Polizeichef aus Rhein-Erft im Interview„Kein Verständnis“ für ungeimpfte Kollegen

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Die Polizei im Einsatz auf der Bundesstraße 265 bei Erftstadt-Blessem nach der Flutwelle im Juli.

Die Polizei im Einsatz auf der Bundesstraße 265 bei Erftstadt-Blessem nach der Flutwelle im Juli.

Rhein-Erft-Kreis – Die Polizei im Rhein-Erft-Kreis blickt auf ein intensives Jahr 2021 zurück, welches nicht nur von der Pandemie geprägt war. Auch die Flutkatastrophe in Erftstadt und in anderen Kommunen sorgte für arbeitsaufwendige Tage bei der Polizei im ganzen Kreisgebiet. Wir sprachen mit Polizeichef Roland Küpper über das vergangene Jahr.

Herr Küpper, das Jahr 2021 war für die Polizei im Kreis ein Jahr der Herausforderungen. Was hat dominiert, die Flutkatastrophe oder die Pandemie?

Küpper: Beide Ereignisse haben für die Menschen im Rhein-Erft-Kreis und natürlich auch für die Polizei weitreichende Auswirkungen und damit haben sie auch eine Gemeinsamkeit. In der Einsatzbewältigung sind sie aber nicht vergleichbar. Was die Pandemie betrifft, haben wir sehr zügig in unseren internen Abläufen und auch im Außeneinsatz die notwendigen Maßnahmen eingeführt und sind dabei im Kollegenkreis und auch bei den Bürgerinnen und Bürgern auf großes Verständnis getroffen. Die Flutkatastrophe hat vielen Privatleuten und auch Firmen schier die Existenzgrundlage genommen. Wir als Polizei haben alles daran gesetzt, die Rettungskräfte und Hilfsdienste zu unterstützen. Mit Feuerwehrleuten und Angehörigen der Hilfsdienste waren Polizistinnen und Polizisten für mehrere Wochen im Dauereinsatz. Das hat Kraft gekostet, sich aber gelohnt. Ich bin immer noch sehr dankbar, dass niemand im Kreis direkt durch das Hochwasser das Leben verloren hat.

Wie haben Sie aus polizeilicher Sicht die Flutkatastrophe erlebt? Wo lag die größte Schwierigkeit und was hat Sie am positivsten überrascht?

Dieses Jahrhunderthochwasser war für uns als Polizei natürlich kein planbarer Einsatz. Wir mussten unsere Maßnahmen immer wieder an die aktuelle Hochwasserlage und die sich verändernden Einsatzsituationen anpassen. Die Polizei verfügt für solche Großlagen über vorgeplante Organisationsformen, die eine größtmögliche Flexibilität und Kräftekoordination zulassen. Aber ehrlich gesagt, hatte dieser Einsatz schnell eine Komplexität und ein Ausmaß erreicht, die uns an die Leistungsgrenze gebracht haben. Wir haben diesen Einsatz nur so effizient stemmen können, weil die Einsatzbereitschaft meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so enorm war. Es hat mich tief beeindruckt, das Kolleginnen und Kollegen über mehrere Wochen Zusatzschichten gestemmt haben, obwohl viele von ihnen auch privat vom Hochwasser betroffen waren. Toll war es auch zu spüren, dass die Polizistinnen und Polizisten teilweise nach ihrer Arbeit noch bei Kollegen, Freunden oder Nachbarn angepackt haben. Die Einsatz- und Spendenbereitschaft meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfüllt mich mit Stolz.

Zur Person

Roland Küpper ist seit 1. August 2015 Leitender Polizeidirektor bei der Polizei im Rhein-Erft-Kreis und damit ranghöchster Polizeibeamter. Er ist seit 1981 im Polizeidienst, versah überwiegend Dienst beim Polizeipräsidium Köln und im Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW. Küpper ist 59 Jahre, verheiratet und wohnt im Rhein-Sieg-Kreis.

Wie hat die Pandemie die Arbeit ihrer Beamten verändert?

Die Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen aus dem Bereich der Hygiene hatten umfangreiche Anpassungen im Einsatz und auch im internen Umgang zur Folge. Natürlich mussten wir auch im Hinblick auf die Begegnung mit den Menschen im polizeilichen Alltag etwas auf Abstand gehen. Die Polizei hat ein Stück weit ihr Gesicht verändert. Damit meine ich nicht nur, dass auch wir privat und im Dienst Masken tragen. Es gibt jetzt zum Beispiel auch auf Polizeiwachen und in unseren Büros Plexiglasscheiben, um den Infektionsschutz zu gewährleisten. Auch wenn uns diese aufgezwungene Distanz etwas schmerzt, das und alle anderen Maßnahmen sind unverzichtbar, um ein Ansteckungsrisiko zu minimieren.

Während einige Beamte ihren Dienst von zu Hause aus machen konnten, ist das im Wach- und Wechseldienst nicht möglich. Haben Sie verstärkt Corona-Fälle verzeichnet? Und wie wird dem entgegengesteuert?

