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Selbsthilfetag in SiegburgWie Betroffene Stärke in der Gemeinschaft finden

Lesezeit 3 Minuten
Gaukler sorgten für gute Laune am Selbsthilfetag in Siegburg.

Gaukler sorgten für gute Laune am Selbsthilfetag in Siegburg.

Rund 30 Selbsthilfegruppen stellten sich auf dem Marktplatz in Siegburg vor.

Ein paar Namen auf bunten Luftballons, so präsentierte sich die Gruppe AGUS (Angehörige um Suizid) beim Selbsthilfetag auf dem Siegburger Markt. Die Namen stehen für Familienangehörige, die durch Suizid aus dem Leben geschieden sind. Einige Gruppenmitglieder gingen offensiv mit diesem Schicksalsschlag um, sie trugen T-Shirts mit den Fotos von ihren Kindern, und man erfuhr auch, in welchem jungen Alter sie ihr Leben beendeten.

Die Reaktion auf eine solche persönliche Katastrophe ist ganz individuell. „Manche kommen zwei Wochen nach dem Ereignis in unsere Gruppe, bei anderen liegt es schon zehn Jahre zurück“, erzählte eine Sprecherin. Die Trauer- und Selbsthilfegruppe bietet in der Region einen Gesprächskreis speziell für betroffene Eltern und einen für sonstige Angehörige an. Trauer nach einem Suizid ist keine Trauer wie jede andere, betonte die Sprecherin: „In diesen Gesprächen geht es ganz viel auch um Fragen wie Schuld oder was man noch hätte tun können.“

In jeder Schulklasse gibt es junge Menschen mit Angst- oder Essstörungen

Im Rhein-Sieg-Kreis gibt es etwa 200 Selbsthilfegruppen für Betroffene und Angehörige aus den Bereichen Sucht, Gesundheit und Psychosoziales. Etwa 30 von ihnen stellten sich beim ersten Selbsthilfetag im Rhein-Sieg-Kreis auf dem Markt vor, organisiert vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Begleitet wurde das Angebot unter der Schirmherrschaft von Landrat Sebastian Schuster von den Fachberatungen der Selbsthilfe-Kontaktstellen Rhein-Sieg und Bonn sowie der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) des Paritätischen Rhein-Sieg.

„Wir freuen uns sehr, dass so viele engagierte Selbsthilfevertreterinnen und -vertreter dabei sind, ihre Arbeit vorstellen und mit Interessierten ins Gespräch kommen“, sagte Jutta Klee, Fachberaterin in der Selbsthilfe-Kontaktstelle Rhein-Sieg.

Rund 30 Selbsthilfegruppen stellten sich auf dem Markt vor, organisiert vom Paritätischen Wohlfahrtsverband.
Die Infostände waren gut besucht.

Rund 30 Selbsthilfegruppen stellten sich auf dem Markt vor, organisiert vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Die Infostände waren gut besucht.

Auf den Marktplatz gekommen war auch der Verein HfpK Bonn-Rhein-Sieg, der sich um die Förderung der seelischen Gesundheit verdient macht. Eine Säule der Vereinsarbeit ist die Arbeit für die mentale Stabilität von Schülerinnen und Schülern, erzählte Sprecherin Angela Ehlert, denn hier sei der Bedarf drastisch gestiegen: „Es gibt in fast jeder Klasse drei bis fünf betroffene junge Menschen mit auffälligem Verhalten, Angst- oder Essstörungen, was bis zur Schulvermeidung führen kann.“ Hier zeigten sich bis heute die Auswirkungen der Corona-Krise.

Blindenhund Ake lockte die Besucher an den Stand der Ortsgruppe des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands.

Blindenhund Ake lockte die Besucher an den Stand der Ortsgruppe des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands.

Die regionale Ortsgruppe des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands hat über 300 Mitglieder. An ihrem Stand wurde über die Besonderheiten der Braille-Schrift aufgeklärt und freundlich darüber informiert, dass im Umgang mit Sehbehinderten Übereifer eher wenig hilfreich ist. Zwei als Blindenhunde ausgebildete Königspudel sorgten dafür, dass der Stand stets ausreichend Besucher anzog.

Erwachsene ADHS-Patienten haben es schwer, einen Therapieplatz zu finden

Ann einem weiteren Stand berichtete ADHS-Patient Daniel, wie sehr diese Erkrankung seinen Alltag beeinflusst – und wie schwer es Erwachsene haben, einen geeigneten Therapieplatz zu finden: „ADHS ist ein Dopaminmangel im Kopf, deshalb können die Nervenzellen im Kopf nicht gut miteinander kommunizieren. Und das wirkt sich bei jedem Patienten sehr, sehr unterschiedlich aus.“

Bei der Hyperaktivität im Kopf entstehen tausende Ideen, ohne dass jemals eine zu Ende gebracht wird, sagte er: „In der Selbsthilfegruppe ist man mit anderen Betroffenen zusammen, die alle die gleichen Probleme haben und bei manchen dieser Probleme finden wir gemeinsame Lösungen.“

Das mache den Wert der Selbsthilfegruppen aus, hieß es auch an den anderen Ständen, an denen sich Krebspatienten, Migräne-Erkrankte oder Betroffene von Borderline-Störungen austauschten.