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Schumacher Otten in Erftstadt-BliesheimDer erste Auftrag waren Fußballschuhe

Lesezeit 4 Minuten

Schuhmachermeister Matthias Osten aus Erftstadt-Bliesheim denkt noch lange nicht ans Aufhören.

Erftstadt-Bliesheim – Matthias Otten erkennt das Schlamassel gleich auf den ersten Blick: „Das ist Fabrikware, so etwas müsste eigentlich verboten werden.“ Die Absätze der Schuhe, die eine Kundin zu ihm ins Geschäft bringt, sind aus Kunststoff. „Damit rutscht man natürlich dauernd aus“, analysiert Otten. Ein paar ordentliche Gummiabsätze müssen her. In ein paar Tagen, so der Fachmann, ist das erledigt.

Die nächste Kundin wartet schon. Sie will zwei paar Schuhe geweitet haben, die nicht mehr passen. Auch das ist kein Problem: „Wenn es nicht klappt, dann schleifen wir eben ein Stück vom Fuß ab“, scherzt Otten. Man merkt: Ein kleines, witziges Schwätzchen mit den Kunden gehört für ihn einfach dazu.

„Heute Morgen habe ich schon neue Reißverschlüsse in Reiterstiefel eingeklebt, die müssen jetzt noch genäht werden“, berichtet Otten. An anderen Schuhen werden die Halteriemen auf Vordermann gebracht. Die Kundschaft gibt sich derweil die Klinke in die Hand – und das schon seit 50 Jahren. Im April 1964 hat Matthias Otten seine Schuhmacher-Werkstatt in Bliesheim eröffnet, jetzt feiert er Betriebsjubiläum.

Dabei ist Matthias Otten, Schuhmachermeister und Bliesheimer Urgestein, lange im Rentenalter. Doch ans Aufhören verschwendet der 76-Jährige keinen Gedanken: „Ich mache so lange weiter, wie es meine Gesundheit erlaubt“, sagt er. Seine Frau Elisabeth, die im Laden hilft, pflichtet ihm bei: „Ohne Arbeit hat er Langeweile, er lebt für seinen Beruf.“

Wie sein Vater („Er kam leider nicht mehr aus dem Krieg zurück“) hat Matthias Otten das Schuhmacherhandwerk erlernt. Seine Ausbildung begann er am 15. April 1953 bei der Firma Nüßgen an der Friesenstraße in Köln. Später besuchte er drei Jahre lang Kurse für die Meisterprüfung im Kölner Kolpinghaus. 1963 bestand er die Prüfung, ein Jahr später machte er sich mit seinem Laden in Bliesheim selbstständig. „Mein erster Auftrag war es, 13 Paar Fußballschuhe für die A-Jugend des BC Bliesheim zu besorgen“, berichtet Otten. Man wollte dem „Neuling“ offenbar den Einstieg erleichtern und ihm einen Verdienst verschaffen. Das funktionierte gut, und passender hätte die erste Auftragsarbeit kaum sein können: Der Fußball gehört zu Matthias Ottens großen Leidenschaften. Neben den Bliesheimer Lokalmatadoren drückt er dem 1. FC Köln die Daumen. In seinem Laden stehen sogar Sitzbänke aus dem alten Müngersdorfer Stadion. Die Kinder haben sie für ihn organisiert.

Die Eheleute Otten haben einen Sohn, zwei Töchter und fünf Enkelkinder. „Das Familienleben ist sehr harmonisch“, betont Elisabeth Otten. Beruflich wollte Sohn Udo aber nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten. „Der ist Beamter“, meint Matthias Otten nicht ganz ohne süffisanten Unterton. Verdenken kann er es ihm aber nicht: Es gebe eben kaum noch junge Leute, die eine Schuhmacherlehre absolvieren wollen. Offenbar handelt es sich um einen aussterbenden Beruf.

Fingerspitzengefühl gefragt

Dabei gibt es genug zu tun: 50 Paar Schuhe stapeln sich in Ottens Werkstatt. Einige sind fertig und warten nur darauf, von ihren Besitzern abgeholt zu werden. Andere müssen noch repariert werden. Otten arbeitet auch für Firmen: Er zeigt ein neues Paar Schuhe, an denen eine feingliedrige Zierkette gerissen ist. Um die Ösen wieder zusammenzubekommen, ist Fingerspitzengefühl gefragt.

Die Ausputzmaschine und die Nähmaschine gehören zu seinen wichtigsten Arbeitsgeräten. Auch wenn Unkenrufe besagen, dass Schuhe heutzutage zu Wegwerfartikeln geworden sind: Manchmal hilft eine neue Naht, und die „Treter“ sind wieder wie neu. Und es sind keineswegs nur ältere Menschen, die ihre Schuhe zur Reparatur bringen: „Das geht quer durch alle Alterschichten“, erklärt Elisabeth Otten. Seit 1974 verkauft Matthias Otten in seinem Laden auch Schuhe. Der Meister selbst geht jeden morgen um 8 Uhr frisch und fidel ans Werk. Immer läuft das Radio, und oft singt Otten schon am frühen Morgen fröhlich mit. Das Singen ist sein großes Hobby: Seit 56 Jahren gehört er dem Männergesangverein Bliesheim an. Otten ist auch Mitglied in den anderen Dorfvereinen. 30 Jahre lang war im Kegelclub aktiv – praktischerweise im Haus Giersberg, einer Gastwirtschaft, die gleich gegenüber seinem Laden gelegen ist.