Wir haben umgehend Maßnahmen getroffen, um uns bestmöglich vor einer Infektion zu schützen. Dazu gehören die üblichen Regeln, wie zum Beispiel Abstand halten, die Beachtung der Hygieneregeln und das Tragen der Alltagsmaske. Auch regelmäßige Selbsttests gehören bei uns in allen Direktionen zur gängigen Praxis. Dazu kommt, dass wir bei der Polizei im Rhein-Erft-Kreis eine sehr hohe Impfbereitschaft haben. Wir sind bei über 93 Prozent Geimpften beziehungsweise Geboosterten. Das ist für uns immens wichtig, weil wir damit uns selber schützen und diesen Schutz auch im Außeneinsatz für die Bürgerinnen und Bürger gewährleisten. All diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass wir bisher vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen sind. Klar hatten wir auch einige Kolleginnen und Kollegen, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben. Bislang sind aber alle wieder genesen oder befinden sich auf dem Weg der Besserung. In der gesamten Pandemie kam es nie zu einem Moment, in dem die Einsatzbereitschaft der Polizei in irgendeiner Weise eingeschränkt gewesen wäre.

Was sagen Sie einem Polizeibeamten, der sich nicht impfen lassen will?

Ich habe kein Verständnis dafür, wenn gesunde Menschen, bei denen es aus medizinischer Sicht keine Vorbehalte gibt, das Impfangebot ablehnen. Das sehe ich insbesondere bei uns Polizistinnen und Polizisten so. Wir haben Kontakt zu vielen Menschen und sind in unserem Amt Garant für Sicherheit. Die Bürgerinnen und Bürger verlassen sich zu Recht auf uns und unsere Professionalität. Und dazu gehört auch der effektive Gesundheitsschutz. Für die wenigen meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die noch nicht geimpft sind, haben wir Sonderregelungen vereinbart, so sollen sie nicht in Bereichen eingesetzt werden, in denen beispielsweise eine 2G-Regel gilt. Es darf einfach nicht sein, dass eine Polizistin oder ein Polizist das Virus zum Beispiel in ein Seniorenheim trägt und dadurch Menschen schwer beeinträchtigt werden.

Ist die Anzahl der Straftaten durch Corona gesunken? Oder sorgt die Pandemie für neue Herausforderungen?

In einigen Deliktbereichen ist die Zahl der Straftaten tatsächlich teilweise sogar stark gesunken. Das ist zum Beispiel bei den Einbruchsdelikten so. Einbrecher müssen momentan davon ausgehen, dass viele Menschen im Homeoffice arbeiten und daher tagsüber zu Hause sind. Aber auch auf den Straßen war weniger los. Das hat sich auf die Unfallzahlen ausgewirkt. Natürlich bringt eine Pandemie auch immer wieder Straftäter auf neue Ideen. Taschendiebe haben derzeit weniger gute Gelegenheiten, da es keine Volksfeste gibt und im öffentlichen Leben einfach weniger los ist. Zudem haben die Bürgerinnen und Bürger sich an Abstand gewöhnt. Viele empfinden jetzt schneller das Gefühl einer Distanzunterschreitung, und das macht Dieben das Leben schwer. Auf der anderen Seite bestellen viele Menschen derzeit Produkte im Internet und sind im Netz auf der Suche nach einem Schnäppchen. Hier tummeln sich jetzt Betrügerinnen und Betrüger, die zum Beispiel Fakeshops betreiben und nach erfolgter Bezahlung die Waren nicht liefern.

Man hört man vermehrt davon, dass Menschen gefälschte Impfpässe vorlegen. Welche Erfahrung haben Ihre Beamten mit radikalen Impfgegner im Kreis gemacht?

Es kommt tatsächlich immer wieder vor, dass wir alarmiert werden, weil Menschen zum Beispiel bei ihrem Arbeitgeber gefälschte Testnachweise vorlegen. Häufig versuchen Ungeimpfte auch, mit gefälschten Impfausweisen zum Beispiel in Apotheken den digitalen Impfnachweis zu bekommen. Dieses Vorgehen schränkt nicht nur den Gesundheitsschutz ein, sondern begründet regelmäßig den Anfangsverdacht einer Straftat. Polizistinnen und Polizisten werden dann Personalien feststellen, Beweismittel sicherstellen und eine Strafanzeige schreiben.

Schon jetzt ist klar, dass wir uns mit diesen Phänomenen noch etwas länger beschäftigen werden. Deshalb habe ich mit Landrat Frank Rock abgestimmt, dass diese Delikte in die strategischen Behördenziele aufgenommen werden. Wir müssen und werden effektiv arbeiten, um hier auch weiterhin sicher vor der Lage zu bleiben.

Der Rhein-Erft-Kreis ist eine von zwei fünf Behörden im Land, die das DEIG (Distanzelektroimpulsgerät) seit knapp einen Jahr testen. Ist die Waffe schon zum Einsatz gekommen und wie sind die Erfahrungen der Beamten?

In einigen Einsatzsituationen mussten Polizistinnen und Polizisten das DEIG bereits einsetzen. Das Gerät ist effizient, effektiv und ergänzt die von der Landesregierung deutlich verbesserte Ausstattung der Polizistinnen und Polizisten auf wertvolle Weise. Unsere durchweg positiven Erfahrungen melden wir fortlaufend an die Projektgruppe beziehungsweise das Innenministerium.

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