Aktion „Achtung, Schulweg“An vielen Grundschulen im Rhein-Sieg-Kreis ist Schülerlotse ein Knochenjob

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Ein Schülerlotse in oranger Warnweste steht an einem Zebrastreifen, Kinder überqueren ihn, ein Auto parkt gerade aus.

In Troisdorf Spich an der Grundschule Asselbachstraße hilft mittags ein Schülerlotse und sichert den Gang über den Zebrastreifen.

Schulen in Siegburg und Troisdorf klagen über brenzlige Situationen durch Elterntaxis.

Auf ihrem Schulweg sind Kinder und Jugendliche etlichen Gefahren im Verkehr ausgesetzt: Hol- und Bringservice durch Eltern, schwierige Verkehrssituationen, Gefahrenstellen.

Kurz nach Start des neuen Schuljahrs haben wir uns an Grundschulen umgehört, wie die Situation für die Kinder eingeschätzt wird.

Schulleiterin in Siegburg-Stallberg rief schon Eltern an und erklärte das Halteverbots-Schild

„Warum gefährdest du mich mit deinem Auto?“ Offen und direkt haben das die Kinder an der Gemeinschaftsgrundschule Siegburg-Stallberg in einem Flyer gefragt, den Eltern morgens an ihrem Auto fanden. Darunter eine Zeichnung aus der 1b, die die morgendliche Situation auf der Deutzer-Hof-Straße gut trifft: Etliche Autos stehen trotz absoluten Halteverbots vor der Schule, Kinder laufen über die Fahrbahn.

Schulleiterin Jacqueline Detering fragt sich ebenfalls, warum manche Eltern einfach nicht zur Vernunft zu bringen sind. Einen Walking-Bus habe es eine Zeit lang gegeben, um die Kinder sicher zu Fuß zum Unterricht zu bringen.

Zitronen seien schon an Übeltäter, Äpfel an vernünftige Eltern verteilt worden, immer wieder wurde das Thema in den Klassenpflegschaften angesprochen. Doch vergebens. Immer wieder werde es brenzlig, vor allem, wenn Kinder zur Straße hin aussteigen.

Immerhin kontrolliere der Bezirksdienstbeamte der Polizei, Ralph Gebhardt „mit stoischer Ruhe“ vor Ort, verwarne und verteile Knöllchen. „Da sind wir superdankbar.“ Sie selbst habe schon Eltern angerufen, um diesen zu erklären, was es mit dem Schild „Absolutes Halteverbot“ auf sich hat.

In Troisdorf wirbt die Schulleiterin dafür, die Kinder nicht bis vor die Tür zu fahren

Ein gewisses Verständnis hat die Leiterin, wenn in immer mehr Familien beide Elternteile berufstätig sind und unter Zeitdruck stehen. Doch auch das hört bei ihr spätestens auf, wenn morgens Schülerlotsen beschimpft werden, was auch schon vorgekommen sei. Mittlerweile wolle niemand mehr die Aufgabe übernehmen: „Es ist und bleibt schwierig.“

„Der Wunsch der Eltern ist groß, die Kinder so nah wie möglich an die Schule zu bringen“, berichtet Petra Herrmann, Rektorin der Grundschule Asselbachstraße in Troisdorf-Spich. Dabei habe die Schule aber noch den Vorteil, dass sie von der Asselbachstraße ebenso wie von der Telegrafstraße anzufahren sei.

„Nadelöhr“, so Herrmann, „ist unser Lehrerparkplatz.“ Der hat nur eine Zu- und Ausfahrt, die Debatten darüber, wer nun ausnahmsweise hineinfahren darf, bringe, so die Rektorin, „unsere Schülerlotsen manchmal an ihre Grenzen“. Die stehen jeden Morgen am Zebrastreifen über die Asselbachstraße, sichern aber den Überweg auch nach Schulschluss.

Inzwischen hat die Gruppe große Nachwuchsprobleme: „Mit 100 Mitgliedern haben sie angefangen“, erzählt Petra Herrmann. Damit sei auch nicht nur der unmittelbare Zugang gesichert worden. Inzwischen habe die Gruppe noch fünf Mitglieder – einschließlich einer Mutter aus der Nachbarschaft, die zu den Gründern der Gruppe zählte.

In Sankt Augustin sorgt ein„ Walking Bus“ für den sicheren Weg zur Schule

Haltestellen für die „Elterntaxis“ gibt es noch nicht, sie sollen aber geschaffen werden. Doch schon jetzt, sagt Petra Herrmann, werbe sie unermüdlich dafür, dass die Eltern ihre Kinder nicht bis vor die Tür fahren.

Ein Banner an einem Zaun wirbt für einen Schulweg ohne Auto.

Ein Banner wirbt für einen Schulweg ohne Auto.

„Rund 80 Kinder machen beim Walking Bus mit“, berichtet Alexander Diel, Schulleiter der Grundschule Am Pleiser Wald in Sankt Augustin. Die Idee des Projekts, das seit 2018 läuft: Schülerinnen und Schüler treffen sich an einem festen Punkt und gehen von dort aus gemeinsam zur Schule. Auf dem Weg dorthin stoßen immer weitere Kinder hinzu. Die maximale Dauer des Schulweges soll 20 Minuten nicht überschreiten.

Von den Eltern werden die Kinder zum Treffpunkt gebracht, zum Teil auch mit dem Auto. Da es sich aber um kleine Gruppen handelt, entsteht kein morgendlicher Verkehrsstau. „Die Eltern haben die Sicherheit, dass ihr Kind begleitet zur Schule kommt“, sagt Diel. Elterntaxis, die sich morgens vor dem Schulgelände stauen, seien damit nicht mehr nötig.

Zum Beginn des Schuljahres läuft eine erwachsene Person pro Strecke mit. Mit der Zeit können die jungen Schülerinnen und Schüler den Weg allein gehen. „Es hängt jedoch immer von den Eigenarten der einzelnen Gruppe ab“, betont Diel. „Es wird so lange gewartet, bis auch wirklich sicher ist, dass der Weg ohne Begleitung gegangen werden kann.“


Aktion Schulwegsicherheit: Melden Sie uns Gefahrenstellen

Wir möchten eine möglichst umfassende Dokumentation der Gefahrenstellen auf Schulwegen in Köln und der Region erstellen und rufen daher mit dem Automobil-Club Verkehr dazu auf, Gefahrenstellen zu melden und zu dokumentieren.

So wollen wir konstruktiv dazu beitragen, Gefährdungen von Schülerinnen und Schülern zu erkennen und zu reduzieren. Das geschieht über den CrowdNewsroom, eine Online-Plattform des investigativen Recherchenetzwerks Correctiv.

Grundschulen können sich bei den regionalen Radiosendern wie Radio Bonn/Rhein-Sieg an einer Verlosung beteiligen, um Sicherheitswesten zu gewinnen.

Ein vergleichbares Projekt hatte erstmals die Schweizer Zeitschrift „Beobachter“ gemeinsam mit Correctiv organisiert.

Alle Infos zur Aktion gibt es auf www.ksta.de/schulweg und www.rundschau-online.de/schulweg.

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