KarnevalKinderhospizdienst ging im Lechenicher Zug mit

Lesezeit 4 Minuten
Menschen in bunten Kostümen sind mit einem Handwagen unterwegs.

Die bunt schillernden Chamäleons zogen die Blicke auf sich.

Der Kinder- und Jugendhospizdienst des Hospizvereins Erftstadt ist als Gruppe Chamäleons im Lechenicher Karnevalszug mitgegangen.

Es war eine ungewöhnliche Idee: Sein 15-jähriges Bestehen hat der Kinder- und Jugendhospizdienst Erftstadt nicht mit einem Fest begangen. Stattdessen sind Haupt- und Ehrenamtler, aber auch betroffene Familien im Lechenicher Karnevalszug mitgegangen. Unsere Reporterin Ulla Jürgensonn hat sie begleitet.

Es ist im wahrsten Sinne des Wortes eine bunte Truppe, die sich am Bonner Ring für den Zug fertig macht. Ganz einfach ist es nicht, die Umhänge aus knalligen Stoffstreifen anzuziehen und so zu drapieren, dass auch noch links und rechts je ein großer Beutel für die Kamelle umgehängt werden kann.

Ein bunt kostümiertes Mädchen sitzt im Rollstuhl und verteilt Süßigkeiten.

Auch aus dem Rollstuhl heraus kann man Kamelle werfen.

Dazu hat jeder irgendwie ein Chamäleon dabei, sei es am Haarreif oder an der Mütze. Schließlich ist die exotische Echse, Meisterin der Anpassung,  das Symboltier des Hospizdienstes. Die Kostüme stärken den Zusammenhalt, auch ganz handfest: Kommt man einander nahe, verhaken sich die Stoffstreifen, so dass man sich nur mit sanfter Gewalt wieder trennen kann.      

Gemeinsam beladen wir die Bollerwagen mit Wurfmaterial. Vermutlich habe nicht nur ich ein mulmiges Gefühl: Wie werden die Menschen reagieren, wenn sie mitten im jecken Treiben an ein Thema erinnert werden, das die meisten gern verdrängen? Wenn sie statt einer Tafel Schokolade einen Flyer in die Hand gedrückt bekommen?

Eine Frau winkt in die Kamera.

Mit der Gruppe des Kinder- und Jugendhospizdienstes war auch Ulla Jürgensonn im Lechenicher Zug unterwegs.

Doch schon beim Aufstellen gibt es die ersten Komplimente. „Ihr seht toll aus“,  bekommen wir immer wieder zu hören. Das Dreigestirn der vergangenen Session kommt vorbei und hat eine schöne Überraschung im Gepäck – eine Spende über 1800 Euro für die Arbeit des Hospizdienstes.  Prinz Dirk I. (Meyer), Jungfrau Dietlinde (Dieter Cohn) und Bauer Frank (Wollsiefer) von der Lechenicher Stadtgarde hatten in ihrer Regentschaft  für den Verein gesammelt, jetzt gibt es einen Nachschlag. 

Als Zugteilnehmer braucht man Geduld. Wer pünktlich am Aufstellplatz ist, wartet eine Stunde, bis es losgeht. Da werden die umgehängten Beutel voller Süßigkeiten ganz schön schwer. Ein Anfängerfehler, beim nächsten Mal werden sie erst gefüllt, kurz bevor es losgeht. Umso schneller schwindet das Gewicht, wenn man mit vollen Händen Kamelle wirft.

Vom Rollstuhl aus Süßigkeiten verteilt

Was gar nicht so einfach ist. Der Ärmel des Untergewandes erweist sich als ausgesprochen hinderlich. Immer wieder habe ich die Wahl, in ein enttäuschtes Kindergesicht zu schauen oder die Truppe so lange aufzuhalten, bis ich endlich eine Handvoll Bonbons aus dem Stoffgewirr herausgewurschtelt habe.

Ungefähr in die Hälfte des Zugwegs stoßen einige Familien zu uns, die vom Kinder- und Jugendhospizdienst betreut werden. Die gesamte Strecke wäre nicht zu schaffen gewesen mit Kindern, die in schweren Spezialrollstühlen sitzen. Eine Betreuerin lenkt immer wieder das sperrige Gefährt an den Rand, damit ein Mädchen den Kindern am Straßen Süßigkeiten geben kann.           

Den Jecken Flyer in die Hand gedrückt

Spätestens jetzt ist nicht mehr zu übersehen, dass wir keine Fußgruppe wie alle anderen sind. Eine Frau kommt zu uns, klopft mir auf die Schulter: „Danke für Ihre Arbeit.“ Das unverdiente Kompliment beschämt mich, bin ich doch nur Gast unter Menschen, die – ehrenamtlich oder hauptamtlich – auf dem schwierigen Feld der Hospizarbeit engagieren.

Hunderte Flyer des Kinder- und Jugendhospizes drücken wir den Jecken in die Hand, an jedem ist ein Tütchen mit Sonnenblumensamen befestigt. Sicher landet mancher unbeachtet im Müll, aber genauso sicher werden viele gelesen. Wenn auch vielleicht erst im nächsten Jahr, wenn er aus der Tasche des Kostüms wieder auftaucht.   

Als ich eine Mutter mit einem schwerkranken Kind frage, ob ich die Familie fotografieren darf, antwortet sie spontan: „Sicher, dafür sind wir doch hier.“ Nicht unbedingt, um fotografiert zu werden. Aber um wahrgenommen zu werden. Als Familien, die vor einer besonderen Herausforderung stehen, weil sie besondere Kinder haben.

Es war eine tolle Idee, als Kinder- und Jugendhospizdienst im Karnevalszug mitzugehen. Um Spaß zu haben und Spaß zu machen. Und um zu zeigen, dass es dort gar nicht immer traurig zugeht. Und wenn der oder die eine oder andere jetzt darüber nachdenkt, mitzumachen und sich ehrenamtlich zu engagieren:  umso besser. 

KStA abonnieren