„Einwurf“ aus Rhein-ErftErhard Soltau rät dem 1. FC Köln auf den Nachwuchs zu setzen

Lesezeit 5 Minuten
Zu sehen ist Erhard Breuer.

Erhard Soltau rät dem 1. FC Köln, in der Bundesliga auf den eigenen Nachwuchs zu setzen.

Fußball-Lehrer Erhard Soltau (82) aus Erftstadt erwartet für seine Kölner eine Niederlage im anstehenden Spiel gegen Borussia Dortmund.

Mit der Borussia aus Dortmund steht dem Neu-Trainer Timo Schultz mit seinem 1. FC Köln die erste Mammutaufgabe am 18. Spieltag im Rhein-Energie-Stadion (Samstag, 15.30 Uhr) vor der Tür. Fußball-Lehrer Erhard Soltau (82) aus Erftstadt erwartet für seine Kölner eine Niederlage und empfiehlt den Geißböcken im Gespräch mit Matthias Breuer daher, das Spiel als Test für den Nachwuchs zu nutzen. In den 1970er-Jahren war Soltau in der Landesliga als Trainer unter anderem für den BC Efferen und Fortuna Liblar aktiv und betreute die A-Jugend-Auswahl des Landkreises Köln, als ein gewisser Rainer Calmund dort als Jugendwart tätig war.

Herr Soltau, mit dem neuen FC-Trainer Timo Schultz erspielten sich die Kölner ein 1:1 gegen Aufsteiger Heidenheim am vergangenen Spieltag. Sehen Sie das vorerst als Punktgewinn oder -verlust im Abstiegsrennen?

Erhard Soltau: Das war ein Gewinn, weil Herr Schultz noch keine richtige Phase hatte, in der er die Mannschaft kennenlernen konnte. Schlecht wäre eine Niederlage gewesen. Auf den Punkt können sie jetzt aufbauen, obwohl die Schwächen noch zu sehen waren.

Alles zum Thema Davie Selke

Hatten Sie denn nach dem ersten Spiel unter Schultz das Gefühl, dass durch den Trainerwechsel der gewünschte Ruck durch das Team gegangen ist?

Die Spieler waren gerade in der ersten Halbzeit offensiver eingestellt. Da hatten sie ein paar schöne Phasen mit dem Ball, aber immer noch zu wenige Aktionen in der Box – die klaren Torchancen fehlen weiterhin. Das Tor von Selke war ja auch keine klare Aktion. Das war hauptsächlich Glück mit ein bisschen Können. Ansonsten war wieder sehr viel Leerlauf dabei.

„Die Stürmer hatten es schwer“

Den Punkt haben die Kölner mit der Verletzung ihres Top-Torjägers Davie Selke teuer bezahlt. Die bisherigen Alternativen im Sturm um Steffen Tigges, Florian Dietz und Sergis Adamyan haben seit acht Monaten keinen Treffer für den FC erzielt. Belügt man sich als Trainer nicht ein Stück weit selbst, wenn man einen dieser Jungs jetzt aufstellt für die gewünschten Torerfolge?

Tatsache ist, dass der Trainer aktuell einen Stürmer gegen den anderen austauschen könnte, die bringen alle nichts. Selbst der Selke ist einer, der mal ein Tor schießt. Aber das Problem sind nicht nur die Stürmer. Gegen Darmstadt und Heidenheim bekamen die vorne auch gar keine Bälle aus dem Mittelfeld, wodurch es die Stürmer einfach schwer hatten. Trotz der Abstiegsgefahr hat der Verein jetzt eigentlich die beste Möglichkeit, seine jungen Leute zu bringen. Der FC kann in seiner Gesamtsituation damit eigentlich nichts verkehrt machen.

Seit dem letzten Spieltag wissen wir, dass der wechselwillige Nachwuchsstürmer Justin Diehl eingesetzt werden kann. Kommt das Umdenken der Verantwortlichen nicht etwas zu spät?

