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NotrufeEin Blick hinter Kulissen der Leitstelle der Rettungsdienste in Rhein-Erft

Lesezeit 4 Minuten

Etwa eine Million Anrufe mussten die Mitarbeiter der Kreisleitstelle des Rettungsdienstes im Rhein-Erft-Kreis seit 2005 verarbeiten.

Rhein-Erft-Kreis – Wenn Roland Stahlke telefoniert, geht es oft um Leben und Tod. Stahlke ist Disponent der Leitstelle des Rettungsdienstes des Rhein-Erft-Kreises und nimmt dort die Notrufe entgegen.

Etwa eine Million Notrufe sind seit Inbetriebnahme der Leitstelle im Jahr 2005 eingegangen. Bis dahin liefen die Telefonate bei den einzelnen Feuerwachen der Kommunen auf. Fast jede Stadt musste damals nicht nur die notwendige Technik, sondern auch das entsprechende Personal vorhalten. Das war auf Dauer zu teuer.

Mit der Zentralisierung der Kreisleitstelle in einem Neubau, der an das Gebäude der Wache Kerpen grenzt, war das Ende der Leitstellen in den einzelnen Städten besiegelt. Für den zuständigen Dezernenten des Rhein-Erft-Kreises, Martin Schmitz, war das aus heutiger Sicht die richtige Entscheidung.

Bei Großeinsätzen bewährt

Bei großen, ganz unterschiedlichen Einsätzen habe sich die zentrale Leitstelle bewährt. Die Beamten erinnern sich dabei an das Busunglück der Schulklasse aus England, die auf dem Weg zum Skifahren nach Österreich war und in Höhe von Kerpen-Buir verunglückte. Dabei starben ein Busfahrer und ein Schüler, 27 weitere Jugendliche wurden verletzt. Oder an den Großbrand im Kraftwerk Niederaußem im Juni 2006, den Sturm Kyrill im darauffolgendem Jahr oder den Hauseinsturz in Brühl, bei dem 2010 drei Menschen starben. Damals musste die Leitstelle 201 Einsatzkräfte und 66 Fahrzeuge koordinieren.

Derzeit gehören etwa 30 Mitarbeiter zur Leitstelle, die von André Haupts geleitet werden und in 24-Stunden-Schichten arbeiten. An normalen Tagen sind drei Plätze auf der Leitstelle besetzt. Bei Unwettern, Großbränden oder Gefahrstoffunfällen wird die Standardbesetzung ergänzt, um die steigende Zahl der Notrufe zu bearbeiten. Haupts: „Wir können innerhalb von wenigen Minuten mit Personal von der Feuerwache Kerpen die 13 vorhandenen Anrufplätze auf der Leitstelle besetzen.“

Etwa 100 000 Notrufe jährlich nehmen die Disponenten entgegen. Zwischen 250 und 300 Anrufe kommen täglich an. Die Disponenten am Telefon koordinieren nicht nur die Fahrzeuge der Feuerwehr und des Rettungsdienstes zur Einsatzstelle, sie helfen auch den Anrufern. Dienstgruppenleiter Arno Wendlandt: „Das Personal ist so geschult, dass es den Anrufern zum Beispiel Anleitungen zur Ersten Hilfe geben kann.“ Haupts ergänzt: „Die Mitarbeiter der Leitstelle werden regelmäßig im Einsatzdienst eingesetzt, damit sie die Praxis nicht verlernen. Das hilft dann auch am Telefon, die Zeit bis zum Eintreffen der Rettungskräfte sinnvoll zu überbrücken.“

Oft haben es die Mitarbeiter der Leitstelle mit Ausländern zu tun, die meist auf der Autobahn unterwegs sind und kaum Deutsch können. Englisch sprechen nahezu alle Disponenten. Das hilft in vielen Fällen weiter. Wenn ein Franzose, Belgier, Luxemburger oder Niederländer anruft und eine Verständigung unmöglich ist, wird in kürzester Zeit eine Dreierkonferenz zur Leitstelle nach Lüttich hergestellt. Die Kollegen dort können dann übersetzen. Ansonsten muss improvisiert werden. „Kürzlich ging ein Notruf eines polnisch sprechenden Mannes ein. Da war die Putzfrau gerade hier und konnte übersetzen“, erzählt ein Mitarbeiter.

Der Betrieb der Kreisleitstelle kostet jährlich etwa 2,5 Millionen Euro. 70 Prozent entfallen davon auf den Rettungsdienst und werden so von den Krankenkassen übernommen.

Indes geht die technische Weiterentwicklung in der Leitstelle mit großen Schritten voran. Der Digitalfunk wurde integriert. Dazu mussten alle Einsatzleitplätze und Fahrzeuge umgerüstet werden.

Während alle Rettungswagen inzwischen mit der neuen Technik ausgestattet sind, stehen noch einige wenige Feuerwehrfahrzeuge vor der Umstellung. Angeschafft wurden die Funkgeräte über eine Einkaufsgemeinschaft, die sich aus den zehn Städten des Rhein-Erft-Kreises, den Hilfsorganisationen und teilweise der Werkfeuerwehren zusammensetzte. 750 Handfunkgeräte auf digitaler Basis sind bereits gekauft und verteilt, viele der 375 Feuerwehrfahrzeuge schon umgerüstet. Ebenso ein Großteil der 100 Einsatzfahrzeuge der Hilfsorganisationen.

Abhörsicher

Alle 40 Rettungswagen und zehn Notarztfahrzeuge funken schon seit etwa einem Jahr nicht mehr auf analoger Basis. Ein Vorteil ist, dass die Funkgespräche nicht mehr abgehört werden können. Des Weiteren können bei großen Einsätzen problemlos Gruppen gebildet werden, damit nicht zu viele Einsatzkräfte gleichzeitig sprechen. „Bei Einsätzen im Hambacher Forst hat sich diese Technik schon bewährt, ebenso bei Unwettern. Da war jede Stadt eine eigene Gruppe“, so Haupts und Kreisbrandmeister Hans-Peter Brandenberg übereinstimmend.

Die bisherige Investition in den Digitalfunk beträgt laut Schmitz etwa 1,5 Millionen Euro. Zusätzlich mussten etwa 350 000 Euro in neue notwendige Leitstellen-Technik gesteckt werden. Bis 2018 soll die Umrüstung und die Einweisung der etwa 2000 freiwilligen Feuerwehrhelfern und 500 hauptamtlichen Kräften abgeschlossen sein.