Nach BadeunfällenWoran erkennt man Ertrinkende oder Schwimmer in Not?

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Ein Mann rudert in einem See mit seinen Armen

Ertrinken bedeutet nicht immer ein wildes Rudern mit den Armen. Oft ist es unauffälliger – gerade bei Kindern.

Wie lassen sich Badeunfälle verhindern, was können Außenstehende in einer solchen Situation tun? Ein DLRG-Rettungsschwimmer klärt auf.

Die Zahlen sind alarmierend, sehr viele Kinder können selbst in einem Alter von zehn oder elf Jahren noch nicht schwimmen. Jetzt im Sommer, wenn es viele wieder an den See oder ins Freibad zieht, sind sie besonders gefährdet. Aber nicht nur Kinder können beim Schwimmen oder Planschen in Not geraten und werden im schlimmsten Fall leblos aus dem Wasser gezogen, auch Erwachsene sind nicht unbedingt sichere Schwimmer. Viele Unfälle könnten jedoch verhindert werden, wenn nicht nur Badende sich an gewisse Regeln halten, sondern auch Außenstehende Gefahrensituationen besser erkennen und dann richtig handeln würden. Ein Gespräch mit Achim Wiese von der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG).

Wie erkennt man, dass ein Mensch gerade ertrinkt?

Achim Wiese: Es ist sehr schwer, einen ertrinkenden Menschen zu erkennen. Denn es sieht auf keinen Fall so aus, wie es immer in Filmen dargestellt wird. Er oder sie wird sicher nicht mit den Armen wedeln und laut schreien. Oft sind Ertrinkende mit dem Kopf halb unter Wasser, sodass man nur noch die Nase sieht. Und sie wedeln deshalb nicht sichtbar mit den Armen, weil die unter der Oberfläche versuchen, den Körper über Wasser zu halten. Da Ertrinkende krampfhaft versuchen, zu atmen, sind sie auch nicht in der Lage, laut um Hilfe zu rufen. Es läuft viel stiller ab. Sobald man als Außenstehender so etwas beobachtet, ist höchste Alarmstufe angesagt.

Gibt es besondere Anzeichen bei ertrinkenden Kindern?

Bei Kindern ist es zusätzlich oft so, dass der Kopf nach vorne fällt, weil er der schwerste Teil des Körpers ist. Dann ist das Kind in größter Not!

Worauf sollte man bei einem Besuch am Badesee oder im Schwimmbad achten?

Man sollte sich zum einen an jene Regeln halten, die im Bad oder am See gelten und zum anderen die allgemeinen Baderegeln beachten – die findet man auch bei uns auf der DLRG-Seite. Es macht auch Sinn, mit Kindern vor einem Schwimmausflug über die Baderegeln zu sprechen, das geht auch spielerisch.

Vor Ort sollten sich Badende grundsätzlich rücksichtsvoll verhalten und niemanden stören, also zum Beispiel nicht vom Beckenrand auf den Kopf anderer Schwimmer springen. Wichtig ist auch, sich regelmäßig umzuschauen, wie es den Menschen um einen herum geht, besonders wenn Kinder alleine im Wasser sind. Wobei das natürlich eigentlich die Aufgabe der Eltern ist.

Bis zu welchem Alter der Kinder sollten Eltern immer in der Nähe sein?

Eltern sollten auf jeden Fall immer in der Nähe ihres Kindes sein, vor allem wenn es nicht sicher schwimmen kann. Und zwar müssen sie so nah am Kind dran sein, dass sie sofort zupacken können, wenn es in Not gerät. Übrigens können auch Planschbecken bereits lebensgefährlich werden. Selbst in einer Wassertiefe von zehn Zentimetern können Kinder ertrinken, wenn sie unglücklich ins Becken fallen.

Wann ist denn ein Kind ein sicherer Schwimmer?

Ein sicherer Schwimmer ist derjenige, der das Freischwimmerabzeichen, also das Schwimmabzeichen in Bronze, besitzt. Ab welchem Alter ein Mensch sicher schwimmen kann, ist ganz unterschiedlich – manche lernen es mit fünf, andere erst viel später. Sobald ein Kind sicher schwimmt, kann man es theoretisch auch alleine mit Freunden an den See oder ins Schwimmbad lassen. Eltern müssen dabei natürlich auch entscheiden, wie weit das Kind in seiner Entwicklung ist, ob es zum Beispiel Gefahrensituationen einschätzen kann.

Wie können sich Jugendliche gegenseitig schützen, wenn sie ohne Erwachsene unterwegs sind?

Die jungen Leute müssen aufeinander Acht geben. Grundsätzlich sollten sie immer als Gruppe baden gehen und niemals alleine. Das oberste Gebot ist außerdem, möglichst nur dort baden zu gehen, wo es eine Aufsicht gibt. Und auf keinen Fall in gefährlichen Flüssen wie dem Rhein zu schwimmen. Dort passieren die meisten Unfälle. Häufig ist es so, dass Badende die Gefahren des Flusses unter- und sich selbst überschätzen. So kann es passieren, dass plötzlich einer verschwindet – wegen der Strömung oder des Sogs eines vorbeifahrenden Schiffes.

Nichtschwimmer müssen natürlich besonders aufpassen und sollten zum Beispiel nicht auf einer Luftmatratze oder auf einem Schwimmtier auf den See oder das Meer hinaus paddeln. Das ist höchst fahrlässig. Da kann es Winde und Strömungen geben, die einen abtreiben. Wenn man dann von der Matratze fällt, besteht Lebensgefahr.

Was sollte man als erstes tun, wenn man einen Schwimmer in Not beobachtet?

Ist man mit diesem Menschen im Wasser, muss man natürlich versuchen, ihm zu helfen. Wichtig ist, die Hilfeabsicht auch deutlich zu kommunizieren und zu sagen: „Ich möchte dir helfen!“ Denn der sich in Not befindende Mensch entwickelt möglicherweise große Kräfte und klammert sich fest.

Wenn man vom Strand einen Menschen in Not beobachtet, sollte man zuerst die 112 anrufen, um die Rettungskette in Gang zu setzen. Und dann muss man sich selbst die Frage stellen, ob man wirklich selbst in der Lage ist, diesen Menschen zu retten. Nur wenn man das ohne Zweifel mit Ja beantworten kann, sollte man ins Wasser gehen – ansonsten würde man sich in Gefahr bringen.

Was könnte man noch tun, wenn man nicht selbst hinterherspringen kann?

Sich umschauen und fragen, ob jemand im direkten Umfeld ein guter Schwimmer ist. Und unbedingt dort bleiben, wo der Ertrinkende sich befindet, um dem eintreffenden Rettungsdienst die Gefahrenstelle genau zeigen zu können. Ist dieser noch nicht eingetroffen und der Betroffene bereits an Land, sollte man zunächst checken, ob er oder sie noch atmet oder ein Pulsschlag vorhanden ist. Falls nicht, dann muss man sofort mit der Brustmassage beginnen.

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