Senioren bundesweit betrogenProzess gegen Teppichbande aus Rhein-Erft geht weiter

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Bonn Gericht Teppich

Den Angeklagten wird banden- und gewerbsmäßiger Betrug in sieben Fällen vorgeworfen.

Bonn/Rhein-Erft-Kreis – Vor drei Monaten waren die Anklagebänke im größten Bonner Gerichtssaal im Prozess gegen eine mutmaßliche Teppichhändlerbande fast leer: Allein drei Angeklagte – ein Vater (72) und seine beiden Söhne (33 und 36) – hatten Corona, das Familienoberhaupt brauchte Monate, um wieder auf die Beine zu kommen. Gestern erschienen die fünf Angeklagten, die aus dem Rhein-Erft-Kreis und Frankfurt anreisten, flankiert von neuen Verteidigern, zum Prozessstart.

Dem Quintett wird banden- und gewerbsmäßiger Betrug in sieben Fällen vorgeworfen. Zwischen April 2018 und März 2020 sollen sie bundesweit vor allem Senioren mit verschiedenen miesen Tricks reingelegt haben.

Schaden von 230.000 Euro durch Betrug

Die Masche war – laut Anklage – in Abwandlungen immer ähnlich: In fast allen Fällen hatten Bandenmitglieder, die sich als Teppichhändler vorstellten, den Opfern zunächst angeboten, ihre wertvolle Knüpfware zu reinigen. Als sie das Vertrauen erschlichen hatten, schlugen sie vor, ihre Teppiche in Kommission zu nehmen, um sie zu verkaufen oder bei einer Auktion zu versteigern. Die Geschädigten sahen ihre Schätze meist nicht mehr wieder. Der Schaden allein der angeklagten Betrügereien wird mit 230.000 Euro angegeben.

Ein Ehepaar aus Sankt Augustin hatte die Ermittlungen ins Rollen gebracht: Im Mai 2019 hatten die 82-Jährigen den Angeklagten einen wertvollen Herike, einen handgeknüpften Orientteppich, im Wert von 45.000 Euro zum Verkauf überlassen, aber ihr Orientale verschwand für immer. Weitere Geschädigte hatten sich bald aus dem gesamten Bundesgebiet gemeldet. Im Oktober 2020 kam es im Rhein-Erft-Kreis zu einer Razzia, durch die der Bande das Handwerk gelegt wurde.

Köln: Vom Schmarotzer zum christlichen Leben

Die beiden Brüder, die als Initiatoren der Beutezüge gelten, berichteten von ihrer moralischen Kehrtwende: Von einem gelangweilten Schmarotzerleben – ohne Schule, Ausbildung und Job, aber mit Drogen, Glücksspiel und Alkohol – zu einem christlichen Leben. „Ich habe versucht, einen Sinn zu finden“, erklärte es der Jüngere, der sich in einer Kölner Gemeinde für Obdachlose engagiert.

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Der Ältere (36) berichtete: „Ich habe in meinem ganzen Leben nie daran gedacht zu arbeiten.“ Seit acht Monaten hat der Familienvater einen „anständigen“ Job als Getränkefahrer: „Ich bin glücklich, habe jeden Tag etwas zu tun. Ich habe regelmäßig Geld, ohne jemandem zu schaden.“ Vier von fünf Angeklagten haben Geständnisse angekündigt.

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