Viele neue IdeenBüchereien in Neunkirchen und Seelscheid sollen Begegnungsorte werden

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Das klassische Buch ist für Anna Deter das größte Lesevergnügen. Für die Kinder hat die Bibliothek Tonie-Figuren angeschafft.

Neunkirchen-Seelscheid – Erich Kästners Erinnerungen „Als ich ein kleiner Junge war“ hat sie als Kind gern gelesen. Biografien und Memoiren gehören zum bevorzugten Genre von Anna Deter, Leiterin der Gemeindebücherei Neunkirchen-Seelscheid. Doch in ihrem Job schaut die Diplom-Bibliothekarin mehr in die Zukunft, entwickelt Visionen für ihre beiden Institute in Neunkirchen und in Seelscheid.

„Die Bibliothek muss noch stärker eine innovative Bildungseinrichtung werden, wo man spielerisch neue Medien ausprobiert. Vorstellen können wir uns eine 360-Grad-Kamera, eine Brille für eine virtuelle Realität und weitere elektronische Produkte, die man sich nicht so ohne weiteres kauft.“

Anna Deter will ihre Bibliothek als „Dritten Ort“ etablieren: So nennt sich auch das Programm des Landes Nordrhein-Westfalen, das Häuser der Kultur auf dem Land fördert. Als Begegnungsstätten, die allen offen stehen, sollen sie große Zugkraft entwickeln. „Eine Herzenssache“ für Deter, die mit einer „minimalen Personaldecke“ für ihre Ziele kämpft.

Ehrenamtler sind unverzichtbar

Ohne Ehrenamtliche geht es nicht: Zehn unbezahlte Mitarbeiterinnen sind mit an Bord. „Das funktioniert so nur, weil wir ein sehr erfahrenes und eingespieltes Team haben, darunter zwei ehemalige Bibliotheksangestellte.“ Die Chefin selbst hat nur eine halbe befristete Stelle, die zum Jahresende ausläuft, was dem Nothaushalt der Gemeinde geschuldet ist.

Zwar erhielt die 45-Jährige, die mit ihrer Familie in Much lebt, bereits Angebote von anderen Bibliotheken mit größeren Budgets. Doch lässt sie keinen Zweifel daran, dass sie am liebsten ihren Vertrag verlängern würde. Der Lockdown habe die wichtige gesellschaftliche Rolle der Büchereien ins Bewusstsein gerückt.

Die Bücherei in Zahlen

Die Gemeindebibliothek Neunkirchen-Seelscheid mit den beiden Standorten in den Hauptorten hat einen Bestand von rund 28.500 Medien. 2020 wurden 79.919 Entleihungen gezählt, trotz lang anhaltender Schließung mehr als im Vorjahr (2019 waren es 76.270). Das zeige, wie gut das Angebot in der Corona-Zeit angenommen wurde, sagt Leiterin Anna Deter.

Über die Onleihe Rhein-Sieg, in der 13 Bibliotheken zusammen arbeiten, lassen sich etwa 33.200 Medien ausleihen. Insgesamt vier Fachkräfte teilen sich 1,68 Stellen. Diese Besetzung liege weit unter dem Personalschlüssel, den die Fachstelle für Bibliotheken NRW vorsieht.

Für die Anschaffung von Medien hat die Bücherei ein Budget von rund 14.000 Euro. Die Preise seien aber in den vergangenen drei Jahren um rund drei Prozent gestiegen, deshalb müsse auch das Budget erhöht werden, sagt Anna Deter. Denn der Bestand muss laufend erneuert werden, damit die Bibliothek attraktiv bleibe. (as)  

„Gerade für ältere Menschen und Singles waren wir phasenweise der einzige Ansprechpartner. Für Familien haben wir Medienpakete geschnürt, wir haben sogar Leute angerufen und uns nach ihren Wünschen erkundigt“, sagt Anna Deter.

Dabei haben die beiden Standorte Neunkirchen und Seelscheid jeweils eigenes Profil, das Anna Deter weiter schärfen möchte. Das Sortiment der kleineren Bücherei Seelscheid ist vor allem auf Familien zugeschnitten, „aber selbstverständlich haben wir auch die Spiegel-Bestseller“.

Gartencafé ist ein Wunschprojekt

Hier soll demnächst die Schmöker-Ecke für Kinder neu erblühen, mit Waldtapete, Regalen in Baumform, Plüschtieren und floral bedruckten Kissen. Eine Neugestaltung, die nur dank der Kreissparkasse als Sponsor möglich wird.

Auf der Wiese zur Zeithstraße hin würde Anna Deter gern ein Gartencafé einrichten, „denn solch ein gemütlicher Treffpunkt fehlt in Seelscheid“.

In Neunkirchen ist das Angebot mehr auf die Belletristik-Ausleihe zugeschnitten. Hier hat Deter eine Zusammenarbeit mit der Gesamtschule gestartet. Die Jugendlichen werden an das wissenschaftliche Arbeiten in Bibliotheken herangeführt. „Darunter sind auch Schüler, die noch nie eine Bücherei von innen gesehen haben“, sagt die Mutter eines zehnjährigen Sohnes, die noch mehr Potenzial sieht, Schüler aus bildungsfernen Haushalten als Leser zu gewinnen.

Auswahl des Eine-Welt-Ladens

„Von der Freundlichkeit des Personals und der Wohlfühl-Atmosphäre hängt viel ab“ , betont sie – aber auch von der Ausstattung. Anna Deter schwebt ein Medienzentrum mit dem Akzent auf Technik vor, in dem man experimentieren und lernen kann. Verwirklichen ließe sich das gut im leerstehenden Altbau des Antoniuskollegs, doch dessen künftige Nutzung steht noch in den Sternen.

In beiden Filialen gibt es eine kleine Auswahl des Sortiments aus dem Eine-Welt-Laden in Siegburg. Und für die beide Standorte haben Deter und ihr Team Tonieboxen angeschafft. Die Hörspielwürfel für Kinder ersetzen die klassischen Audio-CDs und sind beim jungen Publikum sehr beliebt.

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Die Inhalte – Hörspiele oder Musik – werden über spezielle Spielfiguren aktiviert. Nicht alle Familien können sich solch einen teuren Würfel leisten. Die Bücherei will die „Einstiegsdroge“ ins Lesen aber allen zugänglich machen.

Medium Nummer Eins bleibt für die leidenschaftliche Leserin Anna Deter aber das Buch. „Die Haptik, das Anfassen, Aufschlagen und Umblättern, der Geruch des Papiers – all das garantiert ein aktives Erleben von Literatur. Das verankert sich im Gedächtnis anders als ein Wischen mit den Fingern auf einem Bildschirm.“ Davon ist sie fest überzeugt.

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