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Rechtsstreit"Ich habe Angst, dass alles einstürzt"

Lesezeit 3 Minuten

Die Klinker-Fassade wurde notdürftig verputzt.

Frechen – Nachts liegt Christine Mell oft wach. Der Wind pfeift durchs Haus, überall knackt und knarzt es. „Ich habe Angst, dass mir eines Tages die Decke über dem Kopf einstürzt“, sagt die 82-Jährige. Viele Wände ihres Hauses in der Frechener Mühlengasse sind von Rissen durchzogen. Im Wohnzimmer verläuft ein zentimeterbreiter Spalt vom Boden quer über die Wand bis zur Decke. „Gucken Sie sich das mal an“, sagt Mell und zeigt auf die Stein-Fensterbank, die von einem fingerbreiter Spalt durchbrochen ist. „Das Fenster kann ich gar nicht mehr öffnen, weil es so verzogen ist.“ In ihrer Stimme liegt Verzweiflung. Mell wohnt seit 25 Jahren in dem Haus, das sie von ihren Schwiegereltern übernommen und mit ihrem vor 16 Jahren verstorbenen Mann umgebaut hat. „Wir haben unser ganzes Geld da reingesteckt. Und jetzt haben die alles kaputt gemacht.“

Erneuerung zugesagt

Mit „die“ meint die 82-Jährige die Königsdorfer Baufirma, die 2009 auf dem Nachbargrundstück einen dreigeschossigen Neubau errichtet hat. Schon damals waren die ersten Risse aufgetreten. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte über den Fall berichtet. Damals hatte Eike Dombrowski von der Firma Via-Intelli-Wohnbau GmbH zugesagt, die komplette Front-Fassade inklusive einer Wärmedämmung zu erneuern. Passiert ist Mell zufolge seitdem wenig. Lediglich der Riss, der sich durch die verklinkerte Hauswand zog, sei zugespachtelt worden. „Furchtbar sieht das aus“, findet die Seniorin. „Ich will meine Steine wiederhaben.“ Außerdem habe Via-Intelli einige Dachziegel erneuern lassen, „mir hat es im Schlafzimmer auf den Kopf geregnet“. Auf ihren Krückstock gestützt geht Mell von einem Zimmer ins andere. Im Bad bröckeln die Fliesen von der Wand, durch einen Spalt unter der Haustür zieht kalte Luft herein. Unter dem Teppich im Erdgeschoss haben sich tiefe Kuhlen gebildet. „Ich schäme mich richtig, wenn ich Besuch bekomme“, sagt Mell.

Nach einer Knie-Operation, einem anschließenden Oberschenkelhalsbruch und einem Reha-Aufenthalt ist sie seit zwei Wochen zurück in ihrem Haus. Wohl fühlt sie sich hier schon längst nicht mehr. Seit 2009 streitet sie mit der Baufirma über eine Entschädigung. Zuletzt habe die Firma ihr vor einem Dreivierteljahr 4000 Euro geboten. „Mein Gutachter und mein Rechtsanwalt konnten über diese Summe nur lachen“, sagt Mell.

Dombrowski zufolge liege es nicht an der Baufirma, dass so viel Zeit vergangen ist: „Wir bedauern sehr, dass die Arbeiten nicht, wie geplant, unkompliziert und schnell während der Bauarbeiten durchgeführt werden konnten.“ So seien die „Fassaden- und Malerarbeiten zunächst mit Frau Mell abgestimmt“ worden und hätten „zeitnah durchgeführt werden“ sollen. Doch dies hätten dann „leider unterschiedliche Auffassungen über die Art der Ausführung“ verhindert. Anschließend habe man – vergeblich – versucht, eine „Abgeltungszahlung herbeizuführen“.

Mells Anwalt habe eine „unbegrenzte Deckungszusage gefordert“ – sprich: die Arbeiten hätten durchgeführt werden und der Firma in Rechnung gestellt werden sollen. Dombrowski: „Dieses Vorgehen ist unüblich und wird in der Regel von allen Versicherungen nicht gedeckt.“ Daher sei man auf diese Forderung (vom September 2012) nicht eingegangen. Seitdem ruhe die Korrespondenz. Die Schäden am Haus auf der anderen Seite des Neubaus sind von Via-Intelli beglichen worden, wie Hausbeisitzerin Regina Pitten auf Anfrage bestätigt. Momentan scheint alles auf ein Wiedersehen vor Gericht hinauszulaufen – auch wenn Dombrowski betont: „Einer außergerichtlichen Einigung stehen wir nach wie vor offen gegenüber.“ Christine Mell wünscht sich nur, „dass alles wieder so wird, wie es war“.