Der Verfassungsschutz beobachtet die Verflechtungen von Politik und Studentenverbindungen genau.
StudentenverbindungEmpörung über Bonner Burschenschaft wegen ominöser Gäste

Hüte von Burschenschaftlern schmücken den Festsaal (Symbolfoto).
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Mit einer umstrittenen Veranstaltung hat die Bonner Burschenschaft der Raczeks erneut für Wirbel gesorgt. Nicht zum ersten Mal wurde ein Politiker der rechten Szene in dem Verbindungshaus in Bonn-Poppelsdorf empfangen.
In der Vergangenheit hat die Studentenverbindung wiederholt Größen aus dem rechtsextremen Bereich hofiert. So war zuletzt der AfD-Politiker Maximilian Krah im Dezember 2024 für einen Vortrag bei den Raczeks. Krah hatte zuvor wochenlang in den Schlagzeilen gestanden, unter anderem aufgrund von mutmaßlichen Russland- und China-Verbindungen sowie wegen mutmaßlicher Spionage.
Bonner Burschenschaft: Auf Krah, Clemens und Helferich folgt Alexander Jungbluth
Zuvor war der rechte Szene-Anwalt Björn Clemens bei der Burschenschaft zu Gast. Am Rande der Veranstaltung wurde ein ARD-Team von zwei Security-Männern des Anwalts vor dem Verbindungshaus bedroht. Und auch der radikale AfD-Mann Matthias Helferich, der sich selbst als „das freundliche Gesicht des NS“ bezeichnet hatte, wurde bei den Raczeks mit offenen Armen empfangen.
Am Dienstagabend (3. Juni) hat nun der AfD-Europaabgeordnete Alexander Jungbluth einen Vortrag im Burschenschaftshaus der Raczeks in Bonn-Poppelsdorf gehalten. Gesprochen hat der umstrittene Politiker demnach über seine Perspektiven zur Europapolitik. Einzelheiten sind nicht bekannt.
Alexander Jungbluth „Alter Herr“ bei Burschenschaft Raczeks
Jungbluth studierte in Bonn und war in seiner Studienzeit selbst Mitglied bei der Burschenschaft der Raczeks. Eine auffällige Erinnerung an diese Zeit ist auch heute noch an seiner linken Wange zu sehen. Dort hat der 38-Jährige eine Narbe oder einen Schmiss, die aus dem Fechtkampf in schlagenden Studentenverbindungen rührt.
Inzwischen sitzt Alexander Jungbluth als AfD-Abgeordneter für Rheinland-Pfalz im Europa-Parlament. Zuvor war er Mitglied der Jungen Alternativen. Der Verfassungsschutz hatte die Jugendorganisation der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft.
Ariernachweis? Bonner Burschenschaft über potenzielle Anwärter
Über die Raczeks, die laut einem ARD-Bericht beim deutschen Burschentag 2011 einen „Ariernachweis“ für neue Mitglieder beantragten, sagte Jungbluth: „Das ist eine sehr, sehr gute Gemeinschaft.“
Auf ihrer Internetseite preisen die Raczeks aktuell „Gott – Ehre – Freiheit – Vaterland“. Zudem heißt es für potenzielle Anwärter: „Männlich? Deutsch? Student? Nonkonform? Dann bist du bei uns genau richtig. Lerne jetzt eine Welt außerhalb der politischen Korrektheit und linker Denkzwänge kennen.“
Bündnis sieht Raczeks als „Vernetzungspunkt von Rechtsextremen“
Aufgrund der Veranstaltung mit Alexander Jungbluth hat das „Bündnis gegen Rechts“ seine Kritik an der Bonner Burschenschaft bekräftigt. Das Bündnis wirft den Raczeks vor, ein „Vernetzungspunkt von Rechtsextremen“ im gesamten Rheinland zu sein.
„Die Einladung von Alexander Jungbluth, der mittlerweile sogar Teil des AfD-Bundesvorstandes ist, zeigt einmal mehr die gefährliche Verbindung von AfD und rechtsextremen Burschenschaften“, so das „Bündnis gegen Rechts“.
Verfassungsschutz über Einflussnahme der „Neuen Rechten“ auf Studentenverbindungen
Ein Vorwurf, der auch vom Verfassungsschutz ernst genommen wird. „Teilbereiche des Rechtsextremismus – vor allem der ‚Neuen Rechten‘ – sehen Burschenschaften als Zielgruppe“, erklärte eine Sprecherin des NRW-Innenministeriums auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Sie wollen Einfluss auf Diskurse nehmen und eigene Positionen dort verankern.“
Ob konkret die Bonner Burschenschaft der Raczeks im Visier des Verfassungsschutzes steht, dazu wollte sich das Innenministerium nicht äußern.
Demonstration vor Verbindungshaus in Bonn-Poppelsdorf
Das Bündnis rief zur Demonstration gegen den Vortrag von Alexander Jungbluth auf. Die Bonner Polizei bestätigte auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass sich am Dienstagabend (3. Juni) rund 110 Menschen vor dem Verbindungshaus in Bonn-Poppelsdorf versammelt hatten.
„Die angemeldete Versammlung wurde von Polizeikräften begleitet und ist störungsfrei verlaufen“, so ein Pressesprecher am Mittwoch (4. Juni).
Alexander Jungbluth gratuliert Rechtspopulist für Koalitionsbruch und postet „Free Shlomo“
Während ein geplanter Aufmarsch der Bonner Raczeks aufgrund der Gegendemonstration abgesagt wurde, konnte der Vortrag Jungbluths offenbar stattfinden. Was er dort gesagt hat, ist nicht bekannt. Auf einem Treffen der AfD im Juni 2024 wetterte er gegen Dönerläden und Shishabars in allen europäischen Städten. Der Europaabgeordnete forderte in dem Zusammenhang „eine deutsche Kultur in Deutschland, eine französische Kultur in Frankreich, eine italienische Kultur in Italien.“
Dem niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders gratulierte er jüngst für seinen Bruch mit den Koalitionspartnern. „Respekt, Herr Wilders! So geht Politik im Interesse des eigenen Volkes!“, verkündete Jungbluth am Dienstag (3. Juni) in den sozialen Netzwerken. Wilders hatte von den Koalitionspartnern eine massive Verschärfung der Asylpolitik gefordert.
In den sozialen Medien unterstützte Alexander Jungbluth öffentlich den Aufruf „Free Shlomo“ mit einem Video. Das Kölner Amtsgericht hatte den Youtuber „Shlomo“ aka Aaron P. unter anderem wegen Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt.