Umweltaktivistin Clara von Glasow„Menschen können ihr Verhalten ändern“

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Die Henneferin hat wegen der Corona-Krise mehrere Wochen am Stück ohne Landgang auf dem Segelschiff verbracht.

Die Henneferin hat wegen der Corona-Krise mehrere Wochen am Stück ohne Landgang auf dem Segelschiff verbracht.

  • Sieben Monate war die Umweltaktivstin Clara von Glasow mit dem Segelschiff „Regina Maris“ unterwegs.
  • Nun die Rückkehr nach Europa - mitten in der Zeit der Corona-Pandemie. Für van Glasow ein seltsames Erlebnis.
  • Unsere Redakteurin Annette Schröder sprach mit der 25-Jährigen außerdem über die persönlichen Erfahrungen und Eindrücke, die sie in den letzten sieben Monaten gemacht hat.

Hennef – Clara von Glasow (25) ist zurück von ihrer siebenmonatigen Reise mit dem Segelschiff „Regina Maris“. Die Klimaaktivistin hatte an der UN-Klimakonferenz in Chile teilnehmen wollen, die aber abgesagt und nach Madrid verlegt wurde. Annette Schroeder sprach mit der jungen Juristin, die aus Hennef stammt.

Wie war es für Sie, mitten in der Corona-Pandemie wieder in Europa anzukommen?

von Glasow: Das war ein seltsames Erlebnis. Es gab keine große Begrüßung, weil das Schiff nicht in einem niederländischen Hafen anlegen konnte, sondern auf einer Werft in Ijmuiden. Wir haben uns alle bereits an Bord verabschiedet, und dann habe ich erstmals das Phänomen des Social Distancing erlebt.

Nach der Absage der UN-Klimakonferenz in Santiago/Chile hatten Sie in Kolumbien das Projekt „Sail for Climate Action“ ins Leben gerufen. Was ist daraus geworden?

Wir wollten die Rückreise nach Europa nutzen, um 17 junge Menschen aus Südamerika und der Karibik nach Europa zu bringen. Auf der für Juni geplanten UN-Klimakonferenz in Bonn sollten sie dann ihre Geschichten erzählen. Denn als Teilnehmerin von zahlreichen UN-Konferenzen habe ich festgestellt, dass zwar viel über den globalen Süden und indigene Völker gesprochen wird, die Betroffenen selbst aber selten zu Wort kommen. Doch auf der Überfahrt nach Bermuda holte uns die Corona-Krise ein: Die EU beschloss, ihre Grenzen für Nicht-EU-Bürger zu schließen. Wir mussten die Teilnehmenden wieder nach Hause schicken.

Das war für Sie der zweite Rückschlag auf dieser Reise. Wie haben Sie darauf reagiert?

Es war schon eine dramatische Situation, mein Team musste in kürzester Zeit viele Visa besorgen. Aber man ist dann im Arbeitsmodus, es bleibt nicht viel Zeit, um sich den eigenen Gefühlen hinzugeben. Ich hatte außerdem schon gelernt, dass sich aus einem gescheiterten Projekt ein neues entwickeln kann. Und so geht es auch diesmal weiter: Die Bonner Konferenz ist nun auf Oktober verschoben, und wir wollen es schaffen, die jungen Leute aus Mittel- und Südamerika dorthin einzuladen.

Zur Person

Clara von Glasow wuchs in Köln und Hennef auf, wo sie das städtische Gymnasium besuchte. Als Mitglied der Grünen Jugend leitete sie die Ortsgruppe Hennef und saß als sachkundige Bürgerin im Schulausschuss des Gemeinderates. An der EBS Universität für Wirtschaft und Recht Wiesbaden hat sie Jura und Betriebswirtschaftslehre studiert. Seit 2017 nimmt sie als Mitglied des Vereins Klimadelegation an den UN-Klimakonferenzen teil. (as)

Ihr Team für die UN-Konferenz in Santiago de Chile, die dann nach Madrid verlegt wurde, wollte ein Konzept für nachhaltiges Reisen erarbeiten. Ist das gelungen?

