Uwe Schölmerich kennt sich als ehemaliger Forstamtsleiter bestens mit den Wäldern der Gegend aus. Sie haben ein Geflecht von Problemen.
Ehemaliger Forstamtleiter„Der Wald in Rhein-Erft hat ein historisches Problem“

Uwe Schölmerich beobachtete die Wälder der Gegend Jahrzehnte lang als Forstamtsleiter Rhein-Sieg-Erft.
Copyright: Uwe Schölmerich
Forstwirt Uwe Schölmerich war über Jahrzehnte Forstamtsleiter Rhein-Sieg-Erft, lehrte an der Universität Bonn zu Waldbau und Forstwirtschaft und war Vorsitzender der NRW-Landesgruppe der Arbeitsgemeinschaft naturgemäße Waldwirtschaft. Im Gespräch gibt er Auskunft darüber, wie es um die Wälder im Rhein-Erft-Kreis steht und wieso er es für nötig hält, Bäume anzusiedeln, die hier nicht heimisch sind.
Wie geht es dem Wald im Rhein-Erft-Kreis?
Uwe Schölmerich: Der Wald im Rhein-Erft-Kreis hat ein historisches Problem. Die Böden hier sind sehr gut, und die Landwirtschaft hat die meisten Flächen schon vor Hunderten von Jahren in Acker umgewandelt. Da sind nur noch wenige Flächen übrig, und die sind meistens, sofern nicht der Bergbau zugegriffen hat, staunass. Das heißt, diese Böden sind im Winter sehr nass, aber sie trocknen im Sommer dann auch sehr schnell aus. Und sie sind gerade bei Extremwetterlagen und Dürre besonders empfindlich. Deswegen sind zum Beispiel die alten Buchen in der Naturwaldzelle „Altwald Ville“ am Bliesheimer Feld ungefähr zu einem Drittel abgestorben, obwohl sie eigentlich die klassische Baumart für unsere Gegend sind.
Gibt es auch gute Nachrichten für den Kreis?
Wir haben viel rekultivierten Wald, und der ist in den meisten Flächen sehr vielfältig. Wir haben so gut wie keine Fichtenmonokulturen, deswegen sind wir von dieser Fichtenkalamität der letzten sechs Jahre kaum betroffen. Und der Wald ist, weil er rekultiviert ist, auch überwiegend jung. Es gibt kaum Bäume, die über 100 Jahre alt sind. Die meisten sind so 30, 40, 50 Jahre alt. Diese jüngeren Bäume sind gegenüber Umwelteinflüssen etwas weniger sensibel als die alten. Das ist wiederum ein Vorteil.

Der ehemalige Forstamtsleiter Uwe Schölmerich sorgte für die Zusammenstellung von typischen heimischen Baumarten und auch wahren Exoten.
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Warum halten die U-60-Bäume das besser aus?
Das hängt wahrscheinlich mit der Höhe zusammen. Je höher der Baum ist, desto schwerer ist es für ihn, das Wasser nach oben zu ziehen, und desto eher gibt es bei Wassermangel eine Embolie. Das heißt, da geht Luft in die Gefäße, was den Wasserfluss nach oben unterbricht. So stirbt der obere Teil ab. Gerade bei der Buche ist das so. Allgemein sind junge Organismen, das kennt man aus der Biologie, in einem besseren Gesundheitszustand. Es gibt aber ein weiteres Problem.
Welches?
In der Erftaue haben wir etwa seit 1994 Erstaufforstungen gemacht, und da haben wir seinerzeit sehr viele Eschen gepflanzt, weil die in die Auen gehören. Und dann kam irgendwann das Falsche Weiße Stängelbecherchen, ein eingeschleppter asiatischer Pilz, und der hat 70 Prozent der Eschen umgebracht. Es gibt sehr viel kaputte Eschen, auch jüngere.
Wo beobachten Sie das?
Wenn Sie mal im Kerpener Bruch spazieren gehen oder in Parrig, sehen Sie viele tote oder halbtote Eschen. Gott sei Dank gibt es auch noch ein paar, die genetisch offenbar so eingestellt sind, dass sie damit zurechtkommen. Sie stirbt also nicht aus. Wir hatten früher auch viel mehr Ulmen, die sind auch durch einen eingeschleppten Käfer in Verbindung mit einem Pilz praktisch komplett verschwunden, bis auf wenige Ausnahmen.

