Birker Anwohnende protestieren gegen die Bebauungspläne. Ratsmitglieder verweisen auf den dringenden Bedarf an preisgebundenen Mietwohnungen.
Sozialer WohnungsbauStreit um Bebauungspläne in Lohmar-Birk

Die ehemalige Friedhofserweiterungsfläche in Birk soll bebaut werden.
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Preisgebundener Wohnraum wird in Lohmar dringend benötigt. Gegen 21 günstige Wohnungen aber, die auf der ehemaligen Friedhofserweiterungsfläche im Birker Ortskern entstehen sollen, protestiert die Anwohnerschaft. In der jüngsten Sitzung des Sonderausschuss Birk haben die Mitglieder mehrheitlich Änderungen des Bebauungsplans „Im Dellchen/ Zum Hasenberg“ zugestimmt, die CDU stimmte als einzige Fraktion dagegen. Im Rat muss die Bebauung noch abgesegnet werden. Zahlreiche Anwohnerinnen und Anwohner erschienen zur Sitzung des Sonderausschusses.
Zuvor hatte die Anwohnerschaft dem Ausschuss eine Liste von 231 Namen vorgelegt – allesamt Gegner des Bauvorhabens. „Ich habe gehört, dass unsere Aktion, Unterschriften zu sammeln, als Wahlkampfveranstaltung gegen die Grünen und die SPD gesehen wird. Das ist absolut nicht der Fall“, stellte der Anwohner Horst Tamke im Ausschuss klar. Der Gruppe gehe es ausschließlich darum, dass die Wiese neben dem Friedhof nicht dreistöckig bebaut werden solle.
Birker Anwohnerinnen und Anwohner: Keine Wahlkampfveranstaltung gegen SPD und Grüne
Auch der Einzelhandelsverband Bonn/Rhein-Sieg/Euskirchen hatte sich in einer Stellungnahme zur geplanten Bebauung geäußert. „Es gilt zu befürchten, dass zusätzlicher Parkdruck sowie mehr Verkehr in den umliegenden Straßen verursacht werden. Der Wirtschaftsverkehr gerät so unter Druck“, argumentierte der Vorsitzende Alexander Jentsch.
„Uns geht es auch gar nicht um den Sozialbau – der Sozialbau ist wichtig, dagegen haben wir uns nie ausgesprochen“, sagte Anwohner Tamke. Man wolle den Park aus Naturschutzgründen erhalten, die Wiese als Begegnungsfläche und ganz allgemein den dörflichen Charakter von Birk bewahren. Er bat den Rat um die Rücknahme des Beschlusses.
Es wird immer wieder gesagt, der soziale Wohnungsbau sei nicht das Thema. Dabei wird aber der Eindruck erzeugt: Es ist ein Thema, aber bitte nicht bei mir vor der Haustür.
Burkhard Bröhl (Grüne) kritisierte, dass es sich bei dem eingereichten Dokument nicht um eine Unterschriftenliste, sondern lediglich um aufgelistete Namen handele. Man habe in der Bürgerschaft stichprobenhaft nachgefragt, dabei sei aufgefallen, dass einige, deren Namen auf der Liste zu finden waren, nicht über den Inhalt der Forderungen informiert seien. Mehrere Birker im Ausschuss bestritten das.
Die Interessensgemeinschaft L(i)ebenswertes Birk, eine Gruppe von Birker Bürgerinnen und Bürgern, habe im Jahr 2021 selbst vorgeschlagen, diese Fläche freizugeben, sagte Burkhard Bröhl: „Diese Fläche ist undiskutiert in den Ablauf eingestiegen – und jetzt im Wahlkampf kommt es auf einmal auf.“ Es sei im Grunde zu spät, der Prozess schon seit mehreren Jahren abgeschlossen.

Auch am Breiter Weg in Lohmar-Ort sind 48 preisgebundene Wohneinheiten entstanden.
