Normalerweise ist das Betreten der Quarzwerke strengstens verboten. Eine Führung gibt Einblick darüber, welche Tiere dort zu Hause sind.
Schwalben, Dachse, UhusSo arrangiert sich die Natur mit der Quarzgrube in Frechen

Die Quarzwerke investieren viel in die Renaturierung und die Schaffung neuer Biotope wie Teiche, Wald oder Streuobstwiesen.
Copyright: Christina Jürgensen
Die tief stehende Sonne taucht die Abbaugrube der Quarzwerke in goldenes Licht, als Eva-Susanne Kirsch ihre heutige Gruppe begrüßt. Die Assistentin der Unternehmenskommunikation unternimmt zwischen April und Oktober regelmäßig Wanderungen mit Erwachsenen und Kindern über das Gelände, das normalerweise für Besucher streng verboten ist. Gleichzeitig ist das Interesse groß, einmal von Nahem zu erkunden, was sonst nur von dem Aussichtspunkt am Kaskadenweg oder dem Rundwanderweg zu überblicken ist.
„An diesem Standort bauen die Quarzwerke seit 1884 Sande ab“, erklärt die Gästeführerin. Insgesamt umfasse das Areal, inklusive der Renaturierungsflächen, 300 Hektar. Vom Aussichtspunkt gut zu erkennen ist der strahlend weiße, etwa einen Kilometer lange Streifen Siliziumdioxid, der Grund, warum sich hier Bagger 70 Meter tief in den Boden graben. „Mit 99 Prozent ist der Quarzsand sehr sauber und rein, was ihn zu einem begehrten Rohstoff in der Industrie macht“, führt Eva-Susanne Kirsch aus. Die Frechener Quarzsande finden sich in Solarpaneelen ebenso wie in Kosmetik oder Brillengläsern oder Motorblöcken.
Frechen: Besondere Sandschicht ist in einer der Eiszeiten entstanden
Entstanden ist diese besondere Sandschicht während einer der Eiszeiten, als die Nordsee bis ins Rheinland reichte. Seine Reinheit verdankt er der Braunkohle. Durch Auswaschungen wurde das Wasser sauer und wusch den Sand sauber. Geologische Verwerfungen vor etwa 20 Millionen Jahren beförderten das „weiße Gold“ schließlich so nah an die Oberfläche, dass das Siliziumdioxid hier im Trockenabbau gewonnen werden kann.

