AOK-Bericht20 Prozent der Senioren in Rhein-Erft erhalten ungeeignete Medikamente

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Die AOK weist in ihrem aktuellen Gesundheitsreport auf Risiken von Nebenwirkungen bei Medikamenten hin.

Die AOK weist in ihrem aktuellen Gesundheitsreport auf Risiken von Nebenwirkungen bei Medikamenten hin.

Rhein-Erft-Kreis – Sollte ich meine Medikamente und meine Verschreibungen hin und wieder überprüfen, wenn ich täglich mehrere unterschiedliche Arzneien einnehme? Auf jeden Fall, sagt die AOK Rheinland/Hamburg. Denn wenn die Patientinnen und Patienten mitdächten, könnten Verschreibungen von Medikamenten, die sich vielleicht nicht gut miteinander vertragen, möglicherweise verhindert werden. Auch darauf will die AOK mit ihrem Gesundheitsreport 2022 aufmerksam machen.

Die Krankenversicherung präsentiert vorrangig Daten und Zahlen zur Gesundheits- und Versorgungssituation. Im ersten Beitrag dieser Zeitung über den Gesundheitsreport standen Fakten zu „Polypharmazie“ im Fokus – gemeint ist die tägliche Einnahme von fünf oder mehr Medikamenten.

AOK warnt vor möglicherweise gefährlichen Wechselwirkungen

Rund 44 Prozent der Versicherten im Kreis nehmen laut Sandra Sändker, Leiterin für Regionales Gesundheitsmanagement in der Regionaldirektion bei der AOK, demnach mehr als fünf unterschiedliche Medikamente ein. Das sei ein relativ hoher Wert.

Die Methode

Regelmäßig erstellt die AOK Rheinland/Hamburg Gesundheitsreporte. 2016 ging es um Diabetes, 2020 um die Notfallversorgung und 2021 um chronische Schmerzen. In diesem Jahr steht die Gesundheits- und Versorgungssituation der Bürgerinnen und Bürger im Blickpunkt.

Die AOK-Experten betonen, dass der Report lediglich eine Darstellung der Datenanalyse sei, die anhand der Versichertendaten erstellt worden sei. Interpretiert worden seien diese Daten nicht. Außerdem sei wichtig, dass in einigen Auswertungen die Pandemiejahre 2020 und 2021 bewusst ausgeklammert wurden und stattdessen die Jahre 2017 bis 2019 zur Erfassung genutzt wurden. „Diese Jahre ergeben einen besseren Vergleichswert“, sagt Roland Schrey von der AOK.

Bei der Erstellung des Reports arbeitete die AOK größtenteils mit den Routinedaten der Versicherten. Da die AOK als Versicherung im Rheinland einen Marktanteil von 25 bis 30 Prozent habe, entstehe durch diese Datenerhebung eine gewisse Aussagekraft für die Region, jedoch seien die Befunde nicht repräsentativ. Für die Auswertungen im Kreis wurden Pulheim und Frechen sowie Bedburg und Elsdorf zusammengefasst, dort gab es nicht ausreichend viele Mindestfallzahlen. Eine Differenzierung der Ergebnisse konnte also nur in den Städten erfolgen, in denen genug Fälle vorlagen. (at) 

„Polypharmazie begünstigt weitere Probleme“, sagt Sändker. Der Gesundheitsreport gibt an, dass im Kreis 5,2 Prozent der Versicherten über 65 Jahre Arzneimittelkombinationen einnehmen, von denen bekannt ist, dass es „potenziell schwerwiegende Interaktionen“ geben könnte, sprich Wechsel- oder Nebenwirkungen, die gefährlich werden könnten. Damit liegt der Kreis deutlich über dem überregionalen Durchschnittswert der Jahre 2017 bis 2019 für Rheinland/Hamburg von 4,5 Prozent.

Alternative Therapiemöglichkeiten überprüfen

Laut AOK kann es vorkommen, dass ein Medikament die Wirkung eines anderen einschränkt. Wechselwirkungen könnten sogar zu „vermeidbaren Krankenhausaufenthalten“ führen, im schlimmsten Fall lebensgefährlich sein.

Daher sollte laut Aussagen der AOK-Experten Sändker und Roland Schrey immer überprüft werden, welche Kombinationen verschrieben werden und ob es alternative Therapiemöglichkeiten gibt.

Der Anteil der potenziell ungeeigneten Medikamente ist in Hürth am höchsten

Der Anteil der Versicherten, die eine solche Medikamentenkombination verordnet bekommen haben, ist in Hürth am höchsten, er liegt bei acht Prozent. Am zweithöchsten ist der Anteil in Brühl mit 6,2 Prozent. Die übrigen Kommunen pendeln sich zwischen vier und fünf Prozent ein. Am niedrigsten ist der Anteil in Kerpen mit 3,4 Prozent.

Höher sei allerdings die Zahl derer, die über 65 seien und Medikamente einnähmen, die für ältere Menschen eher ungeeignet seien, sagt Sändker. Im Rhein-Erft erhielten 20,2 Prozent dieser Gruppe mindestens einmal im Jahr ein Arzneimittel, das beispielsweise das Risiko zu stürzen erhöhen könne. „Das Medikament kann zum Beispiel Müdigkeit, Verwirrung oder Erschöpfung verursachen und so vor allem ältere Menschen beeinträchtigen.“

Solche Arzneien, die für ältere Menschen nicht gut geeignet seien, würden in der sogenannten Priscus-Liste erfasst, heißt es im AOK-Report. Das sei eine Aufstellung von ebenjenen für ältere Menschen „potenziell ungeeigneten Medikamenten“, die speziell für den deutschen Markt erarbeitet worden sei. Die Liste enthalte Wirkstoffe, die in Deutschland verhältnismäßig häufig verordnet würden.

In künftigen Beiträgen wird diese Zeitung weitere Ergebnisse des AOK-Gesundheitsreports präsentieren, unter anderem zu Antibiotikaresistenzen und Thrombose-Risiken bei Anti-Baby-Pillen.

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