„Mache mir Sorgen“Kerpens Bürgermeister Spürck im Interview zu Wirtschaft und Klimaschutz

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Kerpens Bürgermeister Dieter Spürck

Dieter Spürck hofft auf Entlastung, sobald er das Dezernat II an einen neuen Beigeordneten abgeben kann.

Spürck sprach im Interview über die Fortschritte in seiner aktuellen Amtszeit, steigende Kosten für Bauprojekte und den Strukturwandel.

Seit 2015 ist der CDU-Politiker Dieter Spürck Bürgermeister der Kolpingstadt Kerpen. 2020 setzte er sich in einer Stichwahl knapp gegen seinen Konkurrenten Andreas Lipp von der SPD durch. Mit Marco Führer hat Spürck über die Fortschritte in seiner aktuellen Amtszeit, steigende Kosten für Bauprojekte und den Strukturwandel gesprochen, der Kerpen für Jahre prägen wird.

Herr Spürck, bei der Bürgermeisterwahl 2020 sind Sie mit dem Anspruch angetreten, Kerpen ökologisch nach vorne zu bringen. Was hat sich seitdem getan?

Spürck: Abgeschlossen sind zum Beispiel eine Klimakampagne zum Thema Solar und ein energetisches Quartierskonzept. Wir haben einen Klima-Check für alle Beschlussvorlagen eingeführt und den Bereich Klimaschutz auf fünf Mitarbeiter aufgestockt. Ein kontinuierlicher Prozess ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien, unter anderem von Solarenergie und klimafreundlicher Mobilität. Mit Dachbegrünung, dem Totholz- und dem Wegrainprojekt geben wir der Natur mehr Raum.

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Was ist noch geplant?

Nicht überall, wo wir sie gerne hätten, gibt es Ladesäulen. Da sind wir aktuell im Gespräch mit Grundstückseigentümern und den Stadtwerken, um die Ladeinfrastruktur weiter ausbauen zu können. Mit der Hochschule Köln arbeitet die Stadt an einem Klimafolgenanpassungskonzept. Wir müssen nicht nur Klima und Umwelt schützen, sondern auch einer sich aufheizenden Stadt entgegenwirken.

Welche Fortschritte gibt es beim Entwicklungskonzept Maastrichter Straße und dem Neubau der Europaschule?

Grüne Spange, die Brücke über den Neffelbach, das Begegnungszentrum – wir haben mit allem begonnen, aber die Kosten sind erheblich gestiegen. Bauen hat sich exponentiell verteuert. Vor allem im Bildungsbereich trifft uns das extrem, bei der Europaschule etwa. Viele Wohnungsbauer und Investoren sind auf die Bremse getreten. Das ist eine Entwicklung, die mir Sorgen macht. Das Begegnungszentrum wollen wir trotzdem im Juli oder im August fertigstellen.

Gibt es Ideen, um die steigenden Baukosten abzufedern?

Beim ISEK (Innenstadtentwicklungskonzept) sind die Kosten nicht so dramatisch, weil Fördergeld fließt. Was mir Sorgenfalten auf die Stirn treibt, sind die Großprojekte im Bildungsbereich. Hier gibt es einen Investitionsstau, der auf Kostensteigerungen und Fachkräftemangel trifft. Und wenn ich mir die Europaschule herauspicke, gehen wir bisher von den doppelten Kosten aus – also 160 statt 80 Millionen. Die sind nur dann realistisch, wenn wir zeitnah bauen. Wir werden einige Dinge neu denken und anders angehen müssen. Das bedarf aber politischer Beschlüsse, denen ich hier nicht vorgreifen will.

Gerade haben Sie mit der Verkleinerung eines Dezernats eine Verwaltungsreform auf den Weg gebracht. Sind Sie zufrieden?

Ja. Ich bin froh, dass wir dieses Riesendezernat aufspalten und so die Verwaltung stabilisieren – auch mit Blick auf die Ausfälle im Rechtsamt und das belastete Ordnungsamt. Wir erhöhen zudem die Chancen, nach vierjähriger Vakanz einen Beigeordneten zu bekommen. Seit über vier Jahren leite ich das Dezernat II mit rund 525 Mitarbeitenden kommissarisch – neben meiner Tätigkeit als Bürgermeister. Die Belegschaft und ich freuen uns uns, das Fehlen eines Beigeordneten endlich beheben zu können.

Stichwort Strukturwandel. Welche Standortvorteile hat Kerpen bereits, um auf den Strukturwandel zu reagieren?

Ein Standortvorteil ist ganz klar unser Branchenmix, die Verkehrsanbindung an die Autobahnen und das Bahnnetz. Wir haben brummende Gewerbegebiete, die gute Gewerbesteuer und vor allem Arbeitsplätze bringen. Eigentlich bräuchten wir aber mehr Platz, um die Arbeitsplätze auszugleichen, die durch den Strukturwandel wegfallen. Das geht allen Anrainerkommunen so. Gerade mit Blick auf Flächenversiegelungen muss das aber mit Interessen des Natur- und Klimaschutzes abgewogen werden.

Und was fehlt noch?

Wir müssen Arbeitsplätze schaffen und wir brauchen Planungssicherheit. Das geht meiner Meinung nach am besten, wenn das Fördermittelwesen vereinfacht wird. Wichtig ist, dass wir keinen interkommunalen Wettlauf aus dem Strukturwandel machen.

Deswegen bin ich sehr glücklich, dass sich Kerpen unter anderem in der Neuland GmbH engagiert. Strukturwandel gelingt nur gemeinsam. Es hat nicht der Erfolg, der am lautesten schreit, sondern der, der kooperiert.

Was kommt auf die Stadt Kerpen in den nächsten Jahren zu?

Alles hängt miteinander zusammen. Viele Menschen sorgen sich, wie es finanziell oder mit dem Klima weitergeht, ob wir den Frieden erhalten können. Für die Krisen wird viel Geld verbraucht. Kerpen ist stark von der Gewerbesteuer abhängig. Wir können nicht immer das Schönste, Größte und Beste auswählen, wenn wir für die nächsten Generationen handlungsfähig bleiben wollen. Die Stadt ist gefordert, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern. Wir alle müssen Rücksicht nehmen – wie in einer großen Familie.

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