Eine Flaumeiche (Quercus pubescens) ist robust und besonders klimaresistent.
Copyright: Patrick Pleul/dpa
Sie berichten von einer sehr vielfältigen Problemlage. Und mit dem Klimawandel gibt es im Moment ja nicht so viel Hoffnung, dass es damit besser wird.
Leider sieht es nicht so aus, dass wir das 1,5-Grad-Ziel halten können. Man hätte viel früher mit dem Begrenzen der klimaschädlichen Abgase anfangen müssen. Aber gerade deswegen müssen wir jetzt die Rahmenbedingungen für den Wald verbessern. Und wir stellen uns jetzt die Frage, was wir dafür tun müssen. Wie das Klima wirklich in 30 oder gar 70 Jahren sein wird, weiß niemand. Es könnte sich auch der Golfstrom umkehren, dann wird es wieder kalt. Deswegen ist die einzige richtige Position, gemischte Wälder zu fördern und aufzubauen, aus vier, fünf, sechs Baumarten, die auch ein breiteres ökologisches Spektrum abdecken. Und wir müssen uns auf mehr Hitze und Trockenheit im Sommer einstellen.
Was bedeutet das konkret?
Eine Konsequenz wäre zu sagen, wir mischen in die Wälder Baumarten ein, die im Moment noch nicht hier vorkommen, die wir aber für geeignet halten, hier in der Zukunft zu wachsen, zum Beispiel die Flaumeiche, die Baumhasel oder die atlantische Zeder. Die würden in absehbarer Zeit nicht einwandern – so ein Baum wandert in 100 Jahren ungefähr 50 Kilometer. Und es gibt ja auch einige heimische Baumarten, etwa Hainbuche, Winterlinde oder Spitzahorn, die der Erfahrung nach deutlich besser mit den schwierigen Verhältnissen zurechtkommen. Oder die ganzen Sorbus-Arten, Eberesche, Mehlbeere, Speierling, Elsbeere. Das sind Arten, die bisher nicht so eine Rolle spielten und die wir mehr in die Wälder reinbringen müssen, um mehr Optionen für die Natur zu schaffen.

Zu den Sorbus-Arten gehört unter anderem der Speierling.
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Am 19. Mai werden Sie in Paffendorf bei Eröffnung einer Ausstellung mit dabei sein, der Titel lautet: „Klimaheld Wald“. Ist der Wald also nicht nur Sorgenkind, sondern auch Teil der Lösung?
Der Wald ist ein Mosaikstein für die Bekämpfung des Klimawandels, aber er ist gleichzeitig auch Opfer. Er kann insofern helfen, weil jedes Waldwachstum CO₂ bindet, ungefähr zehn Tonnen im Jahr pro Hektar. Wenn man ihn sinnvoll als Dauerwald ohne Kahlschlag bewirtschaftet, indem man zum Beispiel das Holz nutzt, um Häuser zu bauen, dann hat man das im Holz gespeicherte CO₂ gesichert, das ja sonst im natürlichen Kreislauf wieder frei würde. Außerdem spart man eine Menge Energie, wenn man statt mit Beton und Stahl mit Holz baut. Der ehemalige Leiter des Klimainstituts in Potsdam, Hans Joachim Schellnhuber, sagte in einem Vortrag: Wir verbrauchen ungefähr ein Drittel unseres noch verfügbaren Budgets für CO₂-Emissionen allein durch Betonbau.
Gibt es etwas, das sie für die Wälder des Regionalforstamtes Rhein-Sieg-Erft optimistisch macht?
Optimistisch macht mich also grundsätzlich die Fähigkeit der Natur, sich auf jede Situation einzustellen. Bei der Anpassungsfähigkeit der Baumarten, die wir jetzt haben, gibt es wahrscheinlich auch noch Luft nach oben, die wir noch nicht kennen. Man hat erst vor ein paar Jahren die Epigenetik entdeckt, wo man festgestellt hat, dass sich Bäume mit gleicher genetischer Ausstattung abhängig von den Umweltbedingungen unterschiedlich entwickeln. Solche Sachen machen schon Hoffnung, und da kann man eben sagen, die Buche wird uns vielleicht nicht ganz verlassen, sondern es wird eine neue Buche geben, die an die Trockenheit und an die Hitze besser angepasst ist, als die jetzt vorhandene.
Die Natur wird sich also den Gegebenheiten anpassen?
Die Natur findet Lösungen, das ist eigentlich das Schöne. Ob dann etwas da am Ende steht, was uns gefällt, ist aber eine andere Sache. Der Natur ist es völlig egal, wie die Entwicklung ist, die findet auch eine Steppe gut. Wenn wir unsere Lebensverhältnisse weiter positiv gestalten wollen, dann kommen wir nicht drumherum, unsere Kulturlandschaft zu steuern, damit wir einigermaßen stabile Ökosysteme halten.
Die Wanderausstellung „Klimaheld Wald“ ist vom 19. bis zum 30. Mai im Schloss Paffendorf (Burggasse 1) zu sehen. Sie zeigt, wie der Wald im Strukturwandel zukunftsfähig gestaltet werden kann. Weitere Infos, auch zu einem Begleitprogramm, gibt es auf der Website von Wald und Holz NRW.