Steinmetz hört aufNach 130 Jahren endet die Geschichte eines Brühler Traditionsbetriebs

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Zu sehen ist Hans-Jörg Blondiau, der sich auf einem Grabmal aufstützt.

Nach rund 130 Jahren endet die Geschichte des Familienunternehmens Blondiau in Brühl. Der letzte Inhaber, Hans-Jörg Blondiau, verabschiedet sich in den Ruhestand.

Der letzte Inhaber, Hans-Jörg Blondiau, hat die Nachfolgersuche aufgegeben und verabschiedet sich bald in den Ruhestand.

Auch wenn die Geschichte der Firma Blondiau bald nach mehr als 130 Jahren zu Ende gehen wird, werden die Spuren des Unternehmens noch lange in Brühl zu finden sein. Die Steinmetze haben nicht nur viele der Grabmale auf den Friedhöfen der Stadt angefertigt, sondern auch steinerne Elemente an zahlreichen Gebäuden gestaltet.

„Wenn hier Schluss ist, kann ich damit leben“, sagt Hans-Jörg Blondiau und lässt seinen Blick durch die Werkstatthalle schweifen, in der er als Knirps dem Vater und den Angestellten über die Schuler geguckt und nach dem Abschluss seiner Lehre 1981 viele Stunden seines Berufslebens verbracht hat.

Werkstatt an der Mühlenstraße in Brühl

Blondiau führt die Geschäfte seit 1995. Und er wird der letzte Spross der Familie sein, der in dem Backsteinbau an der Mühlenstraße, gleich neben dem ehemaligen Friedhof das Sagen hat. „Mein Sohn hatte andere Pläne“, sagt der 64-Jährige, der ursprünglich schon im vergangenen Jahr den Betrieb in andere Hände geben wollte.

Doch die Suche nach einem Nachfolger scheiterte. „Ich dachte eigentlich, das wäre kein Problem. Die Firma ist ja etabliert und läuft“, sagt er, aber eine Übernahme durch die regionale Konkurrenz platzte, weil es überall an Personal fehlt, um einen weiteren Standort zu betreiben.

Blondiau machte vorerst weiter, doch bald ist Schluss, „denn die körperlich herausfordernde Arbeit kann ich auf Dauer nicht mehr machen“, erklärt er. Die Bewunderung für die Arbeit seiner Vorfahren hat diese Erkenntnis nochmals verstärkt. „Es ist sehr erstaunlich, was die Generationen vor mir geleistet haben. Fast alles musste mit bloßer Muskelkraft erledigt werden“, so Blondiau.

Begonnen hatte alles 1892: Die Liebe verschlug den Ur-Großvater Jean Baptiste Blondiau aus Belgien ins Rheinland, wo er als gelernter Steinmetz schließlich in Brühl, am Standort der heutigen Gaststätte Margaretenklause, eine Steinbildhauerei eröffnete. Das Geschäft florierte, die Arbeit des Belgiers und auch der Kalkstein aus der Gegend um Soignies in der vormals heimischen Wallonie waren gefragt.

Fahrradfahren wurde untersagt

Kurz nach Anbruch des 20. Jahrhunderts zog der Betrieb dann einige Schritte weiter, in ein größeres Gebäude an seinen heutigen Platz an der Mühlenstraße. Als Belgier hatte Jean Baptiste Blondiau es nicht immer leicht in der neuen Heimat. „Während des Ersten Weltkriegs haben die Behörden ihm als feindlichem Ausländer die dienstliche Benutzung seines Fahrrads untersagt“, erzählt Hans-Jörg Blondiau.

Der 64-Jährige ist derweil ein Ur-Brühler. Die jugendliche Begeisterung für Medien und Veranstaltungen wurde zwar nicht zum Beruf, aber zum elementaren Bestandteil seiner Freizeit.

Beim Werkstatt-Festival war richtig was los
Hans-Jörg Blondiau

Hans-Jörg Blondiau gehört seit Jahrzehnten zu den Machern des Brühler Zoom-Kinos und er holte von Mitte 1990er-Jahre an über rund 15 Jahre die Größen des deutschen Kabaretts zum „Werkstatt-Festival“ in seinen Betrieb. Jeweils 220 Zuschauer sahen Wilfried Schmickler, Horst Evers und Hagen Rether. „Das waren tolle Zeiten, da war richtig was los“, blickt er zurück.

Die gewohnte Arbeit in der Werkstatt und der Dependance am Südfriedhof verlief ruhiger. „Mir hat es immer gefallen, mit Mitarbeitern und anderen Handwerkern zu kommunizieren, Arbeit zu koordinieren“, sagt Hans-Jörg Blondiau. „Aber es war auch faszinierend, sich die Geschichten der Familien zu verstorbenen Verwandten anzuhören und dann gemeinsam Ideen für die Form, Gravur und das Material von Grabmalen zu entwickeln.“

Fußboden im Brühler Rathaus verlegt

In der jüngeren Vergangenheit hat sich allerdings einiges verändert. Individuelle Lösungen seien weniger gefragt. „Das ist aber unsere Stärke und macht Freude“, sagt der Steinmetz-Meister, der gerne Steine aus der Eifel, dem Bergischen Land und selbstverständlich auch den besagten Kalkstein aus Belgien verarbeitet, während viele Mitbewerber fast ausschließlich auf Steine aus Indien zurückgreifen.

Das Polieren, Zuschneiden, Gravieren und Schleifen von Grabsteinen war stets das Kerngeschäft. Aber Blondiau und seine Mitarbeiter waren auch bei Neubauten und Restaurierungen im Einsatz, fertigten Stufen, Fußböden, Fassaden und Fensterbänke.

So verlegte die Firma den Fußboden im Kapitelsaal des Brühler Rathauses. Auch das dortige markante schwarz-weiße Muster aus Mamor ist eine der Spuren, die das Familienunternehmen Blondiau überdauern werden.

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