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Zwei ToteZwanghaftes Reden, Stille – Wie Retter den Badeunfall im Rhein verarbeiten

Lesezeit 4 Minuten
Rettungskräfte ziehen sich bei einem Einsatz an ihren Fahrzeugen um.

Ein Vater und sein Kind sind am Montagnachmittag bei Bornheim im Rhein untergegangen.

Einsätze wie der schreckliche Badeunfall im Rhein bei Bornheim verlangen Rettungskräften psychisch viel ab. Wer kümmert sich um die Retter?

Der schreckliche Badeunfall vom Pfingstmontag hat zwei Menschenleben gefordert. Ein sieben Jahre alter Junge und sein 36 Jahre alter Vater sind in einem Seitenarm des Rheins ertrunken.

Die Familie hatte auf dem Herseler Werth gegrillt. Vom Kiesstreifen am Ufer waren zwei Kinder ins Wasser gerutscht und untergegangen. Ihr Vater sprang hinterher, um sie zu retten. Alle drei waren Nichtschwimmer, eines der Kinder konnte sich noch selbst retten.

Die beiden anderen wurden nach einer sowie nach anderthalb Stunden gefunden. Der 36-Jährige starb noch am Abend im Krankenhaus, der Junge am frühen Dienstagmorgen.

Rund 170 Einsatzkräfte waren an der Rettungsaktion beteiligt. Die Einsatzleitung liegt bei der Feuerwehr. Was aber passiert, wenn Zeugen beobachten, dass Menschen unter Wasser versinken?

Einsatzpläne sind abgestimmt mit Bonn und den Feuerwehren im Kreis

„Es gibt hinterlegte Einsatzpläne“, erklärt Kreisbrandmeister Stefan Gandelau, „die sind abgestimmt mit Bonn und den Feuerwehren im Kreis. Sie sind erst im März aktualisiert worden.“

Der Rhein ist in Abschnitte unterteilt, an einigen ist der Kreis beteiligt. „An der Einstiegsstelle wird die örtliche Feuerwehr alarmiert und zusätzlich die der Strömung folgenden Einheiten an beiden Ufern“, so Gandelau weiter. Das gelte übrigens für die Sieg gleichermaßen.

Zwei Helikopter unterstützten bei Suchaktion am Rhein

Dazu kommen der Rettungsdienst, Wasserschutzpolizei, das Feuerlöschboot aus Bonn sowie der beteiligten Wehren und die Wasserwacht des Deutschen Roten Kreuzes sowie die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG).

Am Sonntag wurden die Kräfte am Boden durch zwei Helikopter unterstützt, dem Rettungshubschrauber „Christoph 3“ und einer „Hummel“ der Landespolizei.

Taucher der Wasserwacht holten leblose Körper aus dem Rhein

Martin Schröder ist Leiter der Wasserwacht, die eng abgestimmt mit der DLRG die Wasserrettung Rhein-Sieg bildet. Seine Taucher haben die beiden leblosen Körper herausgeholt und die ersten Wiederbelebungsversuche gestartet. Vor allem der Helfer, der das Kind fand, habe daran noch zu knabbern. „Den Einsatzkräften, die den Vater herausgeholt haben, geht es besser“, berichtete er.

Beim Alarmierungsstichwort „Wasser/Eis“ fahre der Führungsdienst sofort los. Er meldet sich bei der Feuer- und Rettungsleitstelle, fragt die Lage ab und gibt erste Empfehlungen. Nach Bedarf alarmiert er weitere Einheiten nach.

Strömungsretter, Taucher und Boote suchten nach Vater und Sohn

Nach dem klar war, dass ein Vater und Kind vermisst wurden, wurden alle drei Komponenten der Wasserrettung los geschickt: Strömungsretter, Taucher und Boote, sowohl von Wasserwacht wie von DLRG. Auf der Sieg sind die Taucher und großen Boote dagegen weniger sinnvoll. Es sei denn, der Untergegangene liegt in einem der tiefen Löcher, die es in dem Fluss auch gibt.

In Bornheim war der Einsatzabschnitt vergleichsweise klein, wenn auch sicherheitshalber die stromabwärts liegenden Kilometer abgesucht wurden. „Dort gibt es eine Kehrströmung, die alles im Hafen hält, was dort hinein fällt“, weiß Schröder, ist es doch ein Übungsgebiet seiner Organisation.

Die beiden Körper wurden etwa 20 bis 30 Meter von der Stelle entfernt gefunden, wo sie ins Wasser gefallen waren. Strömungsretter entdeckten sie, Taucher holten sie herauf. Für seine Leute gab es im Vereinsheim in Niederkassel eine Nachbesprechung, inzwischen Standard bei solchen Einsätzen.

Psychosoziales Unterstützungsteam unterstützt Retter nach Einsätzen

Die führt in der Regel das Psychosoziale Unterstützungsteam (PSU) durch. Dessen Leiter, Frank Pütz, erklärt, dass die Einsatzleitung ihn und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter anfordert, inzwischen oft schon präventiv.

An der Einsatzstelle werden dann die Bedarfe abgeklärt. Das kann durchaus dynamisch sein, so wie am Montag, je nach Entwicklung der Lage. Zunächst macht das PSU Beratung, weist auf belastende Situationen hin. „Wenn ein Kind dabei ist, ist es immer schwierig.“

Bei der emotionalen, nicht der taktischen Nachbesprechung machen er und seine Leute Gesprächsangebote an alle Beteiligten. Sie erklären die möglichen Reaktionen, die Stunden, Tage oder Wochen später erst aufkommen können: Manche müssen nahezu zwanghaft immer wieder über das Erlebte reden, andere werden ungewöhnlich still, es gibt Schlafstörungen oder Geruchserinnerungen als Trigger in bestimmten Situationen – das Spektrum ist breit.

Kreisbrandmeister richtet eindringliche Botschaft an Bürger

Psychoedukation nennt Pütz das. Bei 85 Prozent erleichtert das erste Gespräche so sehr, dass es für viele schon ausreichend ist. Für die anderen gibt es weitere Gesprächsangebote bis hin zur Vermittlung in ein therapeutisches Angebot.

Offene und ehrliche Reflektion ist dem 51-Jährigen wichtig. Eins stellte er jetzt besonders heraus: „Ihr habt so schnell und effektiv gehandelt, besser ging es nicht.“

Eine Botschaft hat Kreisbrandmeister Stefan Gandelau an die Bevölkerung: „Geht nicht in den Rhein, das ist kein Badesee.“ Das gelte gleichermaßen für Schwimmer und Nichtschwimmer, von denen es offensichtlich immer mehr gibt.

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