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Bröhl betonte weiterhin die wachsende Bedeutung des sozialen Wohnungsbaus. „Es wird immer wieder gesagt, der soziale Wohnungsbau sei nicht das Thema. Dabei wird aber der Eindruck erzeugt: Es ist ein Thema, aber bitte nicht bei mir vor der Haustür.“ Immer mehr Menschen seien auf den sozial geförderten Wohnungsbau angewiesen, das treffe ältere Menschen, aber auch beispielsweise Alleinerziehende. In Birk schaffe man kleine Wohnungen für genau diese Gruppen. Die Bürgerinnen und Bürger bitte er um Verständnis, „dass wir diese Ziele, die wir für die Gesellschaft haben, auch in Lohmar und Birk umsetzen“.
Lohmar gilt als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt: Koalition sieht keine mögliche Alternativfläche
„Hier geht es ums Allgemeinwohl: Wir brauchen Wohnraum“, sagte Uwe Grote (SPD). Welches Grundstück das richtige sei, habe man im Ausschuss „zig mal durchdiskutiert“. Außerdem sei man auf Belange der Bürgerinnen und Bürger eingegangen: Der Sonderausschuss habe die Architektur der Gebäude geändert, die Anzahl der Parkplätze erhöht. „Wir bauen das Gebäude da hin, weil es nah am Ortskern ist, weil es nah am ÖPNV ist, und weil es nah am Nahversorger ist. Bei allem Verständnis, wir sind der festen Überzeugung, dass das der richtige Standort ist.“
Tim Salgert (CDU) argumentierte dagegen: „Im Ernst jetzt, wir haben andere Möglichkeiten, und genau dort sollen 40 Bäume gefällt werden.“ Welche anderen Möglichkeiten das konkret sind, wurde jedoch in der Argumentation der CDU nicht deutlich. Wie viele Bäume genau gefällt werden müssten, sei noch unklar, teilte die Stadtverwaltung mit.
Hier hat man die einmalige Gelegenheit, ein Grundstück von 2000 Quadratmetern Größe, auf dem sich viele schöne Bäume befinden, als grüne Lunge innerhalb des Dorfes zu erhalten.
Der Erhalt der Bäume war auch für die Anwohnerinnen und Anwohner ein wichtiges Thema: „Hier hat man die einmalige Gelegenheit, ein Grundstück von 2000 Quadratmetern Größe, auf dem sich viele schöne Bäume befinden, als grüne Lunge innerhalb des Dorfes zu erhalten“, sagte Jens Lichtenthäler im Ausschuss. Eine Fläche wie diese sei nicht leicht zu ersetzen. Bruno Brück (CDU) fragte, wie im Dorf ein Ausgleich für den abkühlenden Effekt der Wiese geschaffen werden solle.
„Wir sind in einem vereinfachten Bebauungsplanverfahren – das sieht den ökologischen Ausgleich nicht vor, das ist richtig“, sagte Kerstin Tillmann, Amtsleiterin der Stadtplanung. Dennoch überwögen die Vorteile der Lage des Grundstücks. Tillmann wies zudem auf die freiwillige, große Ersatzbepflanzung hin, die der Bebauungsplan vorsieht, und auf das geplante „intensive Gründach“ der Bauten – hier sei ein kühlender Effekt zu erwarten. Weiterhin sei die Gestaltung des Gebäudes bereits angepasst worden, es sei nur 15 Zentimeter höher als das gegenüberliegende Doppelhaus und füge sich somit in das Ortsbild ein.
Die Stadt Lohmar zähle inzwischen zu den Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt, sagte Horst Becker (Grüne), „das heißt, dass in solchen Gebieten nochmal ganz andere Dinge gemacht werden könnten“. Gerade in Birk sei die Anzahl an Mietwohnungen verschwindend gering. Einstimmig, auch mit Stimmen der CDU, habe der Rat beschlossen, dass die mögliche Alternativfläche neben der neu gebauten Grundschule Reservefläche für ein geplantes Pflegeheim bleiben solle.
Aus verschiedenen bereits genannten Gründen bleibe somit nur die ehemalige Friedhofswiese als Baugrundstück übrig, „wenn man sozialen, preisgebundenen Wohnungsbau ernst meint“. Becker bat die Menschen in Birk darum, die Beweggründe zu dieser Entscheidung zu sehen, die alles andere als leichtfertig getroffen worden sei.