Villa Martini in BrühlJugendstil noch prächtig erhalten

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Ein altes Foto zeigt, dass die Villa Martini einst im Jugendstil gebaut wurde, erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Fassade verändert, die Jugendstilornamente sowie der Erker und der Balkon verschwanden.

Ein altes Foto zeigt, dass die Villa Martini einst im Jugendstil gebaut wurde, erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Fassade verändert, die Jugendstilornamente sowie der Erker und der Balkon verschwanden.

Brühl – Heute erinnert äußerlich kaum mehr etwas daran, dass das Haus an der Friedrichstraße 28 in Brühl einst im Jugendstil errichtet wurde. Der Putz leuchtet rot – intensiv, aber nicht aufdringlich. Die Fassade des imposanten Stadthauses besticht durch ihr schlichtes Äußeres.

Das war 1899 von dem Architekten Matthias Erven gänzlich anders geplant und ausgeführt: Die Bauzeichnung zeigt eine reiche Fassadengestaltung. Ein Erker mit darüber liegendem Balkon schmückte einst die mittlere Achse des Hauses. Wellen, Schwingungen, fließende Linien, inspiriert von Pflanzenmustern, asymmetrische Ornamentik und geometrische Muster – all diese für den Jugendstil typischen Merkmale wies das Haus einst auf.

Verschwunden sind der Balkon, der Erker, der geschweifte Treppengiebel, die Gauben, die kugeligen Giebelreiter, die Schmuckmasken und die verzierten Metallanker.

Das alles ist Geschichte und tut der Liebe der Familie Schmitz, die das Haus nun seit fast zwei Jahren bewohnt, keinen Abbruch. Die „Villa Martini“ ist in Brühl kaum jemandem unbekannt. Der damalige Besitzer Hans Martini, dessen Name eng verknüpft ist mit dem Haus, war einst Chefarzt der inneren Abteilung im Marienhospital Brühl, zudem führten sowohl er als auch seine Frau, eine Kinderärztin, jeweils eine medizinische Praxis im Haus.

Als kleiner Patient bestaunte auch Hans Schmitz, der heutige Eigentümer, die hohen Decken und großzügige Aufteilung der Räume. Denn obwohl er mit seinen Eltern in Hürth lebte, der Brühler Kinderärztin schenkte die Familie mehr Vertrauen, erinnert sich der heute 60-Jährige. „Hier fuhren wir immer hin, wenn medizinisch etwas abzuklären war.“

Als schließlich auch die Tochter der Martinis, die das Haus geerbt hatte und dort lebte, 2011 starb, wurden die Schmitz’ hellhörig. „Das wäre es doch“, war die die spontane Reaktion von Hans Schmitz, der heute eine psychotherapeutische Praxis im Haus eingerichtet hat. „Hier zu leben und zu arbeiten, das wäre die Erfüllung eines Traums“, habe er sich damals gesagt.

Ochsenblut musste entfernt werden

Schmitz nahm Kontakt zu einer zweiten Tochter der Martinis auf, die seit vielen Jahren in Frankreich lebt. Doch sowohl sie als auch der inzwischen eingeschaltete Makler hatten „enorme Preisvorstellungen“, die so nicht zu erfüllen gewesen seien. „Das haben wir auch deutlich gesagt, den Kontakt zu Frau Moureau-Martini jedoch nie abreißen lassen.“

Ein Jahr sollte es dauern, bis die Schmitz’ und die Erbin wieder in ernsthafte Verhandlungen traten. „Es war der Familie sehr daran gelegen, dass das Haus in ihrem Sinne weitergeführt wird, eben so, wie wir es jetzt tun.“ Wenn man die originale Haustür öffnet, taucht der Betrachter ein in die Epoche des Jugendstils. Als ein „Schmuckstück der Raumgestaltung um 1900“ bezeichnet die städtische Denkmalschützerin Marie-Luise Sobczak etwa den Eingangsbereich des Hauses. In ihrer Stellungnahme sprach sie sich dafür aus, das Haus in die Denkmalliste der Stadt Brühl aufzunehmen. Ihrer Empfehlung folgten die Ratsmitglieder damals.

Gleichwohl der Architekt Wolfgang Beyer 1953 sämtliche Stuckaturen an der Fassade im Auftrag der damaligen Eigentümer entfernen ließ, im Inneren des Hauses gibt es noch viele Zeugnisse dieser vergleichsweise kurzen Epoche. Das Vestibül ist mit einem Stucksockel und einem Stuckwandspiegel geschmückt. Der originale bunte Ornamentfliesenboden ist wie ein Teppich verlegt und mit Randornamenten und schwarzen Endfliesen eingefasst.

Selbst das extravagante Sofa im Stil Louis XV. sowie die dazugehörigen Sessel nebst Tisch verleihen auch der Schmitz’schen Praxis diesen Charme unaufgeregter Zeitlosigkeit.

Auf altes Deckengemälde gestoßen

Im Gruppenraum seiner Praxis fällt der Blick auf die Decke. Eine pastellfarbene florale Bordüre fasst die Stuckarbeiten ein. Als er einen Elektriker bat, die Stromleitungen zur Deckenlampe zu erneuern, stieß dieser beim Stemmen eines Schlitzes auf ein weiteres Deckengemälde, das eine Jagdtrophäe darstellt. Ein weißer Putzstreifen beweist noch heute den etwas groben Umgang mit dem Kunstwerk. „Das tat schon weh“, erinnert sich Schmitz. Vom Rest der Decke entfernte er schließlich selbst die weiße Farbe und siehe da, drei weitere Jagdszenen wurden freigelegt. „Das war alles zugekleistert und übertapeziert.“ Ähnlich hartnäckige Materialien fand er auf dem originalen Parkettboden vor. Entfernt werden musste dort das bekannte rotfarbene Ochsenblut und fest verklebter Linoleum-Bodenbeläge. Zum Vorschein kam unter anderem ein Limba-Tropenholz, das einst aufwendig in Quadraten verlegt wurde. In anderen Räumen läuft man auf Kiefernholz.

Alle Böden wurden freigelegt, Schlitze gestemmt, neue Leitungen gezogen. „Als ich auf die zweiadrigen Kabel ohne Erdung und die Aluminium-Leitungen mit Stoffummantelung stieß, traf mich der Schlag – im übertragenen Sinn“.

Das Dach wurde erneuert, die Fenster zum Teil ausgetauscht und ein Einbruchschutz installiert. Handwerklich sei er inzwischen recht geschickt, sagt Schmitz bescheiden. „Ich hab vor nichts mehr Angst“.

Inzwischen leben Hans Schmitz und seine Frau Monika wieder gemeinsam mit ihrer Tochter und deren Freund unter einem Dach. Deren Wohnung im zweiten Obergeschoss erhält zurzeit noch den letzten Schliff.

Der Wunsch, in einem solchen Haus zu leben, stamme aus seiner frühen Kindheit. Seine Großmutter habe einst die Burg Kendenich in Hürth bewohnt. Die Atmosphäre dort habe ihm gefallen. Vor allem erinnere er sich an eine dortige große Freitreppe. Diese Großzügigkeit in der Raumgestaltung weckte offenbar Schmitz’ Sehnsucht nach einem geräumigen alten Haus mit Geschichte.

Seine Frau und er fanden es in der 380 Quadratmeter großen Villa Martini, die auf einer 800-Quadratmeter großen grünen Oase nahe der Brühler Innenstadt steht.

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