Fahrstunde für Seniorin79-jährige Frechenerin übt die Vollbremsung

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Björn Fink mit seiner 79-jährigen Fahrschülerin Rosemarie Casu.

  • Die Frechenerin Rosemarie Casu ist 79 Jahre alt und fährt noch Auto.
  • Freiwillig frischt sie ihre Kenntnisse bei Fahrlehrer Björn Fink auf.
  • Einparken klappt prima, aber den ein oder anderen Hinweis hat der Fahrlehrer für Frau Casu.

Hürth – Langsam beschleunigt Rosemarie Casu auf 30 Kilometer pro Stunde. Die 79-Jährige weiß, was kommen wird, und wartet gespannt auf das Kommando ihres Fahrlehrers Björn Fink. „Stopp“, ruft er halblaut in die Stille des Wageninneren, und die Rentnerin geht in die Eisen, Vollbremsung.

„Stellen Sie sich fast auf das Pedal drauf“, hatte er sie vorher angewiesen. Ein paar Versuche braucht Casu, bis der Fahrlehrer zufrieden ist. „Langsam macht es sogar Spaß“, sagt sie und lacht, nachdem das Auto unter dem Ruckeln und Krächzen der Bremsen und des Antiblockiersystems in der unbelebten Straße zum Stehen gekommen ist.

Unsere Redaktion hat sich Gedanken zum Thema „Fahren im Alter“ gemacht: Nachdem Autofahrer den Führerschein gemacht haben, geht vieles, was sie in dieser Zeit gelernt haben, über die Jahre verloren. Wer macht schon noch regelmäßig den Schulterblick, wenn er doch Außenspiegel hat?

Führerscheinprüfung 1980

Auch Verkehrszeichen und -schilder ändern sich. Für ältere Menschen liegt das Gelernte noch länger zurück. So auch für Rosemarie Casu aus Frechen. Sie hat 1980 den Führerschein gemacht. Sie nimmt eine Fahrstunde in Finks Fahrschule an der Hans-Böckler-Straße in Hürth. Einen „Fahrfitnesscheck“ nennt der 42-Jährige das bei der Vorbesprechung.

Der Fahrlehrer stellt heraus, dass sich Casu in keiner Prüfung befindet. Nichts von dem, was später passieren wird, wird an eine Behörde weitergeleitet. „Das ist ein geschützter Raum.“ Die Überprüfung solle den Autofahrern schließlich selbst helfen.

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Rosemarie Casu hat einen kleinen Polo, viel fährt sie nicht mehr. Nur zum Einkaufen und um ihren Enkel von der Schule abzuholen. Die Wege kennt sie. „Wenn ich früher gefahren bin, habe ich mir vorher immer in einem dicken Kartenbuch die Strecken herausgesucht“, erzählt sie.

Auf Autobahnen fährt Casu nicht

Längere Strecken sei immer ihr inzwischen gestorbener Mann gefahren, in den Urlaub zum Beispiel. „Denn Autobahn fahre ich nicht, da habe ich Angst.“ Das beobachtet Fahrlehrer Fink häufig: „Früher war es so, dass der Mann einfach häufiger gefahren ist.“

Sterbe der vor seiner Ehefrau, sei diese beim Fahren häufig verunsichert. „Auch dafür sind genau solche Fahrstunden gut. Wir fahren dann wirklich die Strecken, die die Menschen nutzen – zum Friseur, zum Einkaufen oder zum Bäcker.“

Der Fahrschulwagen, den Rosemarie Casu fährt, hat ein Automatikgetriebe wie ihr 13 Jahre alter Polo. Ein bisschen anders ist die Handhabung allerdings schon. So geht der Fahrschul-VW an Ampeln aus, um Kraftstoff zu sparen. „Deswegen brummt er auch immer so laut, wenn ich wieder aufs Gas trete“, schlussfolgert die Fahrschülerin.

Rosemarie Casu fährt ruhig und aufmerksam. Auch ihr Fahrlehrer ist zufrieden, wie er ihr in der Nachbesprechung mitteilt. Ein nach bestimmten Kriterien geordneter Auswertungsbogen (unter anderem Beherrschung des Fahrzeugs und der Verkehrsregeln, emotionale Stabilität) belegt das.

Die Fahrschülerin muss nicht nur die Vollbremsung üben, sondern auch rückwärts einparken. „Oh Gott“, rutscht es ihr heraus, als ihr Fink die Anweisung gibt. Die Sorge ist jedoch völlig unbegründet. Ein Zug und Casu steht gerade neben einem blauen Wagen.

Keine Korrektur notwendig, weiter geht’s. Ein wenig zu kritisieren hat der Experte doch: Casu könnte etwas mehr Abstand halten und etwas langsamer auf Kreuzungen zufahren.

Läuft so eine Stunde schlecht, könnte der Fahrlehrer den Senioren nahelegen, ihren Führerschein abzugeben. Das passiere ab und zu, allerdings eher ab 85 Jahren, berichtet Fink. Verpflichtet dazu sind die Fahrschüler allerdings nicht.

Es ist auch möglich, weitere Stunden zu nehmen, um wieder sicherer zu werden, sagt Björn Fink. Den Führerschein abzugeben oder nicht mehr zu fahren bedeute, die eigene Mobilität zu verlieren, weiß Fink. Das müsse man immer bedenken, wenn man so etwas fordere.

Das sei ein gravierender Einschnitt. Doch sei das Allgemeinwohl ein hohes Gut, und im Zweifel gehe das natürlich vor. Aber man sollte in der Familie immer vorher gut beraten und miteinander klären, was es bedeuten kann, wenn Opa oder Oma kein Auto mehr fahren würden.

Eltern oder Enkel verschenken Gutscheine

Vielfach würden Gutscheine für eine solche Auffrischungsfahrstunde verschenkt. Ohnehin seien es meistens Eltern oder Enkel, die mit der Idee auf ihre Eltern oder Großeltern zukommen. Das findet der Fahrlehrer gut.

„Denn wenn jemand sagt, er fühlt sich unwohl, wenn er mit einer Person fährt, sollte man vielleicht mal überlegen, ob man daran etwas tun könnte.“ Das Fahrverhalten der Senioren, die bei ihm fahren, sei sehr unterschiedlich. „Die meisten wollen den anderen keinen Schaden zufügen“, sagt er.

Anders als bei vielen jüngeren Fahrern sei das Verantwortungsgefühl sehr hoch. Manche älteren Menschen führen deshalb sehr langsam. „Aber das ist natürlich auch nicht immer richtig. Denn dann kann man ebenso ein Verkehrshindernis sein.“

Die „Flitzer“ allerdings gebe es auch. Häufig änderten körperliche Einschränkungen das Fahrverhalten. Zum Beispiel wenn sich Menschen nicht mehr richtig beim Schulterblick umdrehen könnten.

Für Rosemarie Casu hat sich die Stunde jedenfalls gelohnt: „Das war toll“, sagt die 79-Jährige am Ende. Sie möchte auch ihren Freundinnen aus dem Gymnastikkursus, die noch Auto fahren, eine solche Fahrstunde empfehlen.

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