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Musik-Duo aus WindeckSinger-Songwriter Barbara Kooyman und Wolfgang Pracht

Lesezeit 4 Minuten

Windeck – Ein Kirschbaum verliebt sich in ein Kind, das jeden Tag vorbei radelt und ihm keine Beachtung schenkt – selbst dann nicht, als der Verschmähte sich zum Frühjahr in eine rosa Blütenpracht hüllt. Da bittet der Baum „Schwester Wind“, ihm zu helfen... „Cherry Blossom“ heißt ein neues Lied, das Barbara Kooyman geschrieben und komponiert hat.

Am Küchentisch ihres Hauses in Windeck-Kohlberg erzählt sie die Geschichte. Wie sie ausgeht, kann man aber erst im April erfahren. Dann soll das neue Album erscheinen, das die US-Amerikanerin und ihr Ehemann, der Windecker Sänger und Gitarrist Wolfgang Pracht, gemeinsam produziert haben.

Auf dem Archehof von Lisa Anschütz ist das Paar heimisch geworden. Wie Anschütz, saß Pracht – wenngleich parteilos – für die Grünen im Rat von Windeck; so entstand die Verbindung. In dem kleinen Haus zwischen Kuh- und Hühnerställen, entstehen die Stücke des Duos, das in der Singer-Songwriter-Szene eine feste Größe und dennoch ein gut gehütetes Geheimnis ist.

„Wenn du sagen kannst, du hast mit Bob Dylan gespielt, dann kriegst du jeden Gig“, meint Wolfgang Pracht, der mit der Folk-Ikone befreundet ist. Dylan hat ihn schon in Windeck-Ottershagen besucht, wo Pracht früher wohnte. Doch dem 60-Jährigen liegt Diskretion ebenso am Herzen wie seiner drei Jahre jüngeren Lebensgefährtin Barbara Kooyman. Sie hat in den 80er Jahren ein halbes Dutzend Auftritte im Vorprogramm von Dylans Konzerten bestritten – gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann Pat MacDonald unter dem Namen „Timbuk 3“.

Der Song „The Future’s So Bright, I Gotta Wear Shades“ machte das Duo berühmt. „Aber er wurde oft missverstanden“, erklärt Kooyman. „Die Zukunft ist so strahlend, dass man Sonnenbrillen tragen muss – das bezog sich ja auf die befürchtete atomare Verseuchung.“ In ihren Liedern hat sich Barbara Kooyman, deren Markenzeichen ihr dunkler Samthut ist, immer wieder stark gemacht für Ökologie und Bürgerrechte. Ihren Songs begegnete Wolfgang Pracht 2001, als er auf Empfehlung eines Freundes ihr Soloalbum „Ready“ hörte. „Ich war sehr berührt und dachte, der Kollegin muss man gratulieren für diese tolle Platte.“

Dem Telefonat nach Austin folgten weitere Gespräche, und bald reiste Pracht zurück in die USA, wo er selbst 15 Jahre mit dem legendären Sänger und Gitarristen Townes Van Zandt gearbeitet, aber auch an der Seite von Tim Buckly und David Crosby gespielt hatte.

2002 kam Barbara Kooyman erstmals ins Windecker Ländchen; die Schneemassen in dem damaligen harten Winter haben sie an ihre Kindheit in Alaska erinnert. „Nur die Berge sind dort ein bisschen höher.“ Seit dem vorigen Jahr nun wohnt sie mit Pracht dauerhaft im Rhein-Sieg-Kreis. Der kann sich überhaupt nicht mehr vorstellen, „in New York oder Los Angeles zu leben. Dort habe ich früher mal gewohnt. Aber diese Hektik ist nicht mehr meine Sache“, sagt der bedächtig wirkende Sänger. „Ich brauche wenige Menschen; je weniger, desto besser.“

Das Spazieren durch die einsame Landschaft sei pure Inspiration, schwärmt Barbara Kooyman. „Im Gehen entsteht ein Rhythmus, dann kommen die Worte und die Melodie dazu.“

Politisch sind ihre Lieder noch immer, „aber ich male Bilder, keine Poster. Musik ist für mich Kunst, kein Entertainment“, stellt sie klar. So wird ein politischer Song geboren wie „Swimmin’ in Black Water“, ein zorniges Lamento über die Ölpest im Golf von Mexiko 2010, den das Duo gemeinsam schrieb.

Oft aber wechselt die Autorenschaft zwischen beiden: „Mal hat Wolfgang eine gute Idee; zum Beispiel eine Bridge oder einen dritten Vers. Aber es geht auch anders herum, und ich helfe ihm, einen Song zu kreieren“, berichtet die Liedermacherin.

Ein Lied müsse die Menschen intellektuell, emotional und spirituell ansprechen, betont Wolfgang Pracht, der noch die Shakespeare-Sonette aus der Schulzeit im Ohr hat und eine entsprechende Qualität anpeilt.

„Boys don’t cry“, sagt seine Partnerin lächelnd, die ihre Mission auch darin sieht, gerade die männlichen Zuhörer zu Tränen zu rühren. Das Titelstück des dritten gemeinsamen Albums „Go Tell the Wind“ könne solche Qualitäten haben, meinen beide.

Gibt es auch Rivalität zwischen ihnen? Die Frage löst erstauntes Gelächter aus. Konkurrenzdenken sei ihnen fremd, versichern die beiden. Davon profitieren auch andere Musiker, die Kooyman und Pracht immer wieder zu Hauskonzerten auf den Archehof holen, wie etwa Stephanie Urbina Jones, Patterson Barrett und John Inmon, die hier im vergangenen Jahr einen mitreißenden Gitarren-Mix aus Texas boten.