„Immer feste druff“Ausstellung macht Kölner Kunstszene der 70er-Jahre lebendig

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In einem privaten Ambiente werden kleinformatige Werke präsentiert.

Kerpen – Dem Titel der aktuellen Ausstellung in Haus Mödrath – Räume für Kunst kommt man im Souterrain auf die Spur. In einen versteckt liegenden Raum hat man die blasphemischen Werke von Blalla W. Hallmann verbannt, der von 1982 bis 1984 in Brühl gelebt hat.

„Nicht jugendfrei“ warnt ein Schild an der Tür, und tatsächlich sind die provokativen Gemälde des Außenseiters alles andere als leicht verdaulich. „Immer feste druff“ hat der Bürgerschreck die drastische Geißelung genannt – ein Titel, der auch als Motto der wilden Kölner Kunstszene ab den 1970er-Jahren hätte dienen können. 

In den Werken der „Sammlung Wilhelm Otto Nachf.“ spiegelt sich jene Zeit, in der legendäre Galeristinnen und Galeristen wie Monika Sprüth, Max Hetzler und Christian Nagel Künstlerinnen und Künstlern wie Anna und Bernhard Blume, Jürgen Klauke, Albert Oehlen, Isa Genzken, Günther Förg und Georg Herold die Wege bahnten.

Als „subjektiver Abdruck der damaligen Kölner Kunstlandschaft“ mag die private Kollektion eines rheinischen Sammlers gelten, der seinen wahren Namen nicht preisgeben möchte. 

Soundarbeit in Dauerschleife 

Haus Mödrath bietet den Gemälden, Skulpturen, Installationen und Videos eine noble Bühne. Joseph Beuys Soundarbeit „Ja Ja Ja Ja Ja; Nee Nee Nee Nee Nee“ schallt dabei in Dauerschleife durchs Treppenhaus, wo Gregor Schneiders lebensechte, auf dem Bauch liegende „Frau“ Besuchern eine Schrecksekunde beschert, wenn sie sich nach der Betrachtung seiner Fotoserie „1/2/3 Rheydt“ umdrehen. 

Ekel macht sich breit, wenn man in einem Video des Künstlers John Bock sieht, wie jemand ausdauernd im Gedärm eines Tieres herumstochert.

Ziemlich skurril mutet indes Roman Signers Video von einer Kajakfahrt über Land an, bei der sich der Künstler von einem Auto ziehen lässt. Dabei kommt es zu einer überraschenden Begegnung mit Kühen, die das Kajak eine Weile begleiten. Ein Loch im Unterboden setzt der wilden Tour schließlich ein Ende. 

„Dürerhase“ als Blickfang

Isa Genzkens Skulptur „Fenster“ im Obergeschoss lenkt den Blick in den weitläufigen Park. Gleich ein ganzer Raum ist den Werken des Bildhauers Georg Herold vorbehalten, darunter ist auch eines der berühmten „Kaviarbilder“.

Der Hingucker schlechthin aber ist der aus Dachlatten gezimmerte „Dürerhase“, eine dreidimensionale Version des berühmtesten Feldhasen der Kunstgeschichte.

Ihm gegenüber stehen minimalistische Zeichnungen von Rosemarie Trockel und ein Gemälde von Albert Oehlen. Mit dem Selbstauslöser haben sich Anna und Bernhard Blume für die anarchische Fotoserie „Mahlzeit“ fotografiert.

Renommierte Künstler sind in der Ausstellung vertreten

Noch um einige Grade provokativer wirkt Jürgen Klaukes „Self Performance“ aus dem Jahr 1972/73, in der er mit Geschlechterrollen spielt. Wer sich traut, durch die halboffene Tür mit der Aufschrift „Privat“ einzutreten, findet sich unversehens in einem intimen Ambiente mit zerwühltem Bett, Tisch, Stühlen und Schreibtisch wieder.

Kleinformatige Arbeiten zahlreicher Künstler, die in der Sammlung vertreten sind, schmücken die Wände. Eine fast sakrale Anmutung verbreiten nebenan Antony Gormleys bronzener „Angel of the North“ und Hiroshi Sugimotos fotografische Folge „Time Exposed“. 

Beklemmende Ausstrahlung mit Kirchenbänken

Mit Kai Althoff und Walter Dahn sind zwei renommierte in Köln lebende Künstler in der Sammlung vertreten. Zu den großen Namen gehören auch Sigmar Polke, Andreas Schulze, Siegfried Anzinger und Katharina Sieverding. 

Das Dachgeschoss ist Thomas Zipp vorbehalten. Eine beklemmende Ausstrahlung hat die Installation aus schwarzen Kirchenbänken, Beichtstühlen und einer Orgel, die von Zeichnungen und Marmorskulpturen ergänzt werden. Ganz unmittelbar stellen sich da Gedanken an Missbrauch und Unterdrückung ein.

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Die Ausstellung im Haus Mödrath, Räume für Kunst, An Burg Mödrath 1, läuft bis zum 19. März 2023. Geöffnet ist sie samstags und sonntags von 12 bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet zehn Euro, darin enthalten ist ein Booklet.

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