HistorieEin historischer Rundgang durch Eitorf

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Eitorf – Feuer anzünden, Asche ausleeren, Backöfen auswaschen und den Fußboden bohnern. Die Kinder, die Haushaltungsunterricht in der Mädchenschule auf der Brückenstraße besuchten, mussten sich die Kenntnisse um „Das häusliche Glück“ hart erarbeiten.

Das Schulbuch stammte aus dem Jahr 1911 und war auch an der Eitorfer Mädchenschule Pflichtlektüre. Den üblichen Arbeitsalltag, vom Putzplan bis hin zum Rezept für gesottenes Schweinefleisch mit Sauerkraut und Kartoffelbrei, hat Bernd Winkels von einer ehemaligen Schülerin bekommen, die im ältesten Schulgebäude des Ortes, dem Backsteinhaus neben der Feuerwache, 1932 den Unterricht besuchte. „Fein säuberlich in Sütterlin aufgeschrieben“, erzählt der Eitorfer Hobby-Historiker.

Alte Dokumente wie diese, Karten und Fotos, aber auch die Anekdoten, die ihm Ur-Eitorfer erzählten, hat er für seinen zweistündigen Rundgang durch das historische Eitorf gesammelt. „Ich nehme aber auch Bezug auf anstehende Bauprojekte wie den Abriss eben dieses Schulgebäudes und der Feuerwache oder auch die Bahnunterführung.“

Die Unterlagen immer parat: Norbert Herkenrath und Bernd Winkels (r.) führen durch das historische Eitorf.

Die Unterlagen immer parat: Norbert Herkenrath und Bernd Winkels (r.) führen durch das historische Eitorf.

Seit einigen Jahren bietet Winkels diese Exkursion in die Geschichte zusammen mit Norbert Herkenrath an, mittlerweile hat er so viele Informationen zusammengetragen, dass er die Führung jetzt in zwei Teile aufsplitten musste. „Es wird von den Teilnehmern viel nachgefragt, aber ich erfahre auch immer wieder Sachen, die mir Ur-Eitorfer aus ihrer Erinnerung erzählen!“ Start für den ersten Teil ist am 24. April auf dem Vorplatz des 1938 als HJ-Heim eingeweihten Theaters am Park. Der Blick auf die Brückenstraße lässt Geschichte und Gegenwart aufeinandertreffen: Gezählt sind die Tage von Mädchenschule und Pförtnerhäuschen der Villa Gauhe.

Auf Höhe des Busbahnhofs stand die 1965 abgerissene „Schützenburg“, das Vereinshaus des ältesten Eitorfer Vereins, im Krieg Lazarett und späteres Kino. Der Park „ging früher weiter bis zum Schwimmbad“, weiß Winkels. Die Brückenstraße führt vorbei an der ehemaligen Zigarrenfabrik Philipps, heute Wohnhaus. „Bis zu 300 Beschäftigte haben dort in den Jahren 1886 bis 1892 gearbeitet.“ Die Brückenstraße – einst wie alle Eitorfer Vorzeigestraßen wie die Asbacher- oder die Bahnhofstraße eine prächtige Allee – führte als grüner Flanierweg mit Autospur hindurch.

Die Tour geht Richtung Sieg und der namensgebenden Siegbrücke, die im Zweiten Weltkrieg gesprengt und ein Stück weiter neu gebaut wurde. „Erst 1900 wurden die Straßennamen amtlich festgeschrieben, die sich im Laufe der Zeit entwickelt und durchgesetzt haben“, weiß Winkels und präsentiert eine Bekanntmachung des „Gemeinderathes“ vom 22. Januar 1900. Aufgelistet sind dort nicht nur die nun amtlichen Namen der Straßen, sondern auch deren Anfang und Ende: So wurde zum Beispiel festgelegt, dass die Mittelstraße gegenüber der Wirtschaft Haupt auf der Asbacher Straße beginnt und an der Cäcilienstraße bei der Witwe Schneider endet.

