TraditionsgeschäfteVolkshaus voller Bücher

Die Buchhandlung Brauns entwickelte sich zu einem renommierten Antiquariat. Das Bild stammt aus den 1970er Jahren.
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Frechen – Die Zeit der Bestseller begann in der Frechener Buchhandlung Brauns mit „Doktor Schiwago“. Buchhändler Thomas Brauns kann sich noch erinnern, als das Buch 1958 herauskam. Er fuhr mit seinem Fahrrad durch Frechen und brachte allen Kunden, die nicht extra in dem Buchladen seines Vaters vorbeikommen wollten, die Liebesgeschichte nach Hause. Kistenweise kam sie damals an.
Kleiner Raum
Der Buchhändler und Verleger Curt Brauns hatte damals bereits einen Verlag in Wedel und hat anschließend den Bund-Verlag in Köln aufgebaut. „In seinem Herzen war er immer selbstständig und kein Angestellter“, so Thomas Brauns. Also eröffnete er 1953 seine eigene Buchhandlung in dem ehemaligen Volkshaus in der Keimesstraße – zuerst noch in einem kleinen Raum im Seitenflügel auf 25 Quadratmetern. „Das war schwierig am Anfang mit den Büchern, denn Frechen war ja damals eine reine Arbeiterstadt“, erinnert sich Thomas Brauns, der mit der Liebe zu Büchern großgeworden war. Ab 1965 leitete er die Firma zusammen mit seinem Vater und seiner Schwester Larissa. Neben „Doktor Schiwago“ war es aber vor allem der Frechener Bücherbrief, der die Wende für die Buchhandlung einleitete. Dessen erster Antiquariatskatalog 1973 markierte den Beginn des Antiquariats, das zunehmend an Bedeutung gewann – „das hat sich sehr schnell sehr gut entwickelt“, so Thomas Brauns.
So erweiterte sich der Buchladen von den ursprünglich 25 Quadratmetern auf 640 Quadratmeter mit rund 60 000 Büchern, nachdem 1975 das gesamte ehemalige Volkshaus, das zuvor in einzelne Büros für Anwalte und Ärzte eingeteilt war, zu einer großen Buchhandlung ausgebaut worden war. Es war 1924 als Bildungshaus für die Arbeiter errichtet worden. Eine neue Treppe verbindet nun die unteren Räume mit dem oberen 320 Quadratmeter großen Mariensaal. Bereits im Jahr 1976 konnte das Antiquariat auf rund 2000 Katalogkunden von außerhalb blicken. „Das Antiquariat hat einen guten Ruf“, so Thomas Brauns – auch weit über die Stadtgrenzen hinweg.
In der Buchhandlung lernte Thomas Brauns auch seine Frau Annelie kennen, die zur selben Zeit wie er dort ihre Lehre zur Buchhändlerin absolvierte. Mit leuchtenden Augen erinnert sich auch Annelie Brauns an die Anfänge. „In den 80er Jahren haben wir Kinderbücher verkauft, Ottfried Preußler oder Michael Ende, das war die große Zeit, als Kinderbücher noch gelesen wurden, das hat leider kolossal abgenommen.“ Inzwischen fange das Interesse am Lesen und Vorlesen langsam wieder an. „Aber das Medium Buch braucht immer eine große Konzentration.“
Mit ihrem sehr ausgewählten Bücherangebot hatten sie auch immer eine sehr spezielle Kundschaft. Vergeblich sucht man Bestseller-Listen oder „moderne Dinge wie »Feuchtgebiete«“, wie Thomas Brauns sagt. Seine Frau fügt hinzu: „Das macht ja auch den Reiz des inhabergeführten Buchladens aus, dass sie sich charakteristisch voneinander unterscheiden.“
Ohne Hanni und Nanni
Curt Brauns wollte noch nicht einmal die Kinderbücher aus dem Schneiderbuch-Verlag wie „Hanni und Nanni“ im Sortiment führen. „Es musste immer einer gewissen literarischen Qualität entsprechen, aus dem SPD-Geist der Volksbildung heraus“, so Annelie Brauns über ihren Schwiegervater, der auch knapp 30 Jahre für die SPD im Stadtrat saß. Er war für Belletristik zuständig wie Thomas Mann und Fontane – „den kannte er fast auswendig“, so Annelie Brauns. Sie und Thomas Brauns kümmerten sich um die Kinderbücher. „Das war unser Herzensthema – denn Kinder sind ja auch nach James Krüss das undoktrinärste Publikum, dem man nichts Falsches sagen darf“, so Annelie Brauns.
Wie es weiter geht, ob die Buchhandlung in Familienhand bleibt, können beide noch nicht sagen. „Wir hoffen, es noch eine ganze Weile machen zu können“, so Thomas Brauns. Ihre Tochter Christiane ist gelernte Kauffrau und arbeitet schon seit rund 20 Jahren im Geschäft mit. Sohn Tilman ist Buchbindemeister und führt eine Buchbinderei direkt nebenan. „Wir müssen abwarten wie es weitergeht im gesamten Buchbereich, Amazon hat viele kleine Läden verdrängt“, so Annelie Brauns. Viele ihrer ehemaligen Stammkunden seien bereits tot.
Doch nach wie vor schätzen die beiden nicht nur den Buchhandlungstresen oder die Bücherregale – einer ihrer Lieblingsorte ist die Packstation: „Wir freuen uns heute noch, wenn wir viel einpacken“, sagt Thomas Brauns mit einem verschmitzen Lächeln.