Abo

„Zuhör-Tour“Bergheimer durften NRW-SPD „die Meinung geigen“

3 min
Das Foto zeigt vier Männer, die sich unterhalten.

Jochen Ott (l.) auf Zuhör-Tour: Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion wurde vor allem mit Klagen über die verlorengegangene Bürgernähe der Partei konfrontiert.

Bürgerinnen und Bürger konnten der SPD ihre Meinung sagen. Auch der Vorsitzende der Landtagsfraktion Jochen Ott war vor Ort.

„Geig’ uns deine Meinung, mach’ uns ‚ne Ansage, wasch‘ uns den Kopf!“ Mit ihrer kernig formulierten Einladung, doch einfach mal Tacheles mit namhaften Politikern zu reden, und der Aussicht auf Currywurst, Pommes und Kaltgetränke für lau lockte die SPD am Samstagmittag immerhin rund 30 Bürgerinnen und Bürger auf den zu dieser Tageszeit ansonsten meist menschenleeren Peter-Weitz-Platz. Eher zum Zuhören als zum Reden mischte sich Jochen Ott, der Vorsitzende der sozialdemokratischen Landtagsfraktion, in die muntere Diskussionsrunde.

Nicht von ungefähr machten die Genossinnen und Genossen von der NRW-SPD mit ihrer kürzlich gestarteten „Wir haben verstanden“-Kampagne, bei der ganz nah an der Basis Ursachenforschung für die vielen miesen Wahlergebnisse der jüngeren Vergangenheit betrieben werden soll, auch in der Kreisstadt Station.

Bergheim: SPD wünscht sich Kritik am roten Telefon

„Wir gehen ganz bewusst dahin, wo wir in den vergangenen zwei Jahrzehnten offenbar besonders viel Vertrauen verloren haben. Und Bergheim gehört leider dazu“, erklärt die stellvertretende Pressesprecherin Lina Wattad den Sinn und Zweck der „Zuhör-Tour“. So bittet die SPD auf der eigens geschalteten Internetseite www.verstanden.nrw fast schon flehentlich um konstruktive Kritik: „Wir bitten Dich um Klartext: Sag uns, wo wir dich enttäuscht haben und was wir ändern müssen, um wieder Politik für Dich zu machen.“

Auch für den lokalen Part der Kampagne hatte sich die SPD einiges einfallen lassen, um herauszufinden, weshalb sie beispielsweise bei den vergangenen drei Stadtratswahlen in Bergheim von 30 auf 20 und zuletzt nur noch auf 15 Prozent gefallen ist. So konnten sich die Gäste mit Sprachnachrichten am roten Telefon ihre Unzufriedenheit mit der Politik im Allgemeinen und der SPD im Besonderen von der Seele reden. Wer den Genossen lieber auf einem Zettel etwas hinter die Ohren schreiben wollte, war an der bereitstehenden Wahlurne richtig.

Persönliche Gespräche waren besonders wichtig

Vor allem aber war das persönliche Gespräch angesagt, und da bekamen Jochen Ott, aber auch der Kreisvorsitzende Helge Herrwegen und der Bergheimer Ortsvereinschef Torsten Rekewitz einiges zu hören. „Die Leute sind einfach unzufrieden und enttäuscht darüber, dass sich die schwarz-rote Bundesregierung so schwer damit tut, beispielsweise bei Rente, der Wehrpflicht oder dem Bürgergeld eine gemeinsame Linie zu finden. Und sie haben ja auch Recht. Wir geben da gerade kein gutes Bild ab“, fasst Ott den bundespolitischen Teil des Gehörten zusammen.

Umringt ist er dabei vor allem von altgedienten Parteifreunden wie den früheren Glescher Ortsbürgermeistern Volker Schäfer und Ferdi Dresen, die aber noch einen weiteren Punkt kritisieren. „Die SPD ist auf lokaler Ebene nicht mehr nah genug an den Menschen“, klagt Schäfer, „als wir hier in Glesch-Paffendorf noch unseren eigenen Ortsverein hatten, sah das ganz anders aus. Da waren wir noch eine feste Größe im Dorfleben. Mit der Einsortierung in den Bergheimer Ortsverein ist vieles den Bach runtergegangen.“

„Die Enttäuschung darüber, dass Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner vor Ort fehlen, ist in der Tat groß. Das höre ich immer wieder“, stimmt Jochen Ott zu, „andererseits ist es eben leider unheimlich schwer geworden, gerade jüngere Leute fürs aktive Mitmachen in der Kommunalpolitik zu begeistern.“

Umso freudiger wurden drei 15-jährigen Teenager Elias, Tiara und Laeticia begrüßt, die vom Foodtruck angelockt eher zufällig bei den Sozialdemokraten gelandet waren. Ihnen gefiel die Aktion. „Dass die Politiker auch außerhalb des Wahlkampfs mal zu uns ins Dorf kommen, und dass man ganz unkompliziert mit ihnen reden kann, finde ich richtig gut“, lobt Elias den SPD-Besuch. Mit der großen Politik haben die Jugendlichen nicht allzu viel am Hut. Am roten Telefon nutzen sie stattdessen die Chance, Ärgernisse aus dem perönlichen Lebensumfeld aufs Band zu sprechen: „Toll, dass wir in der Schule jetzt iPads bekommen haben. Aber was nutzt uns das, wenn das Internet dauernd abstürzt?“