Seit 120 JahrenWie Familie Dobelke in der Horbacher Mühle in Neunkirchen-Seelscheid Getreide mahlt

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Ein Blick in einen Walzenstuhl.

Ein Blick in den Walzenstuhl. Teilweise sind die Geräte von 1949.

In der Horbacher Mühle wird seit 120 Jahren Getreide gemahlen. Der Mühlstein ist verschwunden, die Herstellungsweise traditionell geblieben.

„Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“, heißt es in einem alten Kinderlied. Ganz so ist es in der Horbacher Mühle in Neunkirchen-Seelscheid nicht, der namensgebende Horbach plätschert eher gemächlich am Grundstück vorbei und der Mühlstein ist längst zum Sonnenschirmhalter umfunktioniert worden. Seit 120 Jahren mahlt die Familie Dobelke hier Getreide.

Mitarbeiter Paul Dobelke ist an diesem Ort groß geworden und kennt den Produktionsablauf genau. Angeliefert über eine Schüttung wird das Korn erst in großen Silos gelagert. Über ein Rohrsystem strömt es zum ersten Produktionsabschnitt. Hier wird – und daher kommt das Sprichwort – die Spreu vom Weizen getrennt. Die Hülsen werden von den Körnern getrennt.

Mehltypen auf den Verpackungen geben den Mineralstoffgehalt an

„Außerdem reinigt die Maschine das Getreide von Fremdstoffen, zum Beispiel Glas, Steinen oder Metall“, erklärt Dobelke. Dafür ist in dem System ein Magnet eingebaut. Von dort wird es in die eigentliche Mühle befördert. „Was früher der Mühlstein gemacht hat, erledigen heute Walzen“, sagt der 48-Jährige und steigt in die Theorie ein:

„Je häufiger ein Korn gemahlen wird, desto dunkler wird es. Das kann ein Mühlstein gar nicht leisten. Der presst nämlich nur den Mehlkörper aus, nicht aber den Keimling, wo die Vitamine sitzen.“ Die Mehltypen, deren Bezeichnungen auf den Verpackungen stehen, zum Beispiel 405 oder 1050, gäben den Mineralstoffgehalt an.

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Eine Mühle in der Außenansicht.

Die Horbacher Mühle von außen gesehen.

In mehreren Schritten wird das Getreide gemahlen, wieder und wieder gleitet es durch die Walzen. Es ist laut im Raum, die Maschinen röhren und rattern, Keilriemen treiben sie an. Teilweise sind die Geräte über 70 Jahre alt. „Wir modernisieren nach und nach, die Funktionsweise ist heute aber die gleiche wie damals“, sagt Dobelke.

Zwölf Tonnen Mehl schafft die Horbacher Mühle an einem Tag

Über eine schmale Holztreppe geht es nach oben, wo ein sogenannter Plansichter steht – ein großes Rüttelsieb. Es siebt das nun fertige Mehl, das zuvor nach oben gesaugt wurde, heraus. Mittendrin schwingt ein Gegengewicht zwecks Auswuchtung im Kreis – zu nahe sollte man der Anlage nicht kommen.

Das fertige Mehl, das aus dem Plansichter kommt.

Das fertige Mehl, das aus dem Plansichter kommt.

Ein paar Rohre weiter ist man in der Abfüllstation angelangt. Dort wird das Mehl in Tüten zu einem halben oder gleich fünf Kilo gefüllt. Zwölf Tonnen schafft die Anlage täglich, bei 16 Stunden Laufzeit. „Innerhalb von zwei Tagen haben wir einen Lkw leer“, sagt Dobelke. „Das ist sehr wenig im Vergleich zu großen Mühlen der Industrie, die liegen bei 600 Tonnen pro Tag.“

Die Horbacher Mühle mahlt Dinkel, Einkorn, Emmer, Weizen und Roggen, naturbelassen und ohne zuvor eingesetztes Pflanzenschutzmittel. „Die Getreidesorte zu wechseln, ist kein Problem. Dazu nutzen wir eine sogenannte Spülcharge, bei der wir 300 Kilo des neuen Getreides einfüllen, bis am Ende keine Mischware mehr herauskommt. Das ist wichtig, denn manch einer verträgt zum Beispiel Weizen nicht“, sagt Dobelke.

Mehl aus der Horbacher Mühle wird in ganz Deutschland verkauft

Verkauft wird das hauseigene Mehl im Hofladen, in regionalen Supermärkten und über das Internet in ganz Deutschland. „Fast alles verkaufen wir als Backmischungen, für Pizza, Blatz oder Brot. Da muss dann nur noch Wasser hinzugegeben werden.“

Dobelkes Berufsbezeichnung lautet auch heute noch Müller, auch wenn die Ausbildung „Verfahrenstechnologie für Mühlen- und Getreidewirtschaft“ heißt. Damit ist man Profi im „Zerkleinern, trennen und mischen“, wie der 48-Jährige es formuliert.

Auch wenn die Walzen von alleine laufen, ist sein Aufgabenfeld vielseitig. Beispielsweise muss er jede Getreidelieferung im Labor auf ihre Qualität überprüfen. „Ist sie nicht gut, kann der Lkw direkt wieder umdrehen.“ Und das, fürchtet er, wird er im kommenden Jahr noch häufiger tun.

Müller aus Neunkirchen-Seelscheid: Klimawandel macht Branche zu schaffen

Grund seien strengere Vorgaben. Die Verunreinigung dürfe dann nicht mehr 0,5 parts per million, sondern parts per billion betragen, so heißt es in der Fachsprache. „Ist also ein Mehlstäubchen von zwei Milliarden verunreinigt, muss die gesamte Lieferung entsorgt werden. Da reden wir wirklich vom Zuckerklümpchen im Bodensee“, klagt Dobelke.

„Ein backfertiges Produkt zu erzeugen, wird dann teurer und schwieriger.“ Auch der Klimawandel mache seiner Branche zu schaffen: Regne es zu viel, keime das Korn auf dem Feld und werde unbrauchbar. Auch von Pilzen sei das Getreide bedroht. „Dabei haben wir in Deutschland schon den höchsten Qualitätsstandard.“

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