BergheimHobby-Glöckner spielen Martinslieder vom Turm der St.-Michaels-Kirche

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Mutiges Kraxeln im Glockenstuhl erforderte die Montage der Zugseile. Jeder Glöckner hatte zwei der insgesamt sechs Glocken zu bedienen.

Mutiges Kraxeln im Glockenstuhl erforderte die Montage der Zugseile. Jeder Glöckner hatte zwei der insgesamt sechs Glocken zu bedienen.

Bergheim-Rheidt-Hüchelhoven – Sie rufen zum Gottesdienst und schlagen die Stunde. Aber sie können noch mehr. Mit den sechs Glocken der Pfarrkirche St. Michael spielten Christoph Mödder, Heppes Mödder und Jörn Kaiser Martinslieder und ersetzten damit die sonst beim Martinsumzug übliche Blaskapelle.

Am Martinsabend kletterten die drei Hobby-Glöckner in den fast ein halbes Jahrtausend (1554) alten Kirchturm. An die schweren Klöppel der Glocken wurden in akrobatischen Kletterpartien im Gebälk des hölzernen Glockenstuhls Seile gebunden, die über raffinierte Umlenksysteme aus dem Läutwerk ein Carillon machten.

Bergheim: Hobby-Glöckner spielen traditionelle Martinslieder

Jeder der drei hatte zwei der in zwei Etagen hängenden Glocken zu bedienen. Nach Noten erklangen die Traditionals vom „Hillije Zinter Määtes“ und von „Sonne, Mond und Sternen“. Auch „Ich geh mit meiner Laterne“ klang „durch die Straßen auf und nieder“. Rote, gelbe grüne und blaue Laternen hatten die Kinder mitgebracht.

Beiern, so heißt das Melodiespiel der Glocken im Rheinland, ist nicht nur Muskel-, sondern auch Kopfarbeit. Die Reihenfolge der Töne muss schließlich stimmen. „Wenn eine meiner beiden Glocken zu laut wird, dämpfe ich sie mit der Hand ab“, sagt Heppes Mödder.

Auch die Tonfolge will durchdacht sein. In der D-Dur-Tonleiter fehlen mit dem vierten (G) und dem siebten (Cis) Ton zwei wichtige Stufen. „Da kann man nicht alles spielen. Und ein bisschen muss man die Tonfolgen umbauen“, sagt Christoph Mödder. Jörn Kaiser, der dritte im Bunde, bediente die große Michaelis-Glocke. Sie ist im sonoren Sextett die einzige mit Schlagwerk und kann mit dem fest montierten Hammer angeschlagen werden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nur eine Glocke im Turm

Nur eine Glocke hing nach dem Zweiten Weltkrieg noch im Turm. „Jakob Dorn hatte sie 1925 gestiftet, und als sie per Eisenbahn angeliefert wurde, erlitt der Stifter einen Schlaganfall. Er hat seine Glocke nie klingen hören“, gibt Christoph Mödder aus den Kirchenbüchern wieder.

Die übrigen Glocken wurde zu Geschützmunition umgegossen. Erst nach und nach füllte sich der Glockenstuhl wieder. 1963 spendierte Pfarrer Johannes Klein anlässlich seines 50. Priesterjubiläums die Johannes-Glocke. Die jüngste ist die 1993 gegossene Martha-Glocke. Die ehrenamtlichen Kirchenreiniger der Martha-Gruppe haben mit der höchsten Glocke (D) das für eine Dorfkirche erstaunlich füllige Geläut komplettiert.

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2004 haben erstmals sechs Mitglieder einer Pfarrjugendgruppe gebeiert. In diesem Jahr soll es auch in der Weihnachtszeit Musik vom Glockenturm geben. „Amazing grace“ und „Wenn am Himmel die Stääne danze“ soll unter anderem erklingen. „Vielleicht bald auch mal wieder die FC-Hymne, wenn die Geißböcke gewonnen haben“, sagt Christoph Mödder lachend.

Für das nächste Jahr plant die Pfarrei eine kleine Ausstellung mit Fotos und Geschichten zu den Glocken von St. Michael, deren weit hörbarer Klang am Martinsabend über den ausgefallenen Umzug hinwegtröstete.

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