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TrauerDen Kampf verloren

Lesezeit 4 Minuten

Wesseling – Havva Nur hat es nicht geschafft. Sie starb am 10. Dezember 2014 im Alter von 19 Jahren an den Folgen ihrer Krankheit. Havva Nur hatte Leukämie. Über 500 Freunde und Bekannte waren vor ein paar Tagen zur Trauerfeier in die Moschee gekommen. Havva Nur war ein Wesselinger Mädchen. Im Marienhospital in Brühl ist sie geboren. In Wesseling ist sie aufgewachsen und zur Schule gegangen. „Sie hatte so viele Pläne“, berichtet ihre Mutter Perihan Koc. Ihr Mädchen wollte Architektin werden.

Mehr als 1000 wollten helfen

Der Schmerz sitzt tief. Es vergehe kein einziger Tag, an dem ihre Tochter nicht morgens ihr erster und abends ihr letzter Gedanke sei. Dabei hatte sie es doch schon fast geschafft. Weit mehr als 1000 Menschen aus Wesseling und Umgebung waren zur Typisierung der DKMS im Februar 2013 in die Lessingschule gekommen. Freunde organisierten zudem Benefizveranstaltungen für sie. „Ein Spender für unsere Tochter war sogar schon vor dem Typisierungstermin gefunden“, erzählt Perihan Koc. Er kam aus Kalifornien. Im April 2013 erhielt ihre Tochter die erste Stammzellenspende. „Aber ihr Körper nahm die Stammzellen nicht an“, erklärt sie. Eine zweite Stammzellenspende vom gleichen Spender erhielt Havva Nur im gleichen Jahr noch im Oktober. „Die ersten 100 Tage sind die entscheidenden“, sagt Perihan Koc. „Havva litt unter einer chronischen Abstoß-Reaktion“, sagt sie.

Zunächst jedoch ging es mit ihrer Tochter nach der zweiten Stammzellen-Transplantation aufwärts. Sie ging wieder zur Schule. Havva Nur besuchte nach der Realschule das Berufskolleg. Im Frühjahr 2014 hatte sie sogar noch am Eignungstest für eine Ausbildung in der Verwaltung in Wesseling teilgenommen und bestanden. So etwas wie Alltagsnormalität stellte sich ein.

Doch das war nicht von langer Dauer. Es begann im Juni 2014. Ihrer Tochter ging es zusehends schlechter. Perihan Koc hatte ein ganz ungutes Gefühl, so wie damals im November 2012, als sie in der Notaufnahme im Dreifaltigkeits-Krankenhaus auf eine Blutuntersuchung ihrer Tochter drängte. „Das Kind hatte eine Art Grippe, die einfach nicht weggehen wollte“, erinnert sich die Mutter.

Die Ärztin habe ihr damals noch ziemlich schnippisch gesagt: „Wir haben hier keine Zauberstäbchen.“ Nach der Laboruntersuchung habe sich die Ärztin dann jedoch entschuldigt und sich für die Hartnäckigkeit bedankt. Havva Nur war schwer krank.

„Wir fuhren direkt zur Kinderuniklinik nach Bonn“, erinnert sich Perihan Koc. Am 15. November 2012 erhielt sie die grausame Diagnose: Leukämie. „Ich wusste damals gar nicht was das bedeutet und habe nachgefragt“, sagt Perihan Koc. „Ihre Tochter hat Blutkrebs“, haben ihr die Ärzte geantwortet. Und jetzt nach so vielen Untersuchungen und Behandlungen, nach so langem Hoffen und Bangen, sollte das alles wieder von vorn beginnen.

„Sie wollte nicht mehr“

Wieder musste Havva Nur fast täglich ins Krankenhaus. Zunächst wurde festgestellt, dass sie zu wenige Thrombozyten im Blut hat. Thrombozyten sind für die Blutgerinnung zuständig. Nach einer Biopsie an der Lunge wollten dann die Blutungen nicht mehr aufgehört. Havva Nur kam auf die Intensivstation. Dann wurden Löcher in der Lunge festgestellt. Auch andere Organe waren in Mitleidenschaft gezogen. Der Körper ihrer Tochter wehrte sich gegen die fremden Stammzellen. „Havva Nur konnte kaum mehr Treppen steigen, sie bekam immer schlechter Luft“, berichtet Perihan Koc. Wieder zu Hause haben ihr ihre Eltern im Wohnzimmer in ihrem Haus in Wesseling das Bett eingerichtet. Der Pflegedienst kam täglich und einmal die Woche musste Havva zur Kinderklinik nach Bonn.

Im September sollte sie zusammen mit ihrer Mutter zur Kur nach Schönau fahren. Zwei Tage vor der Abreise stand noch ein Untersuchungstermin im Klinikum an. „Mit dem Verdacht auf Tuberkulose mussten unsere Tochter dann vier Tage in Quarantäne“, sagt Perihan Koc. Doch Tuberkulose wurde nicht festgestellt. Einen zweiten Kurtermin habe Havva Nur dann abgelehnt. „Sie wollte nicht mehr. Sie war einfach viel zu schlapp“, sagt sie. Um eine zweite Ärztemeinung einzuholen, wurde Havva Nur im November noch mit dem Krankenwagen nach Hannover geschickt. Wieder wurde sie untersucht, doch helfen konnten ihr die Ärzte auch dort nicht mehr.

Havva Nur ist in der Türkei in Istanbul beigesetzt worden. „Ich weiß nicht, ob das die richtige Entscheidung war“, sagt Perihan Koc. Am 8. Juni würde sie 20 Jahre alt. „Dann wollen wir alle zusammen bei ihr in Istanbul sein“, sagt Perihan Koc.