Interview mit Hürther Unternehmer„Rhein-Erft-Kreis bietet eine hervorragende Basis für Start-ups“

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Matthias Neugebauer steht vor dem Stadthaus der Stadt Hürth. Er trägt Anzug und Brille.

Matthias Neugebauer, Geschäftsführer des Gründer- und Technologiezentrums Stadt Hürth sowie der Hürther Stadtentwicklungsgesellschaft.

Besonders die Veränderung der Region ermögliche die Ansiedelung neuer Branchen, erklärt Matthias Neugebauer im Interview.

Matthias Neugebauer, Jahrgang 1983, ist seit 2015 Geschäftsführer des Gründer- und Technologiezentrums St@rt Hürth sowie der Hürther Stadtentwicklungsgesellschaft und ist als Dozent für die Themen Start-up und Entrepreneurship tätig. Auch als Vorstandsmitglied des Bundesverbands Deutscher Innovationszentren (BVIZ) fokussiert er sich vorrangig auf den Aufbau von Innovations- und Start-up-Ökosystemen sowie der Entwicklung von digitalen und nachhaltigen Geschäftsmodellen.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation für Gründer im Rhein-Erft-Kreis?

Matthias Neugebauer: Die Region bietet eine hervorragende Basis für den Start des eigenen Business. Vor Ort finden sich sehr viele innovative und kreative Personen sowie Organisationen. Darüber hinaus besteht vor Ort ein dichtes Infrastrukturnetz, das eine gute Erreichbarkeit ermöglicht. Es gibt sowohl große Unternehmen als auch einen starken Mittelstand mit einer diversifizierten Produktionsstruktur. Diese Struktur bietet gute Marktzugänge.

Welche Stärken gibt es darüber hinaus noch?

Auch die Nähe zu Universitäten, Hochschulen und Instituten ist relevant. Der Rückzug der Braunkohleförderung hat in den vergangenen Jahrzehnten die Region verändert und bietet jetzt Chancen, die wiederhergestellten Flächen für Gewerbe, Neuansiedlung, Freizeit, Erholung und Tourismus zu nutzen und Innovationen zu ermöglichen. Die Stadt Hürth ist als sogenannte Anrainerkommune von diesen Entwicklungen besonders betroffen. Vor diesem Hintergrund haben wir, gemeinsam mit Partnern, frühzeitig Maßnahmen ergriffen, um den Strukturwandel zu gestalten und einen Beitrag für die Region zu leisten.

Konkret heißt das was?

Hierzu gehören unter anderem Projekte wie das KI- und Robotikzentrum AI Village, das Entrepreneurship Center Rheinisches Revier, das Blockchain Reallabor, der geplante ChemHub in Hürth-Knapsack und das Start-up Netzwerk SURE!. Derzeit sind wir für die Umsetzung dieser Projekte auf spezifische Fördermittel angewiesen. Wir würden uns wünschen, dass die bürokratischen Prozesse etwas zügiger verliefen und wir die Möglichkeit hätten, die Dinge auf Bundesebene schneller voranzutreiben. Dankbar sind wir für das Engagement der Stadt, die zum Erfolg der Projekte beiträgt.

In welchen Branchen halten Sie denn eine Gründung aktuell für besonders vielversprechend?

In den letzten Jahren haben wir gesehen, dass unterschiedliche Branchen stark an Relevanz zugenommen haben. Das sind Themen aus dem Deep-Tech-Bereich wie Künstliche Intelligenz, Blockchain, Daten-, Digital- und Energiewirtschaft. Wichtig ist es auch, die etwas „bodenständigeren“ Geschäftsmodelle nicht zu unterschätzen, welche derzeit noch das Rückgrat unserer Wirtschaft bilden, ebenso wie unsere Bestandsunternehmen vor Ort.

Die da wären?

