Urteil kassiertProzess um Schüsse auf Kind in Königswinter wird neu aufgerollt

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Ein Spielplatz ist mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. Daran hängt ein roter Zettel.

Beim Spielen wurde das Kind getroffen. (Archivbild)

Der Junge war lebensgefährlich verletzt worden, das Landgericht Bonn hatte den Stiefvater im April 2022 zu vier Jahren Haft verurteilt. 

Das Bonner Landgericht verhandelt im November erneut über einen Fall aus Königswinter-Bockeroth, bei dem im April 2021 ein damals elfjähriger Junge durch Schüsse aus einem Luftgewehr schwer verletzt worden war. Grund: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Urteil der ersten Instanz kassiert und zur Neuverhandlung an eine andere Strafkammer des Landgerichts verwiesen.

Haftstrafe nach Indizienprozess

Die 8. Strafkammer hatte am 29. April 2022 den Stiefvater (33) des Kindes am Ende eines viermonatigen Indizienprozesses wegen Misshandlung eines Schutzbefohlenen und wegen gefährlicher Körperverletzung zu vier Jahren Haft verurteilt. Für die Bonner Richter war klar, dass er mit seinem Luftgewehr aus 170 Metern Entfernung aus dem Wohnhaus der Familie auf den draußen spielenden Jungen geschossen hatte.

Der unter starken Entwicklungsstörungen leidende Stiefsohn wurde von drei Schüssen in den Oberkörper getroffen; ein sogenanntes Spitzkopfdiabolo-Projektil durchschlug den Darm. Der Elfjährige wurde durch eine Notoperation in der Uni-Klinik gerettet.

Bundesgerichtshof hebt das Urteil auf

Der Angeklagte, der die Tat bestritten hatte, ging in Revision, weil er einen Freispruch wollte, hatte aber vor dem 2. Strafsenat des BGH (Aktenzeichen 2 StR 421/22) nur teilweise Erfolg. Denn die Verurteilung des Hausmeisters wegen gefährlicher Körperverletzung sei „rechtsfehlerfrei“, also richtig, gewesen, stellte das höchste Gericht fest.

Doch die zugleich verurteilte Misshandlung von Schutzbefohlenen sei nicht ausreichend begründet worden, argumentiert das Bundesgericht. Die rohe Gesinnung eines Täters, dem bei einer Misshandlung Gefühllosigkeit unterstellt werden müsse, hätte belegt werden müssen; das sei allerdings nur „lückenhaft“ geschehen. Deshalb wurde das Urteil insgesamt aufgehoben.

Auch die Mutter steht jetzt vor Gericht

Die 2. Strafkammer des Bonner Landgerichts muss nach Auffassung des Bundesgerichtshofs also von November an auch klären, ob es tatsächlich möglich ist, mit einem frei verkäuflichen Luftgewehr aus einer Distanz von 170 Metern ein bewegliches Ziel zu treffen.

Unterdessen muss sich in der kommenden Woche die leibliche Mutter des Jungen wegen uneidlicher Falschaussage vor dem Bonner Amtsgericht verantworten. Sie soll, so lautet der Vorwurf der Anklage, im Strafprozess gelogen haben, um den Angeklagten, ihren Ehemann, zu entlasten.

Als Zeugen sind unter anderem die damaligen Richter und der Staatsanwalt geladen. Letzterer hatte bereits im ersten Verfahren angekündigt, dass gegen Familienangehörige wegen möglicher Falschaussage ermittelt werde.

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