Ihn nicht einzusetzen war Quatsch. Natürlich kann ich den Steffen Baumgart verstehen, dass er keinen Jungen einsetzen möchte, der bald wieder weg ist. Aber es liegt doch nahe, jemanden zu bringen, der wenigstens Fußball spielen kann. Der Verein muss im Vordergrund stehen. Ich verstehe generell nicht, warum wir von anderen Vereinen Nachwuchsspieler für viel Geld holen und gleichzeitig nicht auf die eigene Jugend setzen. Dann passieren uns so Sachen wie mit Florian Wirtz und Diehl, und wir wundern uns. Ob die uns jetzt mittelfristig etwas gebracht hätten, wissen wir nicht, aber schlechter hätte es nicht werden können. Was bringt uns unsere gute Jugendarbeit beim FC, wenn wir keinen hochziehen und ihm nicht das Vertrauen schenken? Vor allem hätte es den Stammkräften aufgezeigt: Schau her, ich muss die Jugend jetzt aufstellen, weil du es nicht bringst.

Der kommende Gegner Borussia Dortmund wollte eigentlich um die Meisterschaft spielen, liegt nach Abschluss der Rückrunde jedoch schon mit elf Punkten Abstand weit hinter den zweitplatzierten Bayern. Haben Sie das in der Form kommen sehen?

Ich hätte nicht gedacht, dass sie nur auf Platz fünf stehen, aber im Titelrennen habe ich sie nicht gesehen. Sie stehen jedes Jahr vor einem neuen Umbruch und tönen nach außen mehr, als sie bringen. Das liegt nicht am Spielermaterial, da stimmt im ganzen Haus etwas nicht. Die haben immer tolle Spieler, die nach einem Jahr wieder weg sind. Ein paar bleiben, aber da muss mal ein Team über eine Saison hinaus zusammenbleiben. Dadurch war für mich klar, dass sie keine dominierende Rolle spielen werden.

Die Borussia ist ebenso ein Verein, der gern verlorene Söhne zurückholt. In der Winterpause haben sie mit Jadon Sancho wieder einen per Leihe zurückgeholt. Haben da zwei zueinander gefunden, die einander brauchen?

Ob der Sancho längerfristig beim BVB besser aufgehoben ist als bei Manchester United, muss man erst mal abwarten. Aber ich bin der Meinung, dass das so ist. Er hat jetzt eine Negativ-Erfahrung hinter sich und gemerkt, dass er nicht alles mit der Brechstange erreichen kann. Ich bin der Überzeugung, dass er dadurch reifer geworden ist, sich mit seinen Kumpels an der Seite anpassen und durch seine Bundesliga-Erfahrung eine Hilfe sein wird.

Gegen Dortmund sahen die Kölner generell nie schlecht aus
Erhard Soltau, ehemaliger Fußballtrainer

Der eine oder andere Sportreporter hat den 1. FC Köln für das Duell mit dem BVB bereits abgeschrieben und erwartet für die Geißböcke eine dicke Packung. Was sagen Sie uns für die Partie voraus?

Die Kölner haben das Glück, dass im Moment nicht die Abwehrspieler verletzt sind, sondern die Stürmer. Deswegen gehe ich davon aus, dass die Geißböcke nicht untergehen werden. Gegen Dortmund sahen sie generell nie schlecht aus, dennoch rechne ich mit einem 0:2 oder 0:3. Das ist in der momentanen Situation mit dem neuen Trainer und dem Niveau des FC allerdings kein Beinbruch.

Ab wann und gegen wen müsste denn Schulz Ihrer Meinung nach mit dem Team liefern?

Nach drei Spielen sollten wir eine eigene Handschrift erkennen und sehen, was Sache ist. Gegen Dortmund kann er Spieler wie Diehl noch mal testen und schauen, was die mitbringen und wie die bei Gegentoren reagieren. Gegen die letzten zehn sollten wir in der Rückrunde Punkte holen. Ansonsten wird das mit dem Klassenerhalt nichts.

KStA abonnieren