Bezahlbarer WohnraumIst eine Genossenschaft die Lösung für Bergheim?

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Auch an der Heiner-Leßmann-Straße in Bergheim hat die Erftland Mietwohnungen gebaut.

Auch an der Heiner-Leßmann-Straße in Bergheim hat die Erftland Mietwohnungen gebaut.

Bergheim – In Bergheim ist es nicht anders als in den meisten Städten im Großraum Köln. Bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Das geht aus einem Gutachten des Pestel-Instituts hervor. Darüber, wie in Bergheim zukünftig mehr Menschen vergleichsweise günstige Wohnungen finden, diskutierte jetzt der Ausschuss für Soziales, Finanzen und Liegenschaften. Es ging unter anderem darum, eine Wohnungsbaugenossenschaft zu gründen, um das Problem anzugehen.

Wie sähe das Genossenschaftsmodell aus?

Die Stadtverwaltung hat dazu Kontakt zur Pyramis Immobilienentwicklungs-GmbH aus Münster aufgenommen. Eine solche Genossenschaft würde von drei Mitgliedern gegründet: von der Stadt, von Pyramis sowie einem kommunalen Wohnbaupartner. Pyramis könnte zum Beispiel Architekturleistungen, Sanierungen und Verwaltungsaufgaben übernehmen. Die Stadt würde ihre Grundstücke als Sacheinlage in die Genossenschaft einbringen. Dafür bekäme sie Genossenschaftsanteile, die sich am Marktwert des jeweiligen Grundstücks orientierten, plus Zinsen. Mieter der durch die Genossenschaft zu errichtenden Gebäude würden zu Genossenschaftsmitgliedern. Sie müssten mindestens einen Anteil erwerben. Die Genossenschaft würde sich nach den Vorstellungen der Verwaltung und Pyramis aus den Mieteinnahmen finanzieren. Investitionen und Kosten würden so über Fremdkapital finanziert. Die Stadt könnte die Kriterien für die Mitglieder mitbestimmen.

Sozialwohnungen

Wie die Stadtverwaltung mit Verweis auf die NRW-Bank ausführt, gab es zum 31. Dezember 2019 in Bergheim 36,3 Sozialwohnungen je 1000 Einwohner. Damit liegt die Kreisstadt noch über dem Landesschnitt, der bei 29,3 Sozialwohnungen pro 1000 Einwohnern liegt. In Gebäuden mit drei oder mehr Wohnungen lag der Anteil der Sozialwohnungen im Jahr 2020 zwischen 12,5 und 15 Prozent.

Dennoch bewertet die Verwaltung die Lage nicht positiv: „Dies hat jedoch zu keiner nachhaltigen Entspannung auf dem Wohnungsmarkt in Bergheim geführt.“ Das würde sich nach Meinung der Verwaltung auch dann nicht ändern, wenn die Stadt bereits existierende Wohnungen mit Preisbindungen kaufte. Damit würde zwar sichergestellt, dass die Anzahl der Sozialwohnungen in der Stadt nicht schrumpfe, mehr würden es dadurch jedoch nicht. Zudem würden Investitionen in diese Wohnungen dann unattraktiv.

Außerdem will die Stadtverwaltung vermeiden, dass es in Bergheim zu „Konzentration von Billig- und Sozialwohnungen in bestimmten Quartieren und zu sozialen Brennpunkten“ kommt.

Deshalb bringt die Verwaltung ins Spiel, mehr bezahlbaren Wohnraum, nicht zu verwechseln mit Sozialwohnungen, zu schaffen. Zu diesem Zweck könnte eine Genossenschaft gegründet werden. (nip)

Wie Karl-Hermann Rössler von der Stadtverwaltung erläutert, liege der Vorteil eines Genossenschaftsmodells darin, dass es nicht gewinnorientiert sei, wodurch die Mietpreise vergleichsweise niedrig gehalten werden könnten.

Was ist mit der Erftland?

