„Eine Tasche konnte meine Frau mitnehmen“Holger Eich aus Blessem hat alles verloren

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In Erftstadt-Blessem wurden ganze Häuser von der Flut zerstört.

In Erftstadt-Blessem wurden ganze Häuser von der Flut zerstört.

Erftstadt-Blessem. Susanne und Holger Eich haben ihr Haus, ihre Fahrzeuge, ihr gesamtes Hab und Gut verloren. „Nein , was sage ich, eine Tasche konnte meine Frau mitnehmen, dann ging’s hoch in den Hubschrauber“, sagt der 61-jährige Mitarbeiter von Renault Deutschland.

Der Familie Eich gehörte das mittlere von drei Häusern, die an der Radmacher Straße/Ecke Blessemer Burg, in den Krater gerissen worden sind.

Holger Eich

Holger Eich

„Gebaut wurden die Häuser so 1997/1998, meine Frau und ich sind oft mit den Rädern um die Kiesgrube gefahren. Ich hatte schon damals ein komisches Gefühl.“ Und die Sorge – die Kiesgrube wurde immer, immer tiefer und sogar bis zur Autobahn sehr viel größer –, dass das nicht gut gehen könnte, wurde immer mehr.

Flut in Erftstadt-Blessem: „Wie die Niagarafälle“

„Das hat sich jetzt auf entsetzliche Art und Weise bestätigt, ich habe immer gedacht: Bis wohin wollen die denn eigentlich noch graben?“ Eich ist sich sicher, dass die Lage der Kiesgrube am Ortsrand von Blessem die Jahrhundertflut zu einer Katastrophe werden ließ. „Oben im Schlafzimmer aus dem Fenster sah ich, wie die Abbrüche im Feld immer schneller näher kamen. Dann das Wasser dazu, wie die Niagarafälle.“ Gar nicht auszudenken, sagt Eich, wenn das Wasser und der Abbruch der Häuser in der Grube nachts passiert wäre. Sind Sie denn nicht gewarnt worden? „Wir haben keine Sirene gehört, keine Lautsprecherdurchsage.“ Gegen 15.30 Uhr sei der Hubschrauber gekommen, „ne halbe Stunde später lag alles im tiefen Krater“.

Eine Elementarversicherung für das Haus hat das Ehepaar Eich, eine entsprechende Versicherung für den Hausrat nicht. Dennoch, das Ehepaar, das die Rente in Reichweite hat, will nicht mehr nach Blessem oder Erftstadt zurück kommen. „Meine Frau und ich wollen damit abschließen, und ein Grundstück haben wir ja auch nicht mehr“, sagt der Mann mit leichter Ironie beim Aussprechen der Worte.

Familie Eich: Untergekommen in Hennef

Von den Chefs ihrer Firmen sind die beiden auf unbestimmte Zeit freigestellt, „wir sollen erst einmal unsere Sachen regeln, das versuchen wir gerade“. Untergekommen sind die beiden bei Verwandten in Hennef, erst einmal würde das gehen. „Und was soll ich Ihnen sagen, wir waren im Leben immer optimistisch und das bleiben wir auch“, sagt Holger Eich – und seine Stimme klingt da wieder fester.

Helmut Zimmermann

Helmut Zimmermann

„Natürlich rede ich mit Ihnen, außerdem kennen wir uns als Blessemer Bürger doch seit 25 Jahren“, sagt Helmut Zimmermann (84), der 16 Jahre lange Ortsbürgermeister von Blessem war. Dass sein Nachfolger gestern ein Gespräch mit dieser Zeitung brüsk abgelehnt hat, versteht er nicht. Und sagt es so, wie man ihn kennt: „Jeder Jeck ist eben anders.“

Zimmermann betont, „den Leuten muss man reinen Wein einschenken. Nur die Wahrheit hilft“. So weh und leid ihm das tue, aber für den alten Ortsteil und die Häuser Richtung Abrisskante sieht er schwarz. „Bis zur Kirche könnte das schwierig werden, was das Wohnen betrifft.“ Blessem sei teils auf Sand gebaut, ihn würde es nicht wirklich verwundern, wenn Kiesgrubenbetreiber und Behörden einen weiten Kreis in Sachen Unbewohnbarkeit ziehen bis zur Kante.

Zimmermann hält nicht zurück mit seiner Kritik am Krisenmanagement der Stadt. „Ich bin 84, meine Frau über 80, ich will sie zum Arzt fahren, aber komme nicht an mein Auto ran. Das steht vor meinem Haus, und obwohl ich natürlich hier jeden kenne, lässt man mich im Regen stehen. Unmöglich.“ Er wolle auch nicht in Blessem bleiben, stattdessen nach Lechenich ziehen. „Ein Hauptgrund ist aber, dass wir in unserem Alter besser nur ebenerdig wohnen wollen.“

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