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Musik von der Mülldeponie„Recycling-Orchester“ aus Paraguay gastierte in Hennef

Lesezeit 4 Minuten

Begeisternd: Mit Maurice Ravels „Bolero“ eröffnete das Orchester ein Konzert, das wohl keinen der Zuhörenden unberührt ließ.

  1. Was andere Menschen wegwerfen, kann dieses Orchester aus Paraguay gut gebrauchen.
  2. Ihre Instrumente stellen sie selber her, und zwar aus Abfällen von einer Mülldeponie.
  3. Die Musik, die dieses Orchester hervorbringt, hat einen ganz besonderen Klang. Davon konnten sich die Hennefer jetzt selbst überzeugen.

Hennef – 30 Liter hat ein Cello, hergestellt aus einem Ölfass. „Aus jedem Kontrabass kriegt man zwei Harfen“, erzählt Orchesterchef Favio Chávez – gebaut aus einem anderen Fass, Palettenholz und dem Rohr einer Kinderschaukel. Auf der Geige steht noch der Name des Herstellers, der einst Farbe im Eimer aus Blech abfüllte. Aus Müll sind die Instrumente eines mehr als außergewöhnlichen Ensembles hergestellt, das den Zuhörern im Kur-Theater einen bemerkenswerten Konzertabend bescherte. Das „Orquesta de reciclados de Cateura“ gastierte kurz nach einem Auftritt vor dem spanischen König an der Hennefer Königsstraße.

Aus Paraguay kommen die zwölf bis 21 Jahre alten Orchestermitglieder; im Elendsviertel Bañado am Rande der Hauptstadt Asunción leben sie und ihre Familien direkt neben der Müllkippe Cateura. Oft gibt es nur einen einzigen Raum in den Hütten, die der nahe Fluss regelmäßig überschwemmt. Mit den Händen graben Müllsammler im Unrat der Stadt nach Metall, Holz oder Kunststoff, die sie weiterverkaufen können. „Die Welt schickt uns Müll“, hat Favio Chávez einmal gesagt, „und wir geben Musik zurück.“

Perspektiven für ein besseres Leben bietet Favio Chávez den Kindern und Jugendlichen mit dem Musikunterricht.

Keine Scheu vor großen Namen

Und was für eine Musik: Mit Maurice Ravels „Bolero“ eröffneten die zwei Dutzend jungen Leute den Abend – und ihre Interpretation ließ wohl niemanden im Saal unberührt. „In den Händen der Kinder hört es auf, Müll zu sein“, sagte Chávez, „diese Kinder zeigen uns, das kulturelle Beschäftigung ein Grundbedürfnis ist.“

Rund 250 Kinder und Jugendliche besuchen inzwischen die Musikschule in der Siedlung; ältere Mitglieder des Orchesters unterrichten die Kleinen auf den Instrumenten, die dort in einer Werkstatt entstehen. Dabei ist die Musik weit mehr als angenehmer Zeitvertreib. Den jungen Musikern eröffnet sie eine Perspektive abseits von Elend und Drogen, die in ihrer Siedlung eine große Rolle spielen. Das Repertoire des Ensembles, das junge Menschen wie Celeste an der Geige, Bassist Wilson oder Harfenist César vereint, kennt keine Scheu vor großen Namen. Mehrfach stand Musik von Astor Piazolla auf der Hennefer Setlist, dazu Filmmusik („Die fabelhafte Welt der Amélie“), aber auch Klassiker wie Bachs Cello-Suite Nr. 1.

Aus dem Slum in die Welt

Die Heimat der jungen Musikerinnen und Musiker in Paraguay heißt „Bañado“, was übersetzt „gebadet“ bedeutet: Nach starken Regenfällen tritt der nahe Fluss über die Ufer und überschwemmt die Siedlung. Schlamm und tiefe Pfützen bleiben zurück.

Etwa 2500 Familien leben dort am Südrand von Asuncion neben der größten Müllkippe ihres Landes. Der heutige Dirigent Favio Chávez kam 2006 als Umwelttechniker für ein Recycling-Projekt in das Elendsviertel. Schockiert von den Lebensumständen dort begann der Gitarrist an, Musikunterricht zu erteilen.

Geld für Musikinstrumente hat keines der Kinder; inzwischen sind über 400 Streichinstrumente und 50 Gitarren aus Blech, Haarbürsten, Löffeln und Kronkorken entstanden. Die Saiten der Violinen werden an Gabeln befestigt. Internetvideos haben dem Orchester weltweite Aufmerksamkeit beschert; inzwischen ist das Ensemble in 40 Ländern aufgetreten, unter anderem mit Metallica. (dk)

Dass junge Menschen dies- und jenseits des Atlantik einander so ähnlich sind, machte ein berührendes Duett deutlich: Zuschauerin Hanna und Milagros aus Paraguay intonierten gemeinsam Beethovens Ode an die Freude. „Um sich kennenzulernen, brauchten sie nur ein Stück Farbdose“, kommentierte Favio Chávez die anrührende Begegnung.

Pause diente zum Austausch mit den jungen Gästen

„Wir hätten das Kur-Theater zwei Mal ausverkaufen können“, sagte Programm-Macher Ingo Teusch erfreut über die Resonanz auf das Konzert, das der junge Hennefer Jonas Derksen initiiert hatte. Der hatte während eines Jahres im Entwicklungsdienst in Argentinien ein vergleichbares Projekt in Cordoba mit aufgebaut und den Kontakt auch nach Paraguay gepflegt. Hennefer Familien nahmen nun die Gäste bei sich auf; Unterstützer trugen mit Geld, Essen und mietfrei überlassenen Räumen zum Gelingen bei.

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Gern nutzten auch die Zuhörer die Gelegenheit zum Austausch mit den jungen Gästen. Und die Chance, in der Pause die Instrumente genau zu betrachten. „Am Anfang waren sie eckig, die neueren sind rund“, wies Favio Chávez auf einen wichtigen Unterschied hin. Aus Müll aber sind sie immer noch.