Erfreulicherweise haben wir einen gesunden Branchenmix und darüber hinaus einen Chemieschwerpunkt. Daraus ergeben sich Anknüpfungspunkte für Start-ups, die sich mit dem Thema Energie beschäftigen. Hieraus haben sich bereits in den vergangen 15 Jahren Netzwerke, Unternehmen sowie Infrastruktur für das Thema Wasserstoffmobilität entwickelt.

Welche Voraussetzungen und Eigenschaften sollten für eine erfolgreiche Gründung vorhanden sein?

Zum einen teambedingte Faktoren und ein gewisses Entrepreneurial Mindset, also unternehmerische Eigenschaften. Hierzu gehören Mut, auch der Mut, mal Fehler zu machen, denn hier gilt das Sprichwort „frühe Fehler sind gute Fehler“. Weiterhin zählen die Umsetzungsstärke, Experimentierfreudigkeit, eine gewisse Risikoaffinität, das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten und das Verständnis für Geschäftsmodelle. Positiv ist, wenn das Gründungsteam sich vor diesem Hintergrund ergänzt und gut aufgestellt ist. Wichtig ist auch die Unterstützung des sozialen Umfelds.

Und wie sieht es mit dem Geld aus?

Zusätzlich schauen wir uns fundingbedingte Faktoren – Finanzierung und Förderung – an, also ob ausreichend Kapital für die Umsetzung des Vorhabens vorhanden ist. Nicht zuletzt sind marktbedingte Faktoren relevant. Hier sollte man sich die folgenden Fragen stellen: Löse ich ein Problem? Gibt es einen Bedarf und ist der Markt groß genug? Idealerweise hole ich mir hierzu frühzeitiges Feedback von potenziellen Kunden. Auch übergeordnete politische und rechtliche Rahmenbedingungen sind relevant. Hierzu zählen unter anderem die Vereinfachung von Verwaltungsprozessen für den Gründungskontext oder auch, wie ich Mitarbeitende am Erfolg des Unternehmens beteiligen kann.

Wie kann St@rt Hürth Existenzgründern helfen?

Wir helfen durch kostenfreie Beratung sowie ein Netzwerk und sind häufig Türöffner und Sparringspartner. Durch verschiedene Projekte, die wir mit angebahnt haben, möchten wir diese Entwicklungen verstetigen und verstärken. Gemeinsam mit Partnern wie der WFG Rhein-Erft, IHK und Handwerkskammer Köln sowie privatwirtschaftlich organisierten Partnern arbeiten wir daran, das Start-up-Ökosystem vor Ort zu stärken. Gemeinsam haben wir beispielsweise den Existenzgründerpreis Rhein-Erft etabliert und freuen uns auf die diesjährigen Einreichungen der Ideenpapiere. Die Bewerbungsphase beginnt ab Anfang Mai 2023. Ein großes Dankeschön geht an die Kreissparkasse Köln, die das Preisgeld zu Verfügung stellt. Wenn wir unsere Dienstleistungen als St@rt Hürth im Detail anschauen, ist unser Schwerpunkt das Mentoring und die kostenfreie Beratung. Wir bringen Start-ups mit erfahrenen Mentoren, Unternehmen und Beratern zusammen, die bei der Entwicklung von Geschäftsideen und beim Aufbau von Unternehmen helfen können. Darüber hinaus bieten wir Start-ups die Möglichkeit, Kontakte zu potenziellen Investoren, Kunden und anderen Unternehmen aufzubauen. Zusätzlich vermitteln wir Büroräume, Ausrüstung und Technologie über uns oder Partner und bieten Schulungen und Weiterbildungen an, die Start-ups helfen, ihre Fähigkeiten zu verbessern und ihre Kenntnisse zu erweitern.

Bei einer anderen beruflichen Laufbahn – würden Sie heute gerne gründen wollen?

Und wenn ja, was wäre Ihre Geschäftsidee? Ja, in der Vergangenheit habe ich bereits erfolgreich gegründet. Da ich technologieaffin bin, würde ich heute wahrscheinlich im Tech-Bereich gründen.

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