Die Stadt Bergheim ist bereits an einer kommunalen Wohnungsgesellschaft beteiligt, der Erftland. Die Gesellschaft hat derzeit 1501 Wohnungen im Bestand, weitere werden gebaut. Es sei durchaus denkbar, dass die Erftland als dritter Partner in die Genossenschaft einsteige, sagt Rössler. Es habe bereits Kontakt gegeben. Man sondiere gerade, welche Möglichkeiten es gebe, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Die Genossenschaftsidee sei eine, die Erftland könnte durchaus noch ihre Vorschläge einbringen. „Der Grundsatzbeschluss schließt andere Angebote nicht aus.“

Was sagt die Erftland?

Erftland-Geschäftsführer Sascha Wastrauk begrüßt den Grundgedanken der Stadt, Grundstücke zur Verfügung zu stellen, um damit Einfluss auf die Preise zu nehmen. Derzeit sei das Schaffen bezahlbaren Wohnraums eine besondere Herausforderung, weil die Baulandpreise ebenso gestiegen seien wie die Baukosten. Zudem fehlten im Handwerk Fachkräfte. Wastrauk hat den Ansatz von Pyramis geprüft und zeigt sich „sehr skeptisch, ob eine Umsetzung mit den dort angesetzten Zahlen und kalkulierten Mieten realistisch ist“. Ob die Erftland ein solches Konzept ebenfalls umsetzen könnte, hänge von vielen Fragen ab, einerseits was die Kosten, andererseits was juristische Aspekte angehe. Die Erftland habe eine Fachkanzlei damit beauftragt, ein Gutachten zu erstellen. Dabei soll es sowohl um ein Genossenschaftsmodellgehen , als auch um andere Möglichkeiten, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

„Grundsätzlich vertrete ich die Meinung, dass eine Realisierung eines solchen Konzeptes sinnvoller durch ein ortsansässiges kommunales Wohnungsunternehmen durchgeführt werden sollte als durch ortsfremde Firmen“, sagt Sascha Wastrauk. Denn natürlich müsse man bedenken, dass diese Firmen auch wirtschaftliche Interessen hätten, „sei es durch Kosten für Beratungsleistungen oder durch Verwaltungs- und Geschäftsführungskosten“. Die fielen bei der Erftland als kommunalem Partner nicht an.

Wastrauk führt aus, dass die Durchschnittsmiete bei frei finanzierten Wohnungen der Erftland in Bergheim bei 6,16 Euro liege. Eine Ausnahme sei der Neubau an der Heiner-Leßmann-Straße.

Was hat der Ausschuss beschlossen?

Wörtlich heißt es: „Der Ausschuss spricht sich grundsätzlich dafür aus, bezahlbares Wohnen durch ein Genossenschaftsmodell in der Kreisstadt Bergheim zu realisieren.“ Wie Ausschussvorsitzender Hermann-Josef Falterbaum (CDU) sagte, werde man sich in der nächsten Sitzung, voraussichtlich im Februar, sowohl Vorträge von Pyramis als auch von der Erftland anhören. Falterbaum betont, dass es sich bei dem Beschluss um einen „ergebnisoffenen Grundsatzbeschluss“ handele. CDU-Fraktionsvorsitzender Christian Karaschinski meint: „Wir können als Stadt bei einem Genossenschaftsmodell für bezahlbaren Wohnraum Einfluss darauf nehmen, wer da einzieht.“ Besonders wichtig seien bezahlbare Wohnungen für Fachkräfte, die Bergheim zum Beispiel in den Kitas fehlten. Laut Falterbaum gibt es in seiner Fraktion allerdings noch Beratungsbedarf. Dabei gehe es ihm vor allem um finanzielle und rechtliche Fragen. Falterbaum will für „bezahlbares Wohnen“ einen Preis von 7,50 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete nicht überschritten wissen.

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Gegen den Beschluss stimmten Winfried Kösters, FDP-Fraktion, und Jeremy Jason, AfD. Sie argumentieren, dass der Beschluss der Erftland die Möglichkeit nehme, ein eigenes Modell für bezahlbares Wohnen zu präsentieren. Durch den Grundsatzbeschluss, auch wenn er offen sei, lege die Stadt sich zu sehr fest.

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