Killer aus KerpenKerpener soll in 13 Jahren 964 Menschen ermordet haben
Kerpen – Am 17. Juni 1581 endlich vollstreckt der Scharfrichter in Bernkastel-Kues das Urteil. Ein schweres Wagenrad zertrümmert die Knochen des Räubers und Mörders Christman Gniperdoliga. Damit endet eine Mordserie, die 13 Jahre zuvor begonnen hatte und in der europäischen Geschichte einmalig ist: 964 Menschen soll Gniperdoliga ermordet haben.
Was aber in der lokalen Geschichtsforschung bisher noch keinen Niederschlag gefunden hat: Der schlimmste deutsche Serienmörder stammt aus Kerpen. Den knappen Hinweis auf die Herkunft Gniperdoligas gibt die „Erschröckliche newe Zeytung“, eine Flugschrift, die noch im Jahr der Hinrichtung in Mainz gedruckt wurde. Dort heißt es, der Mörder stamme aus „Körpen, zwo meyl von Cölln gelegen“ – legt man eine alte deutsche Meile zugrunde, die zwischen sieben und zehn Kilometer lang sein konnte, passt die Distanz. Kerpen und Köln liegen 20 Kilometer voneinander entfernt.
Nicht die erste Anfrage an das Stadtarchiv
„Das ist aber auch der einzige Hinweis auf Kerpen“, sagt Stadtarchivarin Susanne Harke-Schmidt. Vor einiger Zeit habe sie schon einmal eine Anfrage ans Kerpener Archiv zu Gniperdoliga erhalten. Doch die Recherche in Kerpen habe zu keinem Ergebnis geführt. „Tauf- und Sterberegister aus dieser Zeit haben wir nicht, und in den Gerichtsakten ist kein Hinweis auf den Mann zu finden.“
In Kerpen muss auch nicht zwingend etwas zu finden sein. Der Flugschrift zufolge hat Gniperdoliga vornehmlich im Lützelburger Land in Bayern und im Stift Trier gemordet. Aber auch hier hat der vermeintliche Killer aus Kerpen keine Spuren hinterlassen.
„Vermutlich gehört die Geschichte in den Bereich der Mär“, sagt Franz Schmitt. Der 95-Jährige gilt als absoluter Fachmann in Sachen Heimatkunde rund um Bernkastel-Kues. Sieben Bücher hat Schmitt über die Städte in seiner Heimat geschrieben. „Ich war im Bistumsarchiv Trier, im Landeshauptarchiv in Koblenz, im Stadtarchiv Bernkastel-Kues – nirgends gab es eine Zeile über diesen Mörder“, sagt Schmitt. Aber: „Man kann auch nicht widerlegen, dass es ihn gegeben hat.“ Das Archiv in Bernkastel-Kues etwa sei durch einen Bombentreffer im Krieg zu großen Teilen zerstört worden.
„Das mag makaber klingen, aber gegen einen Christman Gniperdoliga, der fast 1000 Menschen ermordete, war Jack the Ripper ein Waisenknabe“, schreibt der Historiker Michael Kirchschlager in seinem Buch „Historische Serienmörder“, in dem auch der Bedburger Werwolf-Fall behandelt wird. Aber: „Jack the Ripper ist bekannt, Christman Gniperdoliga ist es nicht.“ Den Grund sieht Kirchschlager, für den der Kerpener eine historische Figur ist, in der Art, wie früher Geschichte zu Papier gebracht wurde. „Aufgrund der besonderen Überlieferung mittelalterlicher bis frühneuzeitlicher Quellen in Form von Chroniken und Annalen werden Mörder hier nur vereinzelt erwähnt“, schreibt Kirchschlager.
Hinrichtung auf ähnlich grausame Weise
Den fragwürdigen Titel als berüchtigter Mörder aus dem Erftland teilt sich Gniperdoliga mit dem angeblichen Werwolf aus Bedburg, dem Bauern Peter Stump aus Epprath, der fast zeitgleich Menschen ums Leben gebracht haben soll, darunter seinen eigenen Sohn. Stump wurde nach der Folter auf Schloss Bedburg im Jahr 1589 hingerichtet – auf ähnlich grausame Weise: Den Delinquenten wurden mit einem Wagenrad die Knochen im Leib zertrümmert, dann wurden die zerschmetterten Glieder aufs Rad geflochten. Während Stump dann noch enthauptet wurde, soll Gniperdoliga das Rädern noch um neun Tage überlebt haben, bevor er starb. Auch im Fall des Werwolfs waren es Flugschriften, die den Fall bekannt machten, sogar über Deutschland hinaus.
Gniperdoliga, der zuletzt angeblich im Hunsrück wütete, soll von einer Frau verraten worden sein, die er mehrere Jahre in seinem Versteck, einem früheren Bergwerk, gefangen hielt. Mit ihr soll er sechs Kinder gehabt haben, die er alle nach der Geburt tötete. Als er der Frau einen Ausflug nach Bernkastel-Kues gestattete, hat sie die Gelegenheit genutzt, ihren Peiniger ans Messer zu liefern. 30 bewaffnete Männer sollen Gniperdoliga überwältigt haben. In Bernkastel-Kues ist ihm laut Flugschrift auch der Prozess gemacht worden.
Die riesige Zahl der Toten, die auf sein Konto gingen, habe Gniperdoliga, der auch den Namen Groperunge getragen haben soll, selbst preisgegeben. Er soll ein Mordregister geführt haben, in dem er jedes Opfer und seine Beute aufgeführt habe. In Gniperdoligas Versteck seien 70.000 Gulden gefunden worden.
Der Mythos des Killers aus Kerpen lebt jedenfalls weiter. Das Buch „Der Teufel vom Hunsrück“ von Ursula Neeb, in dem Christman Gniperdoliga wieder auf Opferjagd geht, erscheint am 15. Januar 2016 im Ullstein-Verlag.