Schwere Verletzungen33-Jähriger muss nach Schüssen auf Stiefsohn in Königswinter ins Gefängnis

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann sitzt auf der Anklagebank. Neben ihm steht sein Anwalt.

Der Angeklagte im Prozess um Schüsse auf ein autistisches Kind in Königswinter. (Archivfoto)

Ein Projektil drang rund einen Zentimeter tief in den Körper des Elfjährigen ein, ein weiteres schlug durch die Lunge bis in den Darm.

„Nur der Angeklagte kann der Täter gewesen sein!“ Der Vorsitzende Richter der 2. Großen Strafkammer Wolfgang Schmitz-Justen zeigte sich am Freitagmittag in der Urteilsbegründung überzeugt davon, dass ein heute 33-jähriger Mann aus dem Königswinterer Höhenort Bockeroth am 8. April 2021 mit seinem Luftgewehr dreimal auf seinen damals elfjährigen behinderten Stiefsohn geschossen hat.

Mit vier Jahren Haft fiel das Urteil wegen gefährlicher Körperverletzung genauso hoch aus, wie nach einem ersten Prozess vor der 8. Großen Strafkammer am Bonner Landgericht. Das erstinstanzliche Urteil war nach einem von dem Angeklagten gestellten Antrag auf Revision vom Bundesgerichtshof in diesem Februar aufgehoben worden.

Viel spricht dafür, dass die Schüsse auf den Jungen im Haus fielen

Das Verhältnis des Angeklagten zu seinem Stiefsohn und die angenommene maximale Schussweite von 170 Metern müssten näher beleuchtet werden, gaben die Karlsruher Richter der nun zuständigen Bonner Kammer auf. In der ersten Instanz war der Stiefvater auch wegen Misshandlung Schutzbefohlener verurteilt worden, ein Tatbestand, den aus eher akademischen Gründen nun weder Anklage noch Gericht verwirklicht sahen. Die mögliche maximale Schussdistanz hingegen hatte ein Sachverständiger auch in dem neuen Verfahren nachdrücklich bestätigt: Das Mantra, dass Schüsse mit einem Luftgewehr ungefährlich seien, stimme nicht.

An welchem Ort die Schüsse auf den Jungen nun aber tatsächlich abgegeben worden waren, konnten auch die Richter der 2. Großen Strafkammer nicht mit Sicherheit feststellen: Es spräche jedoch einiges dafür, dass der Junge im Haus von seinem Stiefvater beschossen worden sei, führte Schmitz-Justen aus. In dem kleinen Ort hätte ein Mann mit einem Gewehr sicherlich für Aufmerksamkeit gesorgt. Und auch die Schüsse wären mit einiger Wahrscheinlichkeit gehört worden. Im Rahmen der Beweisaufnahme hatte der Vorsitzende im Gerichtssaal selber den Geräuschpegel der Luftdruckwaffe mit einem Schuss ohne Projektil eindrucksvoll demonstriert.

Königswinterer hatte Schüsse aufs Kind vehement abgestritten

Der Anwalt des Stiefvaters, Michael Kurth, hatte einen Freispruch für seinen Mandanten gefordert: Zu viele Unwägbarkeiten sah der Anwalt des nun Verurteilten. Der Angeklagte hatte in dem ersten Verfahren die Tat vehement abgestritten und in dem neuen Verfahren beharrlich geschwiegen. Das Gericht war aber schließlich davon überzeugt, dass kein Dritter in das Haus der Familie hätte eindringen und die Waffe an sich nehmen können: Das Luftgewehr war im Billardzimmer im Keller bestens gesichert, so der Vorsitzende.

Auch, dass ein Kind für die Schüsse verantwortlich gewesen sein könnte schloss er aus: Man habe selber gesehen, wie schwierig es sei, den Knicklauf zu spannen. Und das müsse man schließlich vor jedem Schuss tun, man könne mit der Waffe nur jeweils einen Schuss abfeuern. Und, dass es sich bei dem Gewehr der Marke Diana um die Tatwaffe handele, habe ein Gutachten des LKA zweifelsfrei bestätigt.

Zwischen 13:56 Uhr – dem Zeitpunkt als die Schwiegermutter das Haus der Familie verlässt – und 16:30 Uhr – dem Zeitpunkt der Rückkehr des Jungen von einem Spielplatz – müssen die Schüsse nach Überzeugung des Gerichts gefallen sein. Die Kammer folgte hier exakt der Sichtweise von Staatsanwalt Martin Kriebisch.

Die Motive des Verurteilten werden wohl sein Geheimnis bleiben

Der erste Schuss streifte nur die Haut, das zweite abgefeuerte Projektil drang rund einen Zentimeter tief in den Körper ein und das dritte sogenannte Spitzkopfdiabolo schlug durch die Lunge bis in den Darm des Jungen. Nachdem der damals Elfjährige abends über Schmerzen geklagt und lethargisch geworden war, hatte ihn seine Mutter in die Kinderklinik nach Sankt Augustin bringen lassen. Von dort wurde er nun die Uniklinik überstellt, wo die Ärzte zwei sogenannte Spitzkopf-Diabolos aus dem Körper des Jungen herausoperierten.

Die Motive des Verurteilten werden wohl sein Geheimnis bleiben, der Stiefvater hatte nur wenige Tage nach dem ersten Urteil versucht, sich in einem Hennefer Waldstück zu erhängen, wie im Verlauf des Verfahrens bekannt geworden war. Er wurde nach kurzer Suche aufgrund einer Vermisstenanzeige aber rechtzeitig gefunden und konnte in einem Krankenhaus behandelt werden. Während des ersten Verfahrens hatte die Ehefrau des nun bereits zum zweiten Mal Verurteilten unverbrüchlich zu ihm gehalten. Die Frau, mit der der Mann noch drei gemeinsame Kinder hat, war nach dem Prozess wegen Falschaussage zu Gunsten ihres Mannes zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

KStA abonnieren