„Friseure gegen Armut“Ehrenamtliche schneiden Bedürftigen in Kerpen die Haare

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Nadine Bramkamp frisiert bedürftige Menschen.

Nadine Bramkamp frisiert bedürftige Menschen.

Kerpen – Bedürftige und Menschen in schwierigen Lebenssituationen haben am Samstag das Angebot der Initiative „Friseure gegen Armut“ und des Salons „HairFlair“ wahrgenommen und sich im Kolpinghaus kostenlos die Haare schneiden lassen. Rund 60 Menschen folgten dem Aufruf der Initiatoren sowie der Kerpener Tafel und der Teestube Lichtblick und waren darüber hinaus eingeladen, bei Kaffee, Kuchen und einem warmen Mittagessen gemeinsam einen schönen Nachmittag zu verbringen.

Normalerweise gehört der regelmäßige Gang zum Friseur für viele Menschen zum Leben wie Essen und Trinken. Doch nicht jedes Leben verläuft „normal“, und dann kann das Haareschneiden zu einem echten Luxus werden.

Zum 105. Mal helfen „Friseure gegen Armut“ Bedürftigen

„Für meine vier Kinder konnte ich das Geld für den Friseur immer irgendwie zusammenkriegen“, erzählte Alexandra Baginski. Doch für sich selbst habe sie dann eben zurückstecken müssen – und das nicht nur beim Friseur. So freute sich die 42-Jährige, die von Hartz IV lebt und seit 15 Jahren regelmäßige Besucherin der Kerpener Tafel ist, über ihren kostenlosen neuen Haarschnitt vom Team der „Friseure gegen Armut“. Schon zum 105. Mal boten Freiwillige und Ehrenamtliche im Rahmen von „Friseure gegen Armut“ bedürftigen Menschen ihre Dienste an.

Kai Gruhlke, der die Initiative 2017 im Ruhrgebiet ins Leben rief, freute sich, dass dies zum ersten Mal auch in Kerpen möglich war. „Wir haben hier schnell Ehrenamtliche gefunden, die bereit waren, mitzumachen und uns zu unterstützen“, berichtete der 42-jährige Friseur. Auch die Kerpener Bevölkerung sei mit Sach- und Kleiderspenden sehr großzügig gewesen, und bei der Kolpingfamilie habe er schnell Fürsprecher gefunden, die den Raum kostenlos zur Verfügung stellten.

Demnächst in der Jahnhalle

Alle drei Monate soll die Aktion ab jetzt in Kerpen stattfinden, dann jedoch in der Jahnhalle. Mitinitiatorin ist der Salon „HairFlair“ von Nadine Bramkamp. Die 40-jährige Friseur-Meisterin und ihr Mann wollen auf diese Weise „Menschen, denen es nicht so gut geht, etwas vom eigenen Glück abgeben“. Doch nicht nur aus Kerpen kamen die beteiligten Friseure und Friseurinnen. So war auch Marita Voß (65) sofort von der Aktion begeistert und beschloss, mitzumachen. Die Friseurin aus Hürth hörte sich am Samstag viele Geschichten an. „Manche sind gehemmt, aber andere gehen sehr offen mit ihrer Armut um“, so Voß. Es beeindrucke sie, wie zufrieden die Menschen dennoch seien und welch große Solidarität untereinander herrsche.

„Endlich mal wieder eine anständige Frisur“

Auch Saskia Wolff, die sich von Nadine Bramkamp eine neue Frisur schneiden ließ, war zufrieden. „Endlich mal wieder eine anständige Frisur, das sah schon sehr unordentlich aus in letzter Zeit“, lautete ihr Fazit. Die 39 Jahre alte Kerpenerin war nach einem Gefängnisaufenthalt bis vor zwei Jahren obdachlos. Geschlafen habe sie im Keller eines nahe gelegenen Ärztehauses, bis Karin Meyer, die seit 20 Jahren im Kolpinghaus die Teestube Lichtblick betreibt und Menschen in Not hilft, sie von der Straße geholt habe.

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Seit einem Jahr habe sie im Obdachlosenheim ein Einzelzimmer und versuche jetzt, eine eigene Wohnung zu finden. Zum kostenlosen Haareschneiden werde sie auf jeden Fall wieder kommen: „Zu wissen, dass man da einfach wieder hingehen kann, ist ein angenehmes Gefühl.“

Die „Friseure gegen Armut“ wollen ihr Angebot kontinuierlich ausbauen. Eine Probeaktion findet daher auch in Erftstadt statt. Am 16. Dezember schneiden Elisa Fiddike und ihr Team im Salon „Studio 1“ in Liblar von 9 bis 15 Uhr Bedürftigen, Obdachlosen und anderen Menschen in schwierigen Lebenssituationen kostenlos die Haare. Anmeldung und Berechtigungsnachweis erfolgen über die Erftstädter Tafel.

Initiative „Friseure gegen Armut“, Kai Gruhlke, 0178/6104194

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