Weniger Arbeitszeit bei gleichem GeldHennefer Chef schenkt Mitarbeitern Lebenszeit

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Axel Schönfelder (1)

Lebenszeit sei das Beste, was er seinen Beschäftigten schenken kann, sagt Axel Schönfelder (56). In zwei Schritten will er die Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden bei vollem Lohn reduzieren.

  • Sein Unternehmen fährt einen achtstelligen Jahresumsatz ein. Jetzt will Unternehmer Axel Schönfelder seinen Angestellten etwas davon zurückgeben - in Form von Lebenszeit.
  • Statt den üblichen acht Stunden soll in seiner Firma bald nur noch sechs Stunden täglich gearbeitet werden.
  • Der Clou an der Umstrukturierung: Die Arbeitszeit wird heruntergeschraubt, das Gehalt bleibt jedoch gleich.

Hennef – Kurzarbeit, Umsatzeinbrüche, Stellenabbau, Insolvenzen – nach dem Corona-Lockdown stöhnt die Wirtschaft. Doch die Ankündigung eines Hennefer Unternehmens lässt aufhorchen: Die Arbeitszeit der Angestellten wird um zwei Stunden pro Tag reduziert, aber weiter das volle Gehalt gezahlt. Zudem winkt eine Gewinnbeteiligung in Form von Jahresboni.

„sk8te4u“ heißt das Unternehmen, in dem all dies möglich sein soll. Axel Schönfelder, Gründer und Chef der Sportfirma, hat es durchkalkuliert. Auf die Frage, wo er seinen Goldesel stehen hat, sagt der 56-Jährige, dass seine Betriebe auf mehreren gesunden Beinen stünden.

Das Geschäft mit Ausstattungen für Wasser-, Berg- und Wintersport sowie für diverse Action-Sportarten, darunter beispielsweise Longboards und Stunt Scooter, nebst „cooler Streetwear“ erzeugt nach seinen Worten einen achtstelligen Jahresumsatz. „Wir beliefern 21 Länder“, beschreibt er ein globales Netzwerk mit Büros sogar in Fernost.

„Nie wieder Schulden“

Zweifellos steckt dahinter eine Erfolgsstory; Schönfelder, der in Troisdorf aufgewachsen ist, kennt aber auch das Gegenteil. 1994 ging er in Insolvenz. „Damals habe ich alles falsch gemacht“, sagt er rückblickend. 2009 startete er neu durch und schwor sich: „Ich mache nie wieder Schulden.“

Jetzt hat er der Gewinnmaximierung abgeschworen. „Ich habe nachgedacht: Was will ich? Noch mehr Wachstum, noch höher, noch weiter – das kann es nicht sein.“ Auf dem eigenen Konto Millionen anzuhäufen, sei nicht fair gegenüber den knapp 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. „Die waren sehr erstaunt, als ich damit um die Ecke kam“, erzählt er lachend. 

Ohne Lohnkürzung wird die Arbeitszeit ab Januar von 40 auf 35 und im Mai um weitere fünf auf 30 Wochenstunden reduziert. Durch die vor anderthalb Jahren begonnene Optimierung der Betriebsabläufe ergäben sich 25 Prozent Zeitersparnis. „Wenn wir dann hier sechs Stunden arbeiten, ist der Output der gleiche wie zuvor bei acht Stunden.“

Lebenszeit als größtes Geschenk

Da Wachstum ohnehin endlich sei, legt Schönfelder, wie er es ausdrückt, nun den Rückwärtsgang ein, denn auch das Leben sei endlich. Die alte Sichtweise, das dieses erst mit der Rente anfange, hält er für falsch. „Das Beste, was ich meinen Mitarbeitern schenken kann, ist Lebenszeit.“

Zu den Beschenkten zählt Theres Wiemann, die seit sechs Jahren bei „sk8te4u“ in Vertrieb und Marketing tätig ist. „Positiven Neid“ erntete sie im Freundeskreis und von ihren Eltern den Ratschlag: „Bleib da bis zur Rente.“ Die kürzere Arbeitszeit werde zu effektiverem Arbeiten und höherer Produktivität führen, ist sich Wiemann sicher. Für diejenigen, die statt mehr Freizeit mehr Geld wollten, sei das Modell halt nicht das Richtige.

Nicht für jedes Unternehmen denkbar 

Auch Axel Schönfelder berichtet von „zu 95 Prozent“ positiven Reaktionen. „Fünf Prozent haben meine Philosophie nicht verstanden oder sagen: »Der ist sehr bald pleite, das kann sich doch keiner leisten.«“ Dass weniger Arbeitszeit bei vollem Lohn längst nicht in jedem inhabergeführten Betrieb möglich ist und schon gar nicht zu Konzernen passt, die Aktionären verpflichtet sind, das ist dem findigen Unternehmer klar, der auch das Troisdorfer Restaurant „Elements of Taste“ führt.

In der Firma zeitlich kürzer treten, das sollen nicht nur die Beschäftigten. Auch der Chef selbst will auf 30 Stunden „oder noch weniger“ in der Woche herunterfahren. Die gewonnene Zeit, sagt Schönfelder, werde er unter anderem zum Komponieren elektronischer Musik nutzen und nicht zuletzt seinem „großen Baby“ widmen. Gemeint ist die Burg Dattenfeld in Windeck, die er vor drei Jahren erworben hat. Derzeit plant er dort einen Weihnachtsmarkt unter Corona-Auflagen.

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