem durch öffentliche Teilhabe an ihrem Liebesleben. Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff (CDU) ist einer, der diese Nabelschau nahezu perfektioniert hat. Zuletzt durfte das geneigte Publikum vernehmen, dass auch die dritte Ehe mit seiner Bettina gescheitert sei.
Auch der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CDU) und Ehefrau Stephanie verstanden das Spiel vor allem mit den Boulevardmedien und gewährten reichlich private Einblicke.

Bettina und Christian Wulff. Das Foto entstand bei einem Staatsbankett zu Ehren des französischen Präsidenten Macron, und seiner Frau im Schloss Bellevue.
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Das tut nun auch ein Bürgermeister aus dem Rhein-Erft-Kreis: Volker Mießeler. Der 58-Jährige ist im Urlaub – was ihm zweifelsohne zu gönnen ist. Da postete er doch zu Wochenbeginn auf seinem privaten Facebook-Account bewegte Bilder, auf denen er in kurzer Hose am Flughafen auf den Abflug der Maschine aufs spanische Festland wartet. Das Handy in Machermanier darf nicht fehlen – denn so ganz außer Dienst ist man als Bürgermeister dann offenbar doch nicht.
Danach der Schwenk auf die Landung, das Warten am Airport, schließlich der Blick auf eine Terrasse am Meer, einen Tisch mit einer Tasse Kaffee – und final der Kuss für die Angetraute vor den wogenden Wellen. Dazu schreibt der 58-Jährige: „Einmal tief durchatmen, kurz das Büro gegen Meeresrauschen und Wanderschuhe tauschen – und dann mit frischem Kopf zurück an den Schreibtisch.“
Bergheim: Mießeler gewährt 49 Sekunden Einblick in Privates
27 Sekunden aus dem Privatleben des Volker Mießeler. 22 weitere schiebt der CDU-Politiker zwei Tage später nach. Es zeigt seine mittlerweile ebenfalls eingetroffene erwachsene Tochter mit Partner und Freunden, die allerdings nicht wie weiland Scharping im Pool planschen, sondern konzentriert vor ihren aufgeklappten Laptops sitzen. Wovon sich Bergheims Bürgermeister prompt anstecken lässt und ebenfalls sein Dienstlaptop hochfährt: Arbeiten, wo andere Urlaub machen.
Was früher die „Bunte“ und andere bunte Blätter – für Promi-Politiker – leisteten, machen Facebook und andere Plattformen für Jedermann möglich: eine größtmögliche Öffentlichkeit schaffen. Das kann jeder. Und natürlich ist Mießeler nicht der erste und bei Weitem nicht der einzige Politiker im Rhein-Erft-Kreis, der diese Kanäle für seine Botschaften nutzt. Jedoch lassen es seine Amtskolleginnen und -kollegen dabei bewenden, Einblicke in ihre Arbeit zu gewähren.
Bergheim: Herausforderer Rekewitz dürfte sich herausgefordert fühlen
Diese Beiträge sind in den vergangenen Wochen sprunghaft gestiegen – ist ja schließlich Kommunalwahl in drei Monaten. Da schütteln Kandidaten bei Schützenfesten Hände, rammen Spaten in die Erde, weil es offenbar gerade ein guter Zeitpunkt ist, um Bauprojekte zu starten; andere beglückwünschen Geschäftsleute zu Jubiläen, die gar keine sind, und wieder andere teilen nur mit, weshalb man sie wählen sollte.
Volker Mießeler ist einen Schritt weitergegangen. Bei Parteifreunden reichen die Reaktionen von Belustigung über Unverständnis. Die Bergheimer Wähler jedenfalls dürfen gespannt auf weitere Entwicklungen warten. Denn Mießelers SPD-Herausforderer Torsten Rekewitz hat die sozialen Netzwerke schon lange vor dem Amtsinhaber entdeckt und lässt seine Community an so manchem Tagesgeschehen und allerlei Gedanken über Gott und die Welt teilhaben.
Wir dürfen gespannt sein, zu welchem Reiseziel Rekewitz aufbrechen wird. Eigentlich müsste er in Tom-Cruise-Manier mit Fallschirm aus dem Flugzeug springen, wenn er Mießeler übertrumpfen will.