Geschichte der Juden in EitorfNicht einmal ein Name blieb zurück
Eitorf – Gerade mal acht Gräber hat der jüdische Friedhof Am Ersfeld, acht Gräber, die an Menschen erinnern, die in Eitorf lebten und starben. Einige von ihnen haben der Gemeinde ein Gesicht gegeben, von anderen ist nicht einmal ein Name auf einem verwitterten Stein zurückgeblieben. Die meisten haben den Terror des Dritten Reichs erleben müssen, Angehörige in den Konzentrationslagern verloren. Ihre Geschichten und die des Friedhofes hat der Eitorfer Experte Bernd Winkels recherchiert. Vom ersten Grab des Eitorfer Pferdehändlers Jakob Simon und seiner Frau Julie bis zum letzten in der Reihe, „Genau wie die hebräische Schrift immer von rechts nach links“, erläutert Winkels. „Hier in Eitorf gibt es allerdings eine Besonderheit: Die Gräber sind offenbar versetzt in zwei Reihen angelegt worden.“
Auch wenn der Friedhof hoch über dem Ort erst 1918 eingerichtet wurde und im selben Jahr die ersten Beisetzungen stattfanden – die Geschichte der Eitorfer Juden reicht wesentlich weiter zurück. Seit 1814 lebten Juden in Eitorf, sie gehörten aber zur jüdischen Gemeinde Hennef, mussten dort ihre Steuern zahlen, besuchten die Hennefer Synagoge und wurden auf dem jüdischen Friedhof in Hennef-Geistingen bestattet. Auf zwei der dortigen Grabsteine ist der Hinweis zu finden, dass die Toten „aus Eitorf“ stammten.
Ein Betsaal im Privathaus
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts lebten fünf jüdische Familien in Eitorf, und der Wunsch, ihre Religion in ihrem Heimatort ausüben zu können, war so groß, dass der einflussreiche Viehhändler Jakob Simon sein ehemaliges Wohnhaus zur Verfügung stellte. Am 16. Juni 1893 wurde im Erdgeschoss in der Leienbergstraße 10 ein Betsaal eingerichtet. Der war bald schon zu klein: 1912 lebten bereits etwa 30 Juden in Eitorf, und der Kölner Rabbiner Rosenthal weihte einen größeren Raum für den Gottesdienst ein.
„1915 war die Zahl der jüdischen Einwohner schließlich so stark angestiegen, dass Jakob Simon als Repräsentant der Eitorfer Juden bei der Synagogengemeinde des Siegkreises beantragte, in Eitorf eine Spezialgemeinde zu bilden sowie einen jüdischen Friedhof einzurichten“, weiß Winkels. Ein Wunsch, für den sich Bürgermeister Wienecke persönlich einsetzte.
Zur Bildung der Spezialgemeinde innerhalb der Synagogengemeinde des Siegkreises kam es nicht, das Verfahren wurde durch den Ersten Weltkrieg zurückgestellt. Doch der Friedhof, außerhalb des Ortes, wurde angelegt. Und als Jakob Simon, einer der einflussreichsten Eitorfer Bürger starb, wurde er als erster auf dem neuen Gräberfeld Am Ersfeld bestattet. Die Eitorfer Zeitung rühmte ihren Mitbürger in einem Nachruf als jemanden, der sich aus bescheidenen Verhältnissen „zu großer Blüte emporschwang“, der seine Pferdehandlung durch „Umsicht gepaart mit Zuvorkommenheit“ zu einer der angesehensten des Rheinlands anwachsen ließ, und der das Vertrauen seiner Kunden und Mitbürger genoss.
An diesen Jakob Simon, der 1890 nach Eitorf gekommen war, erinnert eines der prächtigsten Grabmale auf dem jüdischen Friedhof. Seine Tochter Adele heiratete und zog nach Hamm, ließ sich aber nach dem Tod nach Eitorf überführen und neben ihren Eltern bestatten. Die beiden Söhne starben im Konzentrationslager.
Seine andere Tochter Bertha heiratete Josef Kahn, der Ende des 19. Jahrhunderts nach Eitorf gekommen war. Das Ehepaar eröffnete am Markt 14 ein großes Kaufhaus, das Bertha nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1922 weiterführte. Doch als Nazis in der Reichspogromnacht „trotz handfesten Widerstands vieler Nachbarn“ Scheiben einschlugen und das Haus demolierten, wanderte sie mit ihren beiden Kindern im Dezember 1938 nach Israel aus.
Beerdigt in Eitorf
Auch das Bethaus in der Leienbergstraße wurde in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 verwüstet, die aufwendig gestalteten Fenster zerstört. „Vermutlich ist das Haus nur deshalb nicht in Brand gesteckt worden, weil der erste Stock an eine deutsche Familie vermietet war, die dort lebte“, erklärt Winkels.
Bertha Kahn kehrte nach dem Ende des Dritten Reichs nach Deutschland zurück und lebte in Frankfurt. Beerdigt werden wollte sie aber in Eitorf. Nach ihrem Tod 1970 wurde ihr Leichnam mit einer Sondergenehmigung des Regierungspräsidenten auf dem längst für weitere Beerdigungen geschlossenen Jüdischen Friedhof bestattet.
„Die Beschriftungen der einzelnen Grabmale hier in Eitorf sind sehr unterschiedlich“, sagt Bernd Winkels. „Bei manchen gibt es sowohl eine deutsche als auch eine hebräische Inschrift, manchmal ist eine Version auf der Rückseite des Steins geschrieben, manchmal gibt es nur hebräische Buchstaben oder Symbole.“
Und manchmal geben die Steine Rätsel auf. So wie der für Salomon Feist, dessen Todestag mit dem 23. Juni 1911 angegeben ist: „Der Friedhof wurde aber erst 1918 eingerichtet. Ist er nach dem Tod seiner Frau Johanna im November 1918 aus Geistingen nach Eitorf überführt worden, obwohl nach jüdischem Glauben die Totenruhe niemals gestört werden darf?“ Zumindest ein weiteres Rätsel glaubt der Friedhofsexperte gelöst zu haben: das der beiden Grabsteine, die so verwittert sind, dass keinerlei Inschrift mehr zu erkennen ist. „Man weiß von zwei Menschen, die definitiv in Eitorf gestorben sind und sehr wahrscheinlich auch hier begraben wurden. Legt man die versetzte Anordnung der Gräber zugrunde, dann läge im zweiten auf dem Friedhof eingerichteten Grab der 1918 kurz nach Jakob Simon gestorbene Russe Gorewitsch, und in dem zweiten bis dato unbekannten Grab eine Frau Hirschberg.“
Eine Führung über den Jüdischen Friedhof bietet Bernd Winkels am Sonntag, 29. März, 14 Uhr an. Männliche Teilnehmer brauchen eine Kopfbedeckung. Anmeldung bei Bernd Winkels unter 02243/61 09.