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„Tiergestützte Pädagogik“Schule in Hennef-Rütsch macht Reiten zum Höhepunkt der Woche

Lesezeit 4 Minuten
Jason (stehend) und Mika sind totale Fans des Reitprojekts der Richard-Schirrmann-Schule.

Jason (stehend) und Mika sind totale Fans des Reitprojekts der Richard-Schirrmann-Schule.

Die Kreisschule mit dem Förderschwerpunkt Emotionale und Soziale Entwicklung schickt pro Halbjahr zwei Klassen auf den Wiesenhof von Angela Räder.

Jason steht auf dem Rücken von Pixi, einem Pony vom Wiesenhof. Vor ihm sitzt auf der Satteldecke Mika. Beide haben die Arme zur Seite gestreckt, balancieren behutsam aus. Ein solches Bild wäre vor ein paar Wochen noch undenkbar gewesen. Die beiden Erstklässler der Richard-Schirrmann-Schule sind erst seit Ostern mit ihrer Klassenlehrerin Michele Bongartz zum Reiten in Hennef-Rütsch.

„Wir haben ein Augenmerk auf tiergestützte Pädagogik“, erklärt der Leiter der Förderschule für Emotionales und Soziales Lernen des Rhein-Sieg-Kreises, Sebastian Wolf. Obwohl er es schon seit einigen Jahren kennt, schaut er fasziniert auf die Entwicklung der kleinen Gruppe. „Die lernen hier ganz viel“, berichtet er Ursula Yogeshwar.

Wir haben ein Augenmerk auf tiergestützte Pädagogik.
Sebastian Wolf, Leiter der Richard-Schrirrmann-Schule

Die Vorsitzende der Kinder- und Jugendstiftung Hennef (Kiju) hat die Einladung angenommen, sich das Reitprojekt einmal anzuschauen. Die Kiju finanziert das Vorhaben, nachdem der Förderverein das nicht mehr stemmen konnte. Der Schulträger, also der Kreis, hat dafür kein Geld. „Es sind alles Kinder mit Förderbedarf, die hier in kleinen Teams zusammen sind und die sich vertrauen“, beschreibt Wolf die Arbeit.

Die Betreiberin Angela Räder und ihre beiden Helferinnen Sophie von Padberg und Sarah Mersch gehen mit den Pferden mit. Die Leine aber müssen die Kinder führen. Und übernehmen damit gleich ganz viel Verantwortung. „Sie müssen ihre eigenen Bedürfnisse zurückstellen. Pferde reagieren unmittelbar, die Schülerinnen und Schüler können nicht einfach loslassen“, beschreibt Bongartz die Situation. „Das ist am Anfang noch schwierig gewesen.“

Wer reiten will, muss auch abäppeln, das gehört wie selbstverständlich dazu.

Wer reiten will, muss auch abäppeln, das gehört wie selbstverständlich dazu.

Schon nach kurzer Zeit habe sich das eingespielt. Wenn die Gruppe kommt, ist es selbstverständlich, das sie sich selbst organisiert. Die Pferde müssen geputzt, der Parcours auf dem Reitplatz aufgebaut werden. Alle 14 Tage kommen die beiden Klassen, immer im wöchentlichen Wechsel. So profitieren zwei Klassen im Schulhalbjahr von dem Projekt, das schon seit 15 Jahren läuft.

„Für die Kinder ist das ein totales Highlight“, so erlebt Bongartz ihre Gruppe. „Auch wenn die sich vorher nicht riechen können, hier bekommen sie das hin.“ Sie müssen die Pferde lenken, ihnen sagen, wo es lang gehen soll. Das stärkt ihr Selbstbewusstsein enorm. Anderes kommt hinzu.„ Sie reiten ohne Sattel, so spüren sie die Wärme des Pferdes, die Bewegung sehr direkt.“ Das leichte Schaukeln habe etwas von den Wellen, die der Fötus im Mutterleib erlebe.

Samira traute sich anfänglich kaum etwas zu, inzwischen rewitet sie freihändig und bewegt ihre Arme auf und ab.

Samira traute sich anfänglich kaum etwas zu, inzwischen rewitet sie freihändig und bewegt ihre Arme auf und ab.

So entsteht auch ein Gefühl für den eigenen Körper, den sie bewusst wahrnehmen können, aber auch von Sicherheit und Geborgenheit. Zudem wird die Bewegungskoordination gestärkt. Samira, die mit körperlichen Defiziten lebt, war anfänglich ängstlich, klammerte sich an die Arme ihrer Betreuerinnen. Inzwischen sitzt sie freihändig dort oben, wackelt mit ihren Händen. „Am Anfang habe ich mich gar nicht getraut, aber jetzt trau’ ich mich ganz viel“, erzählt sie stolz.

Der Parcours verlangt ihnen spielerisch so einiges ab. Sie müssen ihre Bewegungen ausbalancieren, wenn sie etwa kleine Ringe in größere auf dem Boden werfen müssen. Dazu kommt die Farbzuordnung, rot zu rot, grün zu grün und so fort. Äußerste Konzentration ist gefragt, wenn es darum geht, Ringe über eine Stange zu befördern. Jason macht da ein richtig guten Job, zwei von drei schafft er im ersten Anlauf. Er ist totaler Fan des Reitprojekts: „Es gefällt mir, auf dem Pony zu sitzen.“

Mitmachen können alle Kinder an der Stammschule in Hennef-Bröl. „Da ist niemand, der sagt, es stinkt“, freut sich Schulleiter Wolf. „Das steigert die Motivation über den Rest der Woche, das wirkt im Unterricht nach.“ Und sein Vorgänger und jetziger Vorsitzender des Fördervereins, Jürgen Heinzer, ist ebenfalls großer Befürworter: „Wir müssen den Kindern verschiedene Zugänge schaffen. Ihr habt doch beim Reiten gut zusammen gearbeitet, das könnt ihr doch jetzt im Unterricht auch.“

Jason hat viel für seine Bewegungskoordination getan, locker wirft er die Ringe über die Stange.

Jason hat viel für seine Bewegungskoordination getan, locker wirft er die Ringe über die Stange.

Hoch konzentriert sind die Schülerinnen und Schüler dabei, sind sich ihrer Verantwortung für die Tiere, aber auch für die anderen bewusst. „Die Kinder erleben sich hier in besonderer Weise als selbstwirksam“, weiß Heinzer. Angela Räder kann das nur unterschreiben: „Wir machen das, weil es uns Spaß macht. Und wir sehen, dass es was bringt. Pferde haben eine tolle Ausstrahlung. Manch quirliges Kind steht ganz ruhig angelehnt an den großen, warmen Körper. “