Auch der Ortsname Kelters, wo das Gasthaus „Zur schönen Aussicht“ die Touristen lockte, dürfte sich so eingebürgert haben: „Hier, wie auch in Halft oder Bach, wurde bis etwa 1811 überall Weinbau betrieben.“

Die Sieg selbst wurde zum Flößen von Eichenbalken genutzt, in Eitorf gab es Anlegestellen. Ab 1859 verlagerte sich der Verkehr auf die Schiene, der Bahnhof brummte: Rund 60 Arbeiter kümmerten sich um Züge und Schienen, um Reisende und Güter.

Von der einstigen Pracht sind oftmals nur die alten Fotos geblieben, die Herkenrath bei der Stadtführung zeigt: Die prächtige Villa des Aachener Fabrikanten, den Eitorfern durch ihren späteren Besitzer als „Potts Villa“ bekannt, musste 1964 der Haupt- und heutigen Sekundarschule weichen. Wie so manches prächtiges Herrenhaus: Die Villa von Max Gauhe wurde 1973 abgerissen, heute steht dort ein Supermarkt; 1975 das Sanatorium des Wuppertaler Nervenarztes Carl Friedrich Meyer; 1976 das Haus Wilhelm Osswald neben der Post. Auch der kleine Lebensmittelladen von Großvater Heinrich Winkels gegenüber von „Kurscheids Eck“ musste weichen, heute steht hier das Gebäude der Kreissparkasse. Andere Gebäude in der Bahnhofstraße jedoch können noch erzählen: Wie das ehemalige Bahnhofshotel von 1892 mit Erker für die Kegelbahn, in dem 1946 die erste Ratssitzung nach dem Krieg stattfand. Oder auch die 1972 bezogene Polizeistation, 1812 als Friedensgericht gebaut.

Überhaupt: Gebaut wurde viel. Die von Bürgermeister Müller angeordnete Umhausung für den Eipbach zum Beispiel, der früher offen durch den Ortskern floss und in dem sämtliche Abfälle entsorgt wurden. Die Touristen, die mit der Bahn nach Eitorf kamen – an einem Wochenende im Jahr 1890 wurden 2000 gezählt – und die Sommerfrische suchten, hatten sich über den Gestank beschwert. Das Schwimmbad, das 1934 gebaut und mit großem Tamtam eingeweiht werden sollte, „aber es war undicht und alles Wasser war wieder rausgelaufen!“ Die Feuerwehr pumpte in Windeseile jede Menge Wasser ins Becken, damit der Festakt stattfinden konnte.

„Eitorf im Wandel der Zeit I“, historischer Rundgang mit Bernd Winkels. 24. April, 14 Uhr, Start: Theater am Park. Anmeldung erbeten unter 02243/61 09.

Ortsgeschichte

Anhand von Bodenfunden wird angenommen, dass es die erste Besiedlung auf heutigem Eitorfer Gemeindegebiet bereits etwa 8000 vor Christi in Alzenbach gab. 1144 wurde Eitorf erstmals urkundlich erwähnt. 1170 wurde die alte Pfarrkirche auf dem Eitorfer Markt gebaut, die 1889 abgebrochen wurde; nur der Turm blieb stehen, der 1945 im Bombenhagel fiel. Er bildet einen Teil des Eitorfer Stadtwappens. Der Bergische Löwe, der die Zugehörigkeit des Eitorfer Gebietes zum Herzogtum Berg signalisiert, und die Eicheln aus dem ersten Gerichtssiegel, das entweder aus dem Jahr 1580 oder 1626 stammt, komplettieren das Wappen. Das erste belegte Gerichtsgebäude war der Viehof „Wilhelmsruh“ 1470.

Mitte des 19. Jahrhunderts – mit Bau der Siegtalstraße und der Eisenbahn – entwickelte sich Eitorf zum Industrieort mit Zigarrenfabriken, der Färberei von Julius Gauhe, der Kammgarnspinnerei. Aber auch Bergbau wurde hier betrieben, „wenn auch wenig erfolgreich“, erzählt Bernd Winkels. Erz, Silber und Kupfer wurden gewonnen, Aktien sogar in Frankreich verkauft. Im Jahr 1901 waren noch 13 Gruben angemeldet. Sie hießen Doris, Pascha, Fliege und Harmonie – Namensgeber für den heutigen Ortsteil. Einen Bodenschatz der anderen Art fanden Arbeiter angeblich 1969 beim Neubau des Krewel-Werkes: ein Mammut-Skelett. (seb)

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