Vor GerichtMann aus Siegburg missbraucht Tochter in 102 Fällen – Ehefrau hält zu ihm

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Landgericht_Bonn_Schriftzug

Der Schriftzug über dem Eingang zum Landgericht Bonn

Bonn/Siegburg – Sieben Jahre alt war das Mädchen, als es in die Grundschule kam. Kurz danach, 2008, begann der Missbrauch beim Baden. Einmal in der Woche saß sie mit ihrem Vater in der Badewanne, mit dem Rücken zu ihm. Das Mädchen – „ein Papa-Kind“ – habe zunächst nicht einordnen können, was der Mann mit ihr machte, hieß es am Donnerstag im Urteil des Bonner Landgerichts. Dass die Berührungen etwas Unrechtes sein mussten, begriff die Schülerin erst später. Denn der Vater forderte sie auf, zu schweigen: „Das ist ein Geheimnis.“

Die 2. Große Strafkammer verurteilte den Vater, einen 59-jährigen Ingenieur aus Siegburg, wegen des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 102 Fällen zu vier Jahren und neun Monaten Haft. Zudem muss er seiner Tochter 20.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Acht Jahre lang hatte er sie zu sexuellen Handlungen genötigt, allein 92 Fälle spielten sich in der Badewanne ab, aber auch im Ehebett, während die Mutter daneben schlief, oder im Werkraum im Keller.

Siegburger missbraucht Tochter – Ehefrau hielt zu ihm

Mit der Pubertät endeten die Übergriffe, aber die Tochter sei zu diesem Zeitpunkt schon zerstört gewesen, sagte der Kammervorsitzende Wolfgang Schmitz-Justen. Wegen Suizidgedanken verbrachte sie fast acht Monate in einer geschlossenen Klinik. Erst 2019, mit 18 Jahren, erzählte sie es der Mutter.

Die glaubte ihr zwar, stellte ihren Ehemann zur Rede, bis er den Missbrauch teilweise einräumte. Aber die 53-jährige Lehrerin hielt trotzdem zu ihm. Schmitz-Justen: „Andere Frauen hätten ihren Mann dafür die Steintreppe runtergeschmissen, aber diese Frau wirft ihn noch nicht mal aus dem Haus.“ Der Richter gestand der Ehefrau indes zu, dass auch sie ein Opfer und mit der Situation heillos überfordert sei.

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Für die heute 20-Jährige, die einst Grafikerin werden wollte, sei der doppelte Verrat besonders schlimm, sagte ihre Anwältin Dagmar Schorn. Die junge Frau hat den Kontakt zur Familie abgebrochen. „Sie haben das Leben des Mädchens kaputt gemacht“, sagte der Kammervorsitzende zum Angeklagten: „Sie alleine tragen Schuld an ihrem Zustand.“

Nur weil er sich selbst angezeigt hatte, um der Tochter zuvorzukommen, und ein Teilgeständnis ablegte, sei die Strafe noch mild. Die Staatsanwältin hatte zuvor mindestens sieben Jahre Haft gefordert.

Im Zuschauerraum saß die Tochter, von ihrer Betreuerin begleitet. Gehofft hatte sie wohl, dass auch die Mutter kommt. Schorn: „Ihrer Tochter hätte eine solche Geste als erster Schritt zur Versöhnung sicher sehr geholfen.“ 

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