Zweiter Weltkrieg in AngelsdorfSchutt und Asche flogen durch die Luft
Elsdorf-Angelsdorf – „Dass das schon alles 70 Jahre her ist...“ Gerda Burbach erinnert sich dennoch lebhaft an die Jahre um das Kriegsende. Die heute 87-Jährige ist in Angelsdorf geboren und lebt seitdem dort. Gerda Burbach besuchte damals die Handelsschule. Nach dem Krieg arbeitete sie einige Jahre im Büro der Landwirtschaftsschule in Bergheim. Dort war Vater Fritz Grass als Lehrer für Obstbau tätig.
Im Elternhaus in der Frankenstraße waren im Zuge einer Truppenverlegung mehrfach deutsche Soldaten einquartiert. Beim Luftangriff der Amerikaner am 29. November 1944 gab es viele Tote, unter anderem auch die einquartierten Mitbewohner der Familie Grass. „Es gab gute Kontakte“, erinnert sich die Seniorin. Auch zu den amerikanischen Kriegsgefangenen, die auf der Wiese gegenüber ihres Elternhauses in einem Zeltlager campierten. Die brachten gelegentlich Schokolade mit, wenn Gerda Burbach ihnen auf dem Klavier vorspielte.
Ein Bild des Grauens
Schutt und Asche seien an dem Tag der Bombenangriffs durch die Luft geflogen. „Es sah wochenlang furchtbar aus in der Stadt“. Miterlebt habe sie auch, dass die Elsdorfer Juden abtransportiert worden seien. „Wir kannten die doch alle“, sagt sie immer noch kopfschüttelnd. Die Nazis hätten den Elsdorfern damals weißmachen wollen, dass die Juden nach Amerika zu Arbeitseinsätzen gebracht würden. „Aber wir haben die nie mehr wiedergesehen.“ Sie habe damals das Ausmaß nicht erfasst und „vieles nicht gewusst“, bekennt die Seniorin.
Nach der Rückkehr am Kriegsende aus der Evakuierung nach Schleiden und Bocklemünd zu Bekannten hatten die Soldaten das Haus gründlich ausgeräumt. „Das Klavier war weg, Möbel, Bilder, Besteck, wir hatten nichts mehr.“
In Angelsdorf musste die Familie in den letzten Kriegswochen meist im Keller des Nachbarhauses übernachten, gelegentlich auch im Bunker hinter dem heutigen Haus Hubertus. Ein Jahr lang arbeite Burbach bei Verwandten in Niederembt im Pflichtjahr des BDM (Bund Deutscher Mädel). „Aber die Uniform durfte ich nie tragen. Das wollte mein Vater nicht. Der war nach seinen schlechten Erfahrungen im Ersten Weltkrieg gegen den Krieg.“ Auch später arbeitete sie in der örtlichen Landwirtschaft im Ernteeinsatz mit. In Bocklemünd hatte der Vater gute berufliche Beziehungen zur „Kamellefabrik“ Gütgemann. Der Vater hatte für das Unternehmen eine Obstplantage angelegt, und die Familie fand dort Unterschlupf. Trotz der Hemmnisse kam die Familie „ganz gut durch“. Schließlich hatte der Vater, der im Ersten Weltkrieg einen Arm verloren hatte, den großen Garten gut bestellt.
"Für Schnaps bekam man alles"
Aus dem Obst wurde nicht nur Kompott gemacht, es wurde auch in Einweckgläser gefüllt. Die Großmutter war zudem recht geschickt darin, Schnaps zu brennen. „Das durfte der Vater nicht wissen“, erinnert Gerda Burbach sich augenzwinkernd. Und in einem Laden im Scheunenanbau des Wohnhauses verkaufte der Vater, der viele Jahre Kirchenvorstand in Angelsdorf war, Obst und Pflanzenschutzmittel.
„Für Schnaps bekam man alles“ erinnert Gerda Burbach sich an den schwunghaften Tauschhandel. So habe sie in Düren in einem Geschäft den Hochprozentigen gegen einen Ledermantel und eine Jacke eingetauscht. Auch die Bonbons aus der Fabrik seien beim „Maggeln“ sehr hilfreich gewesen. Nach dem Krieg fuhr Burbach regelmäßig mit der Kreisbahn nach Niederaußem. „Da haben wir Briketts geklaut“, sagt die Zeitzeugin schmunzelnd.
Zu ihrer Hochzeit, vier Jahre nach Kriegsende, hatte die Familie „schwarz“ ein Rind und eine Schwein geschlachtet. „Wir wurden angeschwärzt und mussten das Fleisch in Elsdorf in der Metzgerei Bodden abliefern“, erinnert sie sich. Da die Würste im „Räuches“ (Räucherkamin) von den Polizisten abgezählt worden war, hatte der Vater flugs von jeder Wurst die Hälfte abgeschnitten. Außerdem wurde neues Fleisch organisiert. So war das Hochzeitsmahl doch noch gesichert.
An die Entstehung des Hochzeitskleides erinnert sich Gerda Burbach deutlich. Den Stoff hatte sie ebenfalls im Tauschhandel aufgetrieben. „Sofia Paar hat mir daraus ein schönes Kleid genäht.“ Die Schneiderin, die neben dem Haus Hubertus wohnte, „hat fast alle unsere Kleidungsstücke genäht“.
„Viele erinnern sich gar nicht mehr. Ich bin ja schließlich fast die älteste Einwohnerin hier in Angelsdorf.“ Die Erinnerungen festzuhalten sei aber wichtig für die Nachwelt.