Ja, wir haben zum Beispiel Vorschläge gemacht, wie man in Europa verstärkt Nachtzüge anbieten oder ein Start-up-Unternehmen für lokale Ferien gründen kann. Woran ich speziell gearbeitet habe: Konkrete Vorschläge, wie insbesondere Flug-Emissionen in den Nationalen Klimaschutzbeiträgen, die die Länder dieses Jahr bei den UN einreichen müssen, berücksichtigt werden können.

War der Think Tank an Bord also ein Erfolg?

Auf jeden Fall. Es waren bei der UN-Klimakonferenz in Madrid 24 Repräsentanten für uns vertreten, die über unsere Arbeit berichtet und sehr viel positives Feedback erfahren haben. Wir hatten ja moniert, dass Schifffahrt und Emissionen von Flugzeugen zu wenig in nationalen Klimaschutzzielen berücksichtigt werden. Das ändert sich gerade, wie man an dem Statement der Bundeskanzlerin beim Petersberger Dialog sieht. Dazu haben viele Forscher und Gruppen Bausteine geliefert, auch wir als Sail to the COP.

Können Sie sich an ein besonders schönes Atlantik-Erlebnis erinnern?

Das waren die Momente, in denen wir im Klüvernetz lagen und Delfine beobachten konnten, die unter uns aus dem Meer sprangen und vor dem Schiff herschwammen. Nachts, wenn sie durch fluoreszierende Algenteppiche schwammen, wirkten die Tiere wie Lichtpfeile. Schön, aber etwas unheimlich war auch das Schwimmen im Atlantik - mit 6000 Meter unter uns.

Wie hat sich in Corona-Zeiten die Rückreise gestaltet?

Wir mussten von Bermuda bis in die Niederlande durchsegeln, 30 Tage lang. Denn die Azoren haben uns die Einreise verweigert, wir durften noch nicht einmal vor dem Hafen der Ilha das Flores ankern, sondern mussten sofort die portugiesischen Gewässer wieder verlassen. Wir hatten genug Proviant und Frischwasser an Bord, das wir ja ohnehin immer selbst produziert haben. Aber der Törn war schon sehr anstrengend. Weil das Team auf 15 Leute zusammengeschmolzen war, musste jeder zwei Schichten pro Tag übernehmen, und das bei sehr nassem und kaltem Wetter.

Alles in allem waren Sie nunmehr als ein halbes Jahr unterwegs. Wie hat diese Reise Sie verändert?

Ich bin flexibler und genügsamer geworden. An Bord hatten wir ja zahlreiche Nationalitäten: Es war eine Mini-Gesellschaft, die nach klaren Regeln funktionierte, in der es aber auch Konflikte gab, die sofort gelöst werden mussten. Man lernt sich und andere auf engem Raum anders kennen, hat auch viel Zeit für tiefgründige Gespräche.

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Glauben Sie, dass die Corona-Krise eine Chance bietet, nun auch der Klimakrise entschlossener zu begegnen?

Viele Menschen haben die Klimakrise noch vor kurzem als etwas Abstraktes gesehen, was sie selbst nicht betrifft. Das hat sich durch die Erfahrung der anderen Krise vielleicht geändert. Außerdem hat die Corona-Pandemie gezeigt, wie Menschen ihr Verhalten ändern können, wenn eine kollektive Gefahr droht. Dass die Politik in dieser Krise der Wissenschaft vertraut, das vermerke ich nun positiv. Das bietet auch eine Chance, die wir für das Thema Klimaschutz nutzen sollten. Ich selbst werde demnächst ein Webinar anbieten, in dem ich mit interessierten Menschen über die Lehren der Coronakrise für das Begegnen der Klimakrise diskutiere.

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