Gericht in BonnExperte feuert im Prozess um Schüsse auf Kind in Königswinter Luftgewehr ab

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Prozess um Schüsse auf Kind in Königswinter.

Der Angeklagte im Prozess um Schüsse auf Kind in Königswinter. (Archivfoto)

Im Verfahren gegen den Mann aus Bockeroth, der im Verdacht steht, seinen elfjährigen Stiefsohn angeschossen zu haben, hörte das Gericht Experten an.

Während der Leiter der Mordkommission dem Gericht die Funktionsweise eines modernen Luftgewehrs erläuterte, beugte sich der Vorsitzende Richter Wolfgang Schmitz-Justen nach hinten. Vom Boden hinter der Richterbank hob er die mutmaßliche Tatwaffe auf und präsentierte dem Zeugen das Asservat: „So ist das ein bisschen anschaulicher“, sagte der Richter. Wenige Minuten später knallte es auf Anweisung eines weiteren sachverständigen Zeugen im Gerichtssaal.

Vor der 2. Großen Strafkammer am Bonner Landgericht stand am vierten Verhandlungstag um die Schüsse auf einen elfjährigen Jungen in Bockeroth die Vernehmung weiterer Zeugen an. Der Vorsitzende Richter wollte sich und den anderen Verfahrensbeteiligten ein Bild davon machen, wie sich ein Schuss aus einer solchen frei verkäuflichen Luftdruckwaffe anhört – selbstverständlich ohne Munition.

Schüsse auf Kind in Königswinter – erster Prozess zu Haftstrafe verurteilt

Angeklagt ist der Stiefvater des Jungen; er soll drei Schüsse auf den Elfjährigen abgegeben haben und das Kind dabei lebensgefährlich verletzt haben. Der Junge kann sich aufgrund einer autistischen Erkrankung nicht selbst zum Tatgeschehen äußern. Der angeklagte Stiefvater war in einem ersten Prozess zu einer vierjährigen Haftstrafe wegen Misshandlung eines Schutzbefohlenen und gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden.

Der ursprüngliche Verdacht des versuchten Mordes hatte sich nicht erhärtet. Das Urteil war aber nach einem von dem Angeklagten gestellten Antrag auf Revision vom Bundesgerichtshof aufgehoben worden: Das Verhältnis des Angeklagten zu seinem Stiefsohn und die angenommene maximale Schussweite von 170 Metern müssten näher beleuchtet werden, gaben die Karlsruher Richter der nun zuständigen Bonner Kammer auf.

Auf sdiesem Spielplatz soll der Stiefvater auf den Elfjährigen gerschossen haben

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Und Letzteres setzten die Richter dann mit der Befragung des damaligen Leiters der Mordkommission der Bonner Polizei, eines Sachverständigen Rechtsmediziners und eines Experten für Schusswaffen vom Düsseldorfer Landeskriminalamt in die Tat um. Dabei ging es auch um die maximale Entfernung, aus der ein Schuss in den Körper eines Menschen eindringen kann.

Schüsse aus dem Luftgewehr seien nicht ungefährlich

Das Mantra, dass Schüsse mit einem Luftgewehr ungefährlich seien, stimme so nicht, sagte der Rechtsmediziner. Das Potenzial sei erschreckend. Er habe sich in seiner Berufslaufbahn bereits mit tödlichen Kopfverletzungen auseinandersetzen müssen. Grundsätzlich hätten diese Waffen das Potenzial tief unter die Haut einzudringen, je nach Entfernung könnten auch Knochen durchdrungen werden.

Es sei durchaus möglich, dass ein aus 170 Metern Entfernung abgegebenes Geschoss noch in die Haut eines Menschen eindringen könne. Zusätzlich müsse man berücksichtigen, dass die Haut eines Kindes empfindlicher sei. Ärzte hatten in einer Klinik zwei sogenannte Spitzkopf-Diabolos aus dem Körper des Jungen operiert.

In dem vorausgegangenen Verfahren hatte der Angeklagte die Vorwürfe vehement abgestritten. Im aktuellen Prozess schweigt der 33-Jährige. Wie am Mittwoch auf eine Nachfrage des Staatsanwalts an den ersten Zeugen bekannt wurde, versuchte der Stiefvater nur wenige Tage nach dem ersten Urteil sich in einem Hennefer Waldstück das Leben zu nehmen. Er wurde nach kurzer Suche aber rechtzeitig gefunden und konnte in einem Krankenhaus behandelt werden.

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