„Die Praxis war mein Leben“Pulheimer Tierärztin geht voller Trauer in den Ruhestand

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Das Foto zeigt die Tierärztin. Sie hält ein Stethoskop in der Hand, um Hündin Lizzy Impfung zu untersuchen. Ihre Besitzerin hat sie auf dem Arm.

Ulrike Goldbeck an einem ihrer letzten Arbeitstage mit Sabine Pöppel und deren Parsson-Russel-Terrier-Hündin Lizzy, die vor einer Impfung untersucht werden musste.

Dr. Ulrike Goldbeck hat ihre Praxis aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Ihre letzten Arbeitstage beschreibt sie als herzergreifend.

Die Stimme von Dr. Ulrike Goldbeck klingt traurig. „Es ist ein Riesenloch, in das ich reinfalle.“ Anfang Oktober ist die Pulheimer Tierärztin in den Ruhestand gegangen. Schweren Herzens und aus gesundheitlichen Gründen, wie sie sagt. „Es geht mir schlecht. Ich vermisse das alles. Die Tiere, die Praxis, die Leute. Ich fühle mich wie amputiert. Die Praxis war mein Leben.“

Um Abstand zu gewinnen, habe sie sich nach ihrem letzten Arbeitstag gleich ins Auto gesetzt und sei für ein paar Tage zu ihrer Tochter gefahren. Jetzt ist sie wieder zurück in Pulheim. Die letzten Arbeitstage in ihrer Praxis an der Johannisstraße 70 beschreibt Ulrike Goldbeck als herzergreifend und berührend.

An Silvester operierte sie im Abendkleid noch ein Schwein
Aus der E-Mail einer Tierhalterin an die Redaktion

„Ich habe Bilder und Geschenke und unendlich viele Blumen bekommen. Am schönsten sind die vielen Briefe, in denen die Besitzerinnen und Besitzer der Tiere ihre Dankbarkeit ausdrücken, dass ich immer da war, nachts, an Sonn- und Feiertagen. Das ist jetzt so richtig rausgekommen.“ Das gilt auch für die E-Mails, die die Redaktion erreicht haben.

Ulrike Goldbeck sei eine Tierärztin mit Leib und Seele, sie sei ein Glücksfall für Pulheim und Umgebung gewesen, heißt es da. Ihrem Hund habe Ulrike Goldbeck geholfen, obwohl sie auf dem Sprung ins Theater gewesen sei, schreibt eine Tierhalterin. Und: „An Silvester operierte sie im Abendkleid noch ein Schwein.“ Ulrike Goldbeck sei eine Institution gewesen.

Für die gebürtige Kölnerin stand von klein auf, dass sie Tiermedizin studieren wollte

Silvester im Stall zu stehen, sei gar nicht so ungewöhnlich gewesen, sagt Ulrike Goldbeck. „Ich war das gewöhnt aus der Großtierpraxis in Hückelhoven, da kennt man das nicht anders.“ Der Bauer habe sich bei ihr gemeldet und gesagt, er hätte eine Geburt und es ginge nicht weiter. Den Kaiserschnitt habe sie nun mal nicht verschieben können, Abendkleid hin oder her.

Schon von klein auf stand für die gebürtige Kölnerin fest, dass sie Tiermedizin studieren wollte. „Bei mir gab es nur Tiere. Aus Hartgummi und Stofftiere. Ich hatte eine große Sammlung“, sagt sie. Nach dem Abitur kam die Überraschung. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich einen Numerus clausus brauche. Das war mir entgangen.“

Wäre es nach ihrem Vater gegangen, hätte sie Humanmedizin oder Jura studieren sollen. „Humanmedizin ist nicht meins. Das habe ich in einem Praktikum in einem Krankenhaus festgestellt.“ Ihre Mutter, „eine ganz Liebe“, habe sie unterstützt und ihr einen Studienplatz in Wien besorgt. Dort eingeschrieben habe sie sich aber nicht.

Tierärztin ist der schönste Beruf der Welt
Ulrike Goldbeck, Tierärztin

„Ich hatte zwischenzeitlich einen Studienplatz in Hannover bekommen, wo ich mich dann doch beworben hatte.“ Es seien schöne Jahre gewesen in Hannover. Sie habe viele Freundschaften geschlossen, die heute noch bestünden. „Und mir ist sehr schnell bewusst geworden, dass Tiermedizin meine Berufung ist. Ich liebe Tiere über alles, sie sind ehrlich, sie zeigen ganz offen, ob sie jemanden mögen oder nicht.“

Tierärztin ist für Ulrike Goldbeck der schönste Beruf der Welt. „Man macht alles. Augen, Zähne, Gynäkologie, innere Chirurgie, aber auch Ernährungsberatung und Verhaltenstherapie.“ Nach dem Studium arbeitete die Wahl-Pulheimerin zunächst in einer Großtierpraxis in Hückelhoven, später dann in einer Kleintierpraxis in Düsseldorf.

„Abends bin ich dann noch nach Hückelhoven gefahren und habe dort mitgeholfen.“ 1980 hat sie ihre eigene Praxis in Pulheim eröffnet, zunächst an der Venloer Straße, wo sich heute die Gaststätte „En d'r Pump“ befindet. Später ist sie in den Pfarrsaal an der Hackenbroicher Straße umgezogen, die Praxis an der Johannisstraße eröffnete sie 1992.

Investoren besetzen den Markt

Neben ihrem Job engagierte sich Ulrike Goldbeck im Dormagener Tierheim, das sie mitgegründet hat, für Zirkustiere, arbeitete als Urlaubsvertretung für Olaf Behlert, den Tierarzt des Kölner Zoos, und hat jahrelang jeden Freitag in der Fernsehsendung WWF-Club eine Tiersprechstunde gehalten.

In einigen Momenten war der Traumberuf jedoch auch belastend. „Es ist eine hohe Verantwortung. Oft habe ich nachts wach gelegen und mich gefragt, ob es richtig war, was ich gemacht hatte und was ich noch tun könnte, um ein Tier zu retten. Das ist nur mit einem guten Netzwerk auszuhalten.“

Ursprünglich hatte die Tiermedizinerin vor, ihre Praxis zu verkaufen. Doch die Pläne haben sich zerschlagen. „Eine Tierarztpraxis zu verkaufen ist nicht mehr möglich, weil Investoren den Markt besetzen.“ Man werde dann als Geschäftsführerin oder Geschäftsführer für mindestens drei Jahre in der eigenen Praxis angestellt und bekomme ein Gehalt.

„Man hat dann wenige Freiheiten, es wird vorgeschrieben, welche Medikamente man verwenden muss. Ich hätte gesundheitlich aber keine weiteren drei Jahre ausgehalten.“ Daher habe sie die Praxis an eine Tierärztin und einen Tierarzt vermietet. „Sie übernehmen auch meine drei Mitarbeiterinnen.“

Ein Hobby hat Ulrike Goldbeck nicht, was sie heute bedauert. Aber konkrete Pläne für die Zukunft hat sie durchaus. „Sobald es meine Gesundheit erlaubt, möchte ich in Südeuropa im Tierschutz arbeiten, vor Ort.“

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