Das Interesse an den Quarzwerkführungen ist groß, denn normalerweise ist der Zutritt streng verboten.
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Ausgestattet mit Schutzhelmen und Warnwesten geht es auf das Werksgelände, vorbei an den hohen Silos und der Abfüllanlage. „Dort oben neben dem Verladeanker hängt ein Kasten“, sagt die Gästeführerin und deutet zu dem kleinen Anbau an den Silotürmen. Eigentlich für Wanderfalken aufgehängt, brüten in dem Kasten seit ein paar Jahren Uhus. „Im vergangenen Jahr waren es drei Küken, in diesem sind es zwei, die prächtig gedeihen.“ Das weiß Eva-Susanne Kirsch unter anderem von den Aufnahmen der Webcam, die live aus der Uhu-Kinderstube sendet. „Die Uhus stören zwar etwas den Betriebsablauf, aber das nehmen die Mitarbeiter gerne in Kauf.“
Frechener Unternehmen pflanzte Wald zur Renaturierung
Die 15-köpfige Gruppe geht weiter über Schotterpisten abwärts in die Grube, entlang des langen Förderbandes und durch einen jungen Eichenmischwald. Die Bäume wurden vor etwa 20 Jahren angepflanzt und sind Teil des Renaturierungsprogramms des Frechener Unternehmens. „Der Sandabbau hier wird immer wieder kritisiert, weil der Altwald gerodet wird und der neu aufgeforstete Wald erst nach 150 Jahren seinen vollen Wert für das Ökosystem wieder erlangt“, sagt Eva-Susanne Kirsch. Allerdings betont sie auch, dass sehr langsam gerodet werde, damit die Tiere Zeit hätten, abzuwandern. Gleichzeitig arbeite das Unternehmen bei der Rekultivierung und Schaffung neuer Biotope eng mit Biologen und Naturschützern zusammen.
Wie eng Natur und Tagebau nebeneinander existieren, wird deutlich, als die Gruppe die Grubensohle erreicht. Auf der einen Seite die verschiedenen Ebenen des Quarzsandes mit den Baggern und Förderbändern, daneben große Haufen mit abgetragenem Erdreich. Nur ein paar Meter weiter sind in dem feinen Sand flache Teiche zu erkennen, umsäumt von großen Totholzstämmen.
Daran schließt sich eine hügelige Landschaft mit kleinen Wasserläufen, schilfbewachsenen Teichen und Streuobstwiesen an. Ein beinahe bizarrer Gegensatz von Industrie und Idylle in direkter Nachbarschaft, der aber zu funktionieren scheint. Auf der Internetseite der Quarzwerke sind ausführlich die Natur- und Artenschutzprojekte des Unternehmens beschrieben. Allein rund 600 Pflanzenarten wurden auf dem Gelände bereits dokumentiert, mehr als 30 davon stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten. Hinzu kommen zahlreiche Insekten, Schmetterlinge, Amphibien und Reptilien wie Feuersalamander, Erdkröten, Molche, Blindschleichen oder Zauneidechsen.
Verschiedene Fledermausarten, Dachse, Marder und Wasservögel
Besonders stolz, so Eva-Susanne Kirsch, sei das Unternehmen auf die geschaffenen Lebensräume für seltene Fledermausarten. In dem eigens gebauten Tunnel und in der „Villa“ fühlen sich Langohren, Abendsegler und Bartfledermäuse wohl. Doch natürlich bevölkern auch bedeutend größere Tiere das Areal. Neben Rehen, Wildschweinen und Füchsen sind das Dachse, Marder und Wasservögel. Die meisten von ihnen lassen sich allerdings nur mit sehr viel Geduld und guter Tarnung beobachten. Von ihrer Anwesenheit zeugen aber die vielen Spuren im feinen Quarzsand.

Uferschwalben graben ihre Bruthöhlen in den weichen Sand.
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Gut sicht- und hörbar sind hingegen die vielen Uferschwalben, die in den Sandwänden direkt im Tagebau brüten. Die Vögel graben ihre Nisthöhlen in den weichen und doch stabilen Sand, ebenso wie die exotisch anmutenden, bunten Bienenfresser, die in der Quarzgrube ebenfalls ein Refugium gefunden haben. Beide Vogelarten brüten normalerweise in natürlichen Abbruchkanten und Uferböschungen von Flüssen, die allerdings in Mitteleuropa selten geworden sind. In Frechen sausen ganze Schwärme der nur zwölf Zentimeter langen und 14 Gramm leichten, kleinsten Schwalbenart Europas durch den Abendhimmel, auf der Jagd nach Insekten, die sie an ihre Jungen in den bis zu 70 Zentimeter tiefen Bruthöhlen verfüttern.
Betreten des Geländes ist sonst verboten
Als die Sonne langsam untergeht, wird es Zeit für die Besuchergruppe, die Quarzgrube wieder zu verlassen. Zurück geht es zunächst einen steilen Erdhaufen hinauf, bis alle wieder auf den Schotterwegen angelangt sind. Auf dem Rückweg fällt der Blick durch die Bäume noch einmal auf den türkisblau schimmernden „Klärsee“, der fast wie ein idyllischer Bergsee wirkt und zum Baden einzuladen scheint. „Das hat im letzten Jahr auch jemand getan und einen großen Feuerwehreinsatz provoziert“, berichtet Eva-Susanne Kirsch. „Natürlich ist das Betreten des Betriebsgeländes streng verboten.“ In den Klärteich fließe der Sand aus der Veredelung und der Boden des Sees verhalte sich wie Treibsand. „Das ist lebensgefährlich.“
Die Gruppe begnügt sich gerne mit dem Blick auf diese ungewöhnliche Landschaft der Quarzgrube in Frechen, die bei genauer Betrachtung viele ungeahnte Einblicke bietet.