Stadtentwicklung in HürthDie Angst vor der Eingemeindung

Nur ein Katzensprung: Von Hürth bis nach Köln ist es nicht weit.
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Rhein-Erft-Kreis – In Hürth schlägt mancherorts der Puls wieder höher. Denn vor kurzem hatte sich Konrad Adenauer, Vorsitzender des Kölner Haus- und Grundbesitzervereins und Enkel des ersten deutschen Bundeskanzlers, erneut dazu geäußert, Köln müsse entlastet werden, müsse sich erweitern, um mehr Wohnfläche und mehr Gewerbeflächen stellen zu können. „Das hat sein Großvater, der große Konrad Adenauer, als Oberbürgermeister von Köln damals auch immer wieder auf den Tisch gebracht“, berichtet Hürths Stadtarchivar Dr. Manfred Faust. „Von 1917 bis 1933 sprach er fast täglich davon, das Kölner Umland einzugemeinden.“
Sein Enkel stößt ins gleiche Horn. „Ihm fällt in der heutigen Zeit natürlich als erstes Hürth ein“, argwöhnt der Ortsvorsteher von Hürth-Stotzheim, Otto Winkelhag. „Ich sehe in diesen Äußerungen eine schleichende Gefahr für unsere Stadt und eigentlich für unseren ganzen Kreis.“
Auch SPD-Kreistagsmitglied Klaus Lennartz befürchtet ein ähnliches Szenario und beschwört per Anzeige „Hände weg von Hürth!“
Hürth habe eine gute Infrastruktur, „und das könnte den Kölnern besonders zugute kommen“, so Winkelhag weiter. In den Feldern zwischen Stotzheim und Sielsdorf, Alstädten/Burbach und Gleuel sei Platz, wo sich die Kölner hin ausdehnen könnten.
Winkelhag bangt um ganzen Kreis
Aber damit nicht genug. Winkelhag: „Die Kölner werden sich sicher nicht nur mit Hürth begnügen.“ Der Christdemokrat sieht den gesamten Rhein-Erft-Kreis in Gefahr. „Die Kölner wollen natürlich die gut funktionierenden Kommunen im Speckgürtel, die auch Vermögen haben.“ Er schlägt einen Bogen um Köln und bezieht Wesseling, Brühl, Hürth, Frechen und Pulheim mit ein.
Die Autobahn 61 und der dritte Grüngürtel stellen seiner Meinung nach eine neue Grenze der künftigen, durch Eingemeindung gewachsenen Stadt Köln dar. Die übrigen Städte des Rhein-Erft-Kreises? Erftstadt könnte Euskirchen zugewiesen werden, spekuliert Winkelhag. Die nördlichen Kommunen lägen besonders nah an Düren. Und schon wäre der Rhein-Erft-Kreis aufgeteilt – und nichts wäre davon übrig.
Der Landrat des Rhein-Erft-Kreises bleibt bei solchen Eingemeindungs-Szenarien gelassen. „Es ist ein immer wieder interessantes Thema“, sagt Michael Kreuzberg, „dem allerdings meiner Meinung nach jede Grundlage fehlt.“ Dieses Szenario sei „im Bereich der Fabel“ angesiedelt. „Dass Köln diesen Wunsch als Metropolstadt hegt, kann ich verstehen“, sagt er. „Die Menschen hier orientieren sich ja bereits seit langem an der Metropole Köln. Aber für sie ist es trotzdem wichtiger, einen direkten Zugang zu ihren Verwaltungen, zu ihren Bürgermeistern und ihrem Landrat zu haben.“
Und wie sieht man die Sache im Kölner Rathaus? „Aus der Verwaltung heraus gibt es keine Bestrebungen, die umliegenden Städte einzugemeinden“, sagt Pressesprecher Jürgen Müllenberg. Ein solches Vorhaben müsste aus dem politischen Raum angestoßen werden. Anträge, die in diese Richtung zielten, seien ihm aus der jüngeren Vergangenheit nicht bekannt. Sollte es Überlegungen zu einer Eingemeindung geben, dann handele es sich um einen Entwicklungsprozess, der sich sicher über Jahrzehnte hinzöge, so Müllenberg. Und das Land müsste die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen schaffen (siehe Info-Kasten).
So einfach, wie viele es befürchten, kann eine Eingemeindung nicht vonstatten gehen. Sollten die Gelüste der Stadt Köln nach einer Einverleibung von umliegenden Städten wie Hürth, Pulheim oder Frechen größer werden, müsste erst ein großer juristischer Apparat ans Laufen gebracht werden. „Die Landesregierung müsste ein entsprechendes Gesetz verabschieden“, erklärt Vera Clement aus dem nordrhein-westfälischen Innenministerium. Sie nimmt aber vorweg: „Derzeit ist keine kommunale Gebietsreform vom Land Nordrhein-Westfalen geplant.“
Vereinfacht dargestellt: Der Landtag müsste den Beschluss fassen, dass ein entsprechendes Gesetz auf die Beine gestellt werden sollte. Daraufhin würde ein Referentenentwurf erstellt. Dazu gäbe es eine Anhörung und Beteiligung. Dabei würden alle Betroffenen, darunter kommunale Spitzenverbände, Interessenverbände und natürlich auch die betroffenen Kommunen, selber Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen. Die Stellungnahmen würden gegeneinander abgewägt.
Alle Gesetzentwürfe werden gründlich im Landtag, in den Fachausschüssen, im Plenum und in den Fraktionen und deren Arbeitskreise und eben in den Parteien, in Verbände, Organisationen und Vereinen beraten. Am Ende sind es die Mitglieder des Landtags, die das Gesetz verabschieden. (hc)
Die Politik in Hürth mahnt dennoch zur Vorsicht. „Wir dürfen nichts verpassen. Sonst stehen wir irgendwann dumm da“, warnt Winkelhag. Die meisten Menschen aus dem Rhein-Erft-Kreis wollen ihre Stadt als Heimat behalten, und viele fordern, die Kölner sollten die Kirche im Dorf lassen – oder eben